Barings Stratege Valensise über die jüngste Schizophrenie der Märkte

Von Rezessionsängsten bis hin zu scheinbar grenzenloser Euphorie: Warum die Märkte in den vergangenen Wochen einen hohen Grad an Schizophrenie aufwiesen, erklärt Marino Valensise, Chairman - Strategic Policy Group, Baring Asset Management, in seinem neuesten Marktkommentar. Barings | 16.11.2015 11:00 Uhr
Marino Valensise, Head of Global Multi Asset Group, Barings / ©  Baring Asset Management
Marino Valensise, Head of Global Multi Asset Group, Barings / © Baring Asset Management
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Man könnte das Verhalten der Märkte und der Kommentatoren in den letzten zwei Monaten als schizophren bezeichnen.

Anleger zeigten sich besorgt aufgrund der schlechten Kommunikation bestimmter Zentralbanken, die sich nicht gerade mit Ruhm bekleckerten. Ihre Vorgehensweise ließ Zweifel aufkommen. Sah man sie einst als allmächtig, sind sie nun scheinbar nicht in der Lage, den Märkten die benötigte Klarheit zu verschaffen. So fehlte in der Stellungnahme der Fed vom Oktober jeglicher Bezug zu globalen und internationalen Entwicklungen (über die man sich Ende September noch besorgt zeigte). Welchen Unterschied doch ein Monat ausmacht!

Diese Unsicherheit spiegelt sich auch an anderer Stelle wider. Der bekannte Stratege Ed Yardeni stellte ironischerweise fest, dass auf einen kürzlichen Artikel des Wirtschaftsportals Business Insider, in dem behauptet wurde: „Es ist an der Zeit, allmählich über eine Rezession in den USA zu sprechen“, eine Woche später der Beitrag folgte: „Sechs Anzeichen dafür, dass sich die US-Wirtschaft nicht annähernd auf Rezessionskurs befindet“.

Von der Einschätzung einer bereits stattfindenden Rezession dahin überzugehen, dass eine solche nicht einmal in Sicht ist, ist schon eine ziemliche Positionsänderung. Was ist also los mit der US-Wirtschaft? Unserer Ansicht nach nicht viel.

Vor ein paar Jahrzehnten, als ich mit der Verwaltung von Hochzinsanleiheportfolios begann, herrschte an den Märkten das Mantra von 1,5%. Wenn sich das reale Wachstum in den USA auf dieses Niveau verlangsamte, gingen wir von einem schnellen Wertverfall unserer Investitionen aus, da die Ausfallraten exponentiell ansteigen würden.

Dasselbe Konzept, obgleich in einer intellektuell eleganteren Form, wurde auch von der US-Notenbank Fed erörtert (in einer Rede von Dennis Lockhart und in einem Informationsschreiben von Jeremy Nalewaik1 jeweils im Jahr 2011). Ebenso wie ein Flugzeug, das nach einem Geschwindigkeitsabriss irgendwann abstürzen wird, würde die US-Wirtschaft bei einem Rückgang des Wirtschaftswachstums auf unter 2% ins Trudeln geraten.

Eine Konjunktur durchläuft Zyklen, und es ist der natürliche Lauf der Dinge, dass eine Wirtschaft hin und wieder in eine Rezession gerät. Allerdings trifft dies unserer Ansicht nach aktuell nicht auf die USA zu.

Wir konnten mehrfach bestimmte positive Faktoren beobachten (Konsum, Dienstleistungen, Kreditvergabe), die sich unterstützend auf die US-Wirtschaft auswirken. Allerdings gibt es insbesondere drei Punkte, die die Wirtschaft und die Ertragslage in den vergangenen zwölf Monaten belasteten. Diese waren der steigende Wert des US-Dollar (was zu Turbulenzen in Schwellenländern führte und Unternehmenserträge belastete), der Einbruch des Ölpreises sowie eine allgemeine Verschärfung der Finanzlage 

Diese Probleme scheinen zu schwinden und wir gehen daher in der ersten Jahreshälfte 2016 von einer besseren Wachstumsentwicklung sowie von einer Erholung des Gewinns je Aktie aus. Im Ergebnis handelt es sich eventuell lediglich um eine Rückkehr zum Mittelmaß, es dürfte aber ausreichen, um nicht unter die „Abrissgeschwindigkeit“ von 2% zu fallen.

Wahrscheinlich stimmen Wirtschafts- und Marktpessimisten aufgrund zweier großer Aspekte nicht mit uns überein.

Erstens stellen sie wahrscheinlich einen Einbruch im verarbeitenden Gewerbe sowie im internationalen Handel fest. In den vergangenen Jahrzehnten betrachteten wir die Weltwirtschaft hauptsächlich aus Sicht des internationalen Handels, des verarbeitenden Gewerbes und der Investitionen.  Doch der Charakter des Wirtschaftswachstums hat sich verändert und wir müssen unsere Betrachtungsweise ändern. Binnenwirtschaftliche Aktivitäten, Dienstleistungssektor und Konsum werden immer wichtiger. In all diesen Bereichen gibt es Wachstum und wahrscheinlich werden diese Segmente die Wirtschaft in den kommenden Quartalen anführen.

Zweitens dürften die Pessimisten zu bedenken geben, dass die Effekte der Geldpolitik mit Blick auf die quantitative Lockerung abnehmen und zukünftig keine Auswirkungen mehr haben werden. Es ist richtig, dass eine geldpolitische Lockerung nicht die einzige Antwort auf ein Wirtschaftswachstum sein kann, das niedriger ausfällt als erhofft. Sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht wird die Fiskalpolitik weiterhin eine Rolle spielen.

Positiv zu berichten ist, dass offenbar eine parteiübergreifende Vereinbarung über die US-Schuldenobergrenze getroffen wurde, die sich über die kommenden 18 Monate leicht expansiv und positiv auswirken dürfte.

Langfristig betrachtet braucht die Welt einen kreativen Finanzplan. Beispielsweise könnten multilaterale Organisationen wie die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Europäische Investitionsbank, die Asiatische Entwicklungsbank und die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank günstiges Geld in Form umfassender, langfristiger Anleiheemissionen über beispielsweise 50 Jahre zu einem Zinssatz zwischen 1,5% und 3% aufnehmen. Die Erlöse könnten für schnelle Maßnahmen eingesetzt werden, die unmittelbar die Nachfrage ankurbeln und Vorteile für das Wachstum freisetzen würden. Wenn richtig strukturiert, würde der entstandene Nutzen von Wachstum und Besteuerung die Kreditkosten übertreffen.

In der Zwischenzeit wird uns die Geldpolitik am Rande auch weiterhin unterstützen. Die Europäische Zentralbank kommt offenbar zu Hilfe, die Bank of Japan ist zur Unterstützung der Wirtschaft bereit und die People’s Bank of China steht in den Startlöchern für eine Reihe von Zinssenkungen und Reduzierungen des Mindestreservesatzes. Solche Strategien helfen der Wirtschaft, der Unternehmensrentabilität und den Börsenkursen, zumindest für eine gewisse Zeit.

Seit der Krise vom 24. August erwies sich unsere Haltung zu den Märkten als richtig und wir betrachten das Glas weiterhin als halb voll.

In dem aktuellen Kampf zwischen den Bullen und den Bären gehen wir von einem allmählichen Übergang in eine Phase der höheren Volatilität aus, die die Standfestigkeit der Anleger herausfordern und einen sehr disziplinierten Investitionsansatz verlangen wird.

Wie sonst auch werden Ertragswachstum und Bewertungsniveau den Weg für die Märkte im Jahr 2016 bestimmen. Manche Aktienmärkte sind fair bewertet, andere bieten weiterhin ein attraktives Potenzial.

Werden wir eine Rezession sehen? Irgendwann in der Zukunft ganz sicher – aber nicht jetzt.

Marino Valensise
Chairman
Strategic Policy Group
Baring Asset Management, London

1Jeremy J. Nalewaik, Forecasting Recessions Using Stall Speeds, Finance and Economics Discussion Series, Divisions of Research & Statistics and Monetary Affairs, Federal Reserve Board, Washington, D.C.

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