Die positive Stimmung, mit der EM Debt in das Jahr gestartet ist, hält an. Es gibt weiter Rückenwind, doch auch eine Vielzahl potenzieller Risiken, die es in den kommenden Monaten zu bewältigen gilt.
Bessere Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum sowie die Tatsache, dass die US-Notenbank Fed ihren Zinshöchststand wahrscheinlich erreicht hat oder nahe daran ist, haben die Stimmung bei Schwellenländeranleihen aufgehellt. Entsprechend haben sich die Spreads bei Staats- und Unternehmensanleihen weiter eingeengt.
Während die genannten Faktoren sicherlich Anlass zu Optimismus geben, ist die deutliche Verengung der Spreads auch bei schwächeren Schwellenländerregionen und -krediten zu beobachten. Die weit verbreitete Rallye wirft vor dem Hintergrund der schwierigen letzten Etappe im globalen Kampf gegen die Inflation, der anhaltenden Kriege in Europa und im Nahen Osten sowie der erhöhten politischen Unsicherheit auf der ganzen Welt die Frage auf: Übernehmen sich die Märkte?
Sovereign & Local Debt: Günstiger Hintergrund, doch Risiken bleiben bestehen
Da die US-Wirtschaft wächst, Chinas Schwäche einen Boden gefunden zu haben scheint und das übrige Asien weiter an Stärke gewinnt, stehen Staatsanleihen in harter Währung weiterhin auf einer soliden fundamentalen Basis, während die Rezessionssorgen schwinden. Die Stärke der US-Wirtschaft kommt insbesondere den Ländern in Süd- und Mittelamerika und der Karibik zugute, da hier vielfältige Verflechtungen bestehen, vom Handel bis zum Tourismus. Derweil halten sich die Befürchtungen, dass höhere Zinsen zu Refinanzierungsproblemen führen könnten, in Grenzen – Sambia etwa hat eine Einigung über seine Schulden erzielt, während Ghana und Sri Lanka weiter verhandeln. Auch das technische Bild ist weiterhin günstig für Schwellenländeranleihen, da die Zuflüsse von ‘intelligentem Geld‘ (bzw. von institutionellen Investitionen) in Schwellenländer nach einem Jahr der Abflüsse im Jahr 2023 wieder positiv sind.
Im vergangenen Jahr wurden die Gelder aus Schwellenländeranleihen vor allem von Privatanlegern abgezogen, während die Geschäftsbanken der Industrieländer ihr Engagement in dieser Anlageklasse erhöhten. In der Vergangenheit waren die Zuflüsse von Smart Money ein führender Indikator für die Gesamtzuflüsse von Anlegern in EM-Anleihen.
Das Gesamtbild ist jedoch auch von einer Reihe potenziell erheblicher Risiken geprägt: Zum einen besteht die Möglichkeit einer weiteren Eskalation des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, die einen Ansteckungseffekt auf die Nachbarländer in der Region haben könnte. Hinzu kommt ein erhöhtes politisches Risiko angesichts der zahlreichen Wahlen, die in diesem Jahr weltweit anstehen.
Positiv zu vermerken ist, dass viele der Ergebnisse der Wahlen in den Schwellenländern allgemein erwartet werden und schon im Markt eingepreist sind, so dass es eher nicht zu größeren Störungen kommen wird. Vielleicht ist die US-Präsidentschaftswahl diejenige, die am ehesten für Volatilität auf dem EM-Markt sorgen könnte. Sollte beispielsweise der ehemalige Präsident Donald Trump ins Amt zurückkehren, könnte dies eine Reihe wichtiger internationaler Maßnahmen in Frage stellen.
In diesem Umfeld sehen wir weiterhin Value in Investment-Grade-Staaten (IG) mit soliden Fundamentaldaten – insbesondere bei BBB-Ländern wie Mexiko, Uruguay, den Bahamas und Indonesien. Gelegenheiten bieten sich auch im Bereich der Hochzinsanleihen, insbesondere dort, wo die Spreads weiterhin eine gesunde Überkompensation des Ausfallrisikos bieten. Solche sehen wir insbesondere in qualitativ hochwertigen BB-Staaten wie der Dominikanischen Republik, Costa Rica, Jamaika und Paraguay sowie in einer Reihe von osteuropäischen Ländern – obwohl eine sorgfältige Überwachung angesichts des erhöhten geopolitischen Risikos in der Region von entscheidender Bedeutung ist. In Sri Lanka bleiben wir angesichts der positiven Entwicklung des Landes positiv gestimmt, sind aber der Ansicht, dass bei Emittenten mit einem Rating von B und darunter mehr Vorsicht geboten ist.
Bei den lokalen Schuldtiteln sind wir weniger konstruktiv, was die lokalen Zinssätze angeht, als wir es noch vor sechs Monaten waren. Dies liegt daran, dass wir von den Zentralbanken der Schwellenländer in Zukunft weniger und schwächere Zinssenkungen erwarten, da die Inflation in vielen Ländern weitgehend zurückgegangen ist. Es gibt jedoch einige Schwellenländer, die noch Spielraum für Zinssenkungen haben, wie Mexiko und einige mittel- und osteuropäische Länder. Bei den Lokalwährungen ist das Gesamtbild aufgrund der vielen geopolitisch bedingten Unterschiede zwischen den Regionen und Ländern wohl nuancierter. Unserer Ansicht nach haben sich der argentinische Peso, das ägyptische Pfund, der kenianische Schilling und die nigerianische Naira angepasst und bei Wechselkursen eingependelt, die sich im Gleichgewicht befinden und derzeit attraktiv erscheinen.
Corporate Debt: Argument für IG- und ausgewählte HY-Bonds
Auf dem Markt für Unternehmensanleihen in den Schwellenländern verengen sich die Spreads im Gleichschritt mit anderen Märkten weiter und nähern sich nun den Tiefstständen nach der Krise. Dennoch sind die absoluten Renditeniveaus im Vergleich zu vielen anderen festverzinslichen Anlageklassen nach wie vor attraktiv. Zwar gibt es potenziell erhebliche Risiken am Horizont, die die derzeitige Dynamik zum Erliegen bringen und die Renditenaufschläge in die Höhe treiben könnten – ein Grund, für ein gewisses Maß an Defensivität zu plädieren –, doch sehen wir auch Rückenwind, der den Markt unterstützt. Insbesondere werden Mittel von Geldmarktfonds in Investment-Grade-Anlageklassen (IG) der Industrieländer umgeschichtet, was ausgewählten Segmenten von EM-Unternehmensanleihen Rückenwind durch Crossover-Nachfrage verschafft.
Insbesondere sehen wir Wert in IG-Unternehmensanleihen in den Emerging Markets – die etwa 60 Prozent des EM-Unternehmensanleihe-Universums ausmachen –, da das Segment nicht nur vom Rückenwind der Nachfrage profitiert, sondern auch Nutznießer einer potenziell attraktiven Konvexität sein dürfte, wenn die Fed die Zinsen senkt. Wir sehen auch Wert bei ausgewählten Gelegenheiten im Hochzinsbereich, da das Segment wohl davon profitieren wird, wenn die Wirtschaftsdaten weiterhin auf ein ‘No-Landing‘-Szenario hindeuten und die Stimmung für risikoreichere Anleihen steigt. Überdies bleiben die Fundamentaldaten der Unternehmen insgesamt solide, sowohl bei IG- als auch bei HY-Unternehmen. Insbesondere liegt der Verschuldungsgrad von EM-Hochzinsunternehmen bei 2,2x – verglichen mit 3,4x für US-Hochzinsunternehmen und 4,4x für europäische Hochzinsunternehmen. Der Verschuldungsgrad von IG-Unternehmen aus den Schwellenländern liegt bei 1,0x im Vergleich zum 2,8-fachen von IG-Unternehmen aus den USA und Europa. Dies und die niedrige Ausfallquote von Unternehmensemittenten aus den Schwellenländern in den letzten zehn Jahren – ein Jahresdurchschnitt von 1,3 Prozent im Vergleich zu 2,8 Prozent bei US-Hochzinsanleihen – widerlegt das weit verbreitete Missverständnis, dass es den Emittenten aus den Schwellenländern an Bonität mangelt.
Aus sektoraler Sicht bleiben wir bei Sektoren, die von den kostengünstigeren Produktexporten aus China betroffen sind, wie etwa Petrochemie und Stahl, vorsichtig. Wir sehen auch einige Technologie-, Medien- und Telekommunikationsunternehmen, insbesondere in Lateinamerika, die mit den Folgen höherer Finanzierungskosten, dem Investitionsüberhang aus den Vorjahren und einer geringeren Fähigkeit zur Weitergabe der Kosten an die Verbraucher zu kämpfen haben. Gleichzeitig sehen wir Value in erneuerbaren Energien und in Infrastrukturgeschäften mit Häfen und Mautstraßen sowie bei nachrangigen Krediten ausgewählter Banken mit IG-Rating.
Eine trübere Kristallkugel
Auch wenn die aktuellen Bedingungen für Schwellenländeranleihen insgesamt günstig sind, besteht an vielen Fronten das Potenzial für Störungen – und politische oder geopolitische Ereignisse könnten den Kurs von Schwellenländern und Risikoaktiva insgesamt in Zukunft bestimmen. Diese Entwicklungen sowie mögliche Auswirkungen des Klimawandels, wie etwa Schocks für die weltweite Nahrungsmittelversorgung, stellen potenzielle Risiken dar.
Trotz des risikoreicheren Umfelds sind wir der Ansicht, dass die Vielfalt der Staats-, Unternehmens- und Lokalanleihen in den Schwellenländern eine Vielzahl von Chancen für Emittenten und Regionen bietet, die einzigartige Performancefaktoren aufweisen. Das führt dazu, dass Emittenten aus den Schwellenländern oft zu unterschiedlichen Zeiten und unter verschiedenen Marktbedingungen eine Out- oder Underperformance erzielen. Wir sind der Ansicht, dass eine rigorose Bottom-up-Credit- und Länderauswahl in Verbindung mit einem aktiven und differenzierten Management nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist, um die Risiken auf dem Markt zu steuern und die Emittenten zu identifizieren, die gut positioniert sind, um das unsichere Umfeld zu meistern.
Von Dr. Ricardo Adrogué, Head of Global Sovereign Debt & Currencies, Cem Karacadag, Head of Emerging Markets Sovereign Debt und Omotunde Lawal, CFA und Head of EMEA Corporate Credit and Emerging Markets Corporate Debt, Barings