Der Begriff „Stilrotation“ beschreibt an der Börse das Umschichten von Kapital zwischen verschiedenen Anlagestilen wie Value und Growth. Ausschlaggebend sind meist veränderte Anlegerpräferenzen. Eine solche Entwicklung ist etwa seit dem 2. Quartal 2024 wieder zu beobachten. Seitdem profitieren in Europa Value-Titel. Angesichts wachsender Konjunktursorgen rücken Branchen wie Banken, Energie oder Industrie stärker in den Fokus – und damit jene Sektoren, die typischerweise im Value-Universum übergewichtet sind. Das Ergebnis: Seit März 2024 konnte der MSCI Europe Value um 23,3 Prozent zulegen, während der MSCI Europe Growth um 1,4 Prozent und der MSCI Europe Quality um 2,7 Prozent nachgaben.1
Qualität mit globaler Perspektive
Europäische Value-Aktien konnten nach Einschätzung von Morningstar in diesem Jahr vor allem von einer Abkehr der Investoren von den USA und von sinkenden Zinsen profitieren.2 „Dabei sind europäische Value-Titel, beispielsweise Banken oder Versorgungsunternehmen, sehr stark auf ihre Heimatmärkte konzentriert. Gleichzeitig sind die Geschäftsmodelle üblicherweise stark abhängig von externen Faktoren, wie der Zinsentwicklung oder Regulatorik“, analysiert Mark Schumann, Portfoliomanager bei Comgest. „Solche Entwicklungen sind jedoch häufig sehr kurzfristig und schwer vorhersehbar. Damit sind sie für uns keine ausreichende Investmentgrundlage.“
„Im Gegensatz dazu sind unsere europäischen Qualitätswachstumsunternehmen vielfach global ausgerichtet, etwa was ihre Kundenbasis und die Produktionsstätten betrifft. Sie wachsen vornehmlich strukturell, indem sie zum Beispiel von Megatrends wie Dekarbonisierung, Digitalisierung oder dem demografischen Wandel profitieren“, beschreibt Franz Weis, Chief Investment Officer von Comgest, den Unterschied.
Unter Qualitätsunternehmen versteht Comgest solche, die sich durch „wirtschaftliche Burggräben“, also Wettbewerbsvorteile wie Markteintrittsbarrieren, Preissetzungsmacht oder stabile Kundenbeziehungen auszeichnen. Dadurch sind sie in der Lage, langfristig ein überdurchschnittliches zweistelliges Gewinnwachstum zu erzielen und dieses kontinuierlich zu steigern.
Gewinne mit KI und Schokolade
„Unsere Unternehmen bieten gute Qualität, die sich erfahrungsgemäß über kurz oder lang bemerkbar machen wird“, erklärt Mark Schumann. Zum Beispiel Schneider Electric: „Das französische Unternehmen ist als einer der wichtigsten Ausrüster für Datenzentren das europäische „KI-Play“. Der Bedarf an immer größeren Datenmengen treibt das Gewinnwachstum. Trotzdem ist das KGV gesunken, unter anderem weil Scheider Electric Preiserhöhungen verspätet durchgesetzt hat. Das sollte jedoch wiederum das Gewinnwachstum in den nächsten drei bis vier Quartalen stärken, weshalb der Investment Case für uns weiterhin funktioniert.“ Solche Volatilitäten in der Bewertung bieten aus Sicht von Comgest Gelegenheiten für Zukäufe.
Bei Lindt & Sprüngli hingegen wird die Qualität schon heute vom Markt honoriert. Die Aktie zählt seit März 2024 zu den Unternehmen, die in der Europe-Compounders-Strategie zu den besten Performern gehört. Eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale ist die Preissetzungsmacht: „Lindt & Sprüngli erzielt 50 Prozent seiner Umsätze mit saisonalen Waren. Bei Schokoosterhasen oder -nikoläusen sind die Kunden traditionell weniger preissensitiv“, meint Schumann. Auch habe das Schweizer Unternehmen den drastischen Anstieg der globalen Kakaopreise durch langfristige Verträge besser abfangen können als viele Wettbewerber: „Lindt & Sprüngli kann daher seine Margen besser managen, was uns wiederum eine klarere Sichtbarkeit auf das zukünftige Gewinnwachstum gibt.“
Niedrige Bewertung schafft Einstiegsgelegenheiten: Strukturelle Stärke langfristig ausschlaggebend
„Die Unternehmen in unseren europäischen Strategien sind gut aufgestellt. So lag im ersten Halbjahr 2025 das organische Umsatzwachstum im Durchschnitt bei 8,3 Prozent. Dieses Wachstum sollte auf Dauer zu höheren Aktienkursen führen. Durch die Stilrotation kam es bei Qualitätsaktien zu einem Bewertungsabschlag. Das eröffnet attraktive Einstiegsgelegenheiten. Unser Portfolio ist so günstig bewertet wie seit fünf Jahren nicht mehr. Diese temporären Effekte ändern nichts an unserem Qualitätsanspruch“, erklärt Weis.
„Marktzyklen kommen und gehen, strukturelle Stärke bleibt. Oft entstehen gerade daraus die besten Chancen. Entscheidend ist, die langfristige Perspektive im Blick zu behalten“, so Weis. „Unsere Unternehmen wachsen überdurchschnittlich, profitieren von globalen Megatrends und sind bei Margen, Eigenkapitalrendite und Free Cash Flow dem Markt voraus. Das macht ihre Gewinne krisenresistenter und sollte langfristig die Performance unserer europäischen Strategien stärken.“
Weitere beliebte Meldungen:
1 Quelle: Comgest/ FactSet, Zweitraum 31.03.2024 bis 31.07.2025, in EUR
2 Quelle: Morningstar