„Die Rufe nach Solidarität in ganz Europa nehmen zu. Heute schreibt EZB-Präsidentin Christine Lagarde in nicht weniger als 30 verschiedenen Zeitungen (mehr als eine pro Mitgliedsstaat, um sicher zu sein!), um die Regierungen der Eurozone zu bewegen, starke fiskalische Maßnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftlichen Folgen des Virus zu bekämpfen. Doch wann wird der Weckruf erhört? Eine Währungsunion braucht eine gemeinsame finanzpolitische Strategie, um Schocks zu glätten und sicherzustellen, dass eine einzige Zinsbewegung jederzeit den Bedürfnissen der gesamten Gruppe entspricht? Heute trifft sich die Eurogruppe der Finanzminister wieder – sie muss einen Kompromiss finden, um einen gemeinsamen fiskalischen Impuls zu entfesseln. Ein Ausgabenplan von mindestens 5% des BIP der EU ist in Vorbereitung.
Großbritannien agiert hier deutlich weniger zimperlich. Die Bank of England will alle von der Regierung emittierten neuen Schuldtitel direkt aufkaufen und dabei den Anleihemarkt vollständig umgehen. Und zwar so lange, bis die Pandemie abgeklungen ist. Das macht klar, wir befinden uns unter extremen Bedingungen. Die Zentralbanken erweitern die Finanzierungskapazität der Wirtschaft deutlich. Allerdings frage ich mich, wie sich die Schwellenländer fühlen werden, wenn der IWF ihnen das nächste Mal sagt, dass eine direkte monetäre Finanzierung unorthodox sei. Heute aber sind wir alle Simbabwe.“
Agnès Belaisch ist seit 2019 für Barings tätig und arbeitet an einer Vielzahl von Themen, die von der makroökonomischen Analyse bis hin zu verantwortungsbewussten Finanzen reichen. Sie ist seit 1996 in der Branche tätig und verbrachte insbesondere 10 Jahre beim IWF in Washington, DC, wo sie eine Vielzahl von Regierungen in Lateinamerika, Europa und Asien beriet. Zudem arbeitete sie als Managerin für festverzinsliche Schwellenländerfonds in London. Agnès Belaisch hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der New York University.