Mitte März war es wieder einmal so weit. Die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) hob unter der Leitung von Janet Yellen den Korridor für den Notenbankzins um 25 Basispunkte auf 0,75 Prozent bis 1 Prozent an. Die Reaktionen an den Märkten fielen moderat aus, waren die Zinsen am langen Ende doch bereits im Vorfeld gestiegen. An den Aktienbörsen war eine Art von Erleichterung zu verspüren, zumal in den Börsensälen die Befürchtung umging, dass die Notenbankchefin einen schärferen Ton als erwartet anschlagen könnte. Letzteres blieb aus.
Bloß keine Nachlässigkeit
Dies sollte nun allerdings nicht zu Nachlässigkeit verführen, warnt Franz Wenzel: „Weitere Zinserhöhungen stehen an. Bestenfalls wird man sich die Frage stellen, um wie viel und in welcher Geschwindigkeit die US-Zinsen angehoben werden. Daher sind langfristige Investoren gut beraten, sich eine Sicht der Dinge zurechtzulegen, die man in die Formel ,in Übertreibungsphasen das Risiko reduzieren‘ fassen könnte.
Diese Warnung kommt auf den ersten Blick überraschend. Sowohl in den USA als auch in China, aber auch hier in Europa lassen die konjunkturellen Daten sowie die Prognosen den Schluss zu, dass 2017 wie auch 2018 ein ordentliches Wachstum von um die 1,5 Prozent in Europa, über 2 Prozent in den USA und 6 Prozent in China möglich sein wird. Die Unternehmensgewinne wachsen nach einer zweijährigen Rezession wieder.
„Bei all dem Positiven sollte man allerdings ein wesentliches Element nicht übersehen“, erklärt Wenzel. „Die Aktienhausse, die seit mehreren Jahren das Börsengeschehen prägt, ist mit Zentralbank-Liquidität gekauft. So hat sich der US-Markt seit seinem Tief 2008 mehr als verdreifacht, während die US-Unternehmensgewinne sich bestenfalls verdoppelt haben. Den Rest der Hausse, die die Börsenbewertung auf mehr als das 25-fache der Unternehmensgewinne gehebelt hat, verdanken wir Ben Bernanke und Janet Yellen.“
Daneben gelte es, einige Besonderheiten für die europäischen Börsen zu beachten, so Wenzel weiter: „Bei einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 20 auf der Basis veröffentlichter Gewinne sind die hiesigen Börsen etwas attraktiver bewertet. Hinzu kommt, dass die Liquidität der EZB den Euro eher schwach halten sollte. Ferner sind die Lohnstückkosten kein Grund zur Sorge, die die Unternehmensmargen beeinträchtigen könnten. Und schließlich bietet eine attraktive und relativ stabile Dividendenrendite von über 3 Prozent einen gewissen Schutz.“ Gleichwohl merkt der Experte an, dass die europäischen Börsen nach wie vor am Tropf der Wall Street hingen: „Eine größere Korrektur in den USA würde sicherlich mit einem noch größeren Kursrückgang hier quittiert. Man sollte die Rechnung nicht ohne den Wirt, sprich das Beta im Börsenjargon, machen.“
Steigende Zinsen als Gift für die Aktienmärkte
Als gesicherte Tatsache gilt, dass höhere Zinsen über kurz oder lang Gift für Dividendenwerte sind. In der Vergangenheit sei ein Anstieg der realen Renditen in den USA, also des nominalen Zinsniveaus abzüglich der Inflation, auf über 2,5 Prozent eine wichtige Hürde, die, einmal überschritten, eher zu Marktkorrekturen und damit zu einem niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) geführt habe. „Auf der Basis heutiger Renditen sind wir von dieser Schallmauer aber noch ein ganzes Stück entfernt. In den USA liegen die Renditen im Laufzeitensegment zwischen fünf und zehn Jahren bei nominal 2 Prozent bis 2,5 Prozent. Bei langfristigen Inflationserwartungen von etwa 2,5 Prozent entspricht dies einer realen 10-jährigen Rendite um die 0 Prozent“, sagt Wenzel. Das sehen die Investoren ähnlich: An den Märkten werden zehnjährige Realzinsen um die 50 Basispunkte (TIPS) gehandelt. Bei einer langfristig zu erwartenden Inflationsrate von 2 Prozent bis 2,5 Prozent könnten nach dieser Rechnung die nominalen Renditen bis auf 4 Prozent ansteigen. Dies entspräche einem weiteren Zinsanstieg um 150 Basispunkte im zehnjährigen Segment und käme einem Zeitsprung zurück in den Juli 2008 gleich.