„Das Ranking möchte für die Wichtigkeit des Themas sensibilisieren und Defizite offenlegen“, sagt Jens Wilhelm, im Vorstand der Union Asset Management Holding AG zuständig für Portfoliomanagement, Immobilien und Infrastruktur. „Schlechte Governance ist ein Frühindikator für Risiken, daher integrieren wir Governance-Aspekte in unseren Investmentprozess. Gut geführte Unternehmen sind weniger anfällig für Risiken und damit robuster und langfristig erfolgreicher“, erläutert Wilhelm.
Verbesserungsbedarf bei Diversity, Vergütung und Aufsichtsratsbesetzung
Die Kriterien werden je nach Erfüllung von negativ (-1) über neutral (0) bis positiv (+1) bewertet. Ein Sonderprüfungsantrag gegen den Vorstand oder Aufsichtsrat auf der Hauptversammlung wiegt im Ranking schwerer als andere Defizite und wird als einziges Kriterium mit drei Minuspunkten bewertet. Die erreichbare Punktzahl reicht von 20 (Best Case) bis -50 (Worst Case) und wird dann in ein Schulnotensystem übersetzt. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass gerade noch besteht (Note 4-), wer nur die Hälfte der maximal erreichbaren Punkte schafft (also -15). Verbesserungsbedarf ist vor allem bei den Themen Diversity, speziell Internationalität, Vergütung des Topmanagements, Besetzung und Nominierungsprozesse des Aufsichtsrats und Transparenz über die Gremientätigkeit zu erkennen.
Durchschnittliche Klassenarbeit bei vergleichsweise einfachen Anforderungen
Die meisten DAX-Konzerne landen beim erstmals durchgeführten Corporate-Governance-Ranking von Union Investment im breiten Mittelfeld des Bewertungsspektrums. „Es war eine durchschnittliche Klassenarbeit mit einem Notenschnitt von 2,7“, fasst Wilhelm die Ergebnisse zusammen. Heidelberg Cement und Merck repräsentieren mit Note 3+ exakt den Durchschnitt, Klassenbeste sind Allianz und Deutsche Börse, die Note 2+ erreichen, Schlusslicht ist Volkswagen mit Note 4-. „Alle DAX-Konzerne haben bestanden und sind für uns investierbar, doch Anspruch und Ambitionsniveau in der Corporate Governance sollten deutlich höher liegen“, findet Wilhelm. „Leider haben manche Unternehmen auch bei vergleichsweise einfachen Anforderungen ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Sie sehen Corporate Governance immer noch als lästige Pflicht, statt eine Chance darin zu erkennen.“
Kapitalmarkt als Motor für gute Unternehmensführung
Wilhelm plädiert dafür, das Thema auch stärker mit Blick auf die Aktienkultur und die gesellschaftliche Akzeptanz von Unternehmen zu betrachten. „Gute Unternehmensführung ist eine Chance für Unternehmen, ihr Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern – und damit das Vertrauen in die Aktie als Anlageform zu stärken“, ist Wilhelm überzeugt. Zugleich sieht er auch den verantwortungsvollen Investor in der Pflicht, der kontinuierlich im Dialog mit den Unternehmen steht, seine Stimmrechte wahrnimmt, sich auf Hauptversammlungen zu Wort meldet und somit als kritischer Wächter über gute Unternehmensführung fungiert. „Corporate Governance dient letztlich dazu, Anleger- und Unternehmensinteressen in Einklang zu bringen. Deshalb sollten die Unternehmen das Ranking auch nicht als Kritik, sondern als Ansporn verstehen. Dann wird der Kapitalmarkt zum Motor für gute Unternehmensführung, wovon Unternehmen und Aktionäre gleichermaßen profitieren“, resümiert Wilhelm.
Tipp: Weiterführende Informationen zum Corporate-Governance-Ranking der DAX-Konzerne finden interessierte Leser hier.