"Europa atmet hörbar auf – und mit ihm die Kapitalmärkte. Die Franzosen haben Emmanuel Macron zu ihrem Präsidenten gewählt und sich klar gegen Populismus, Kleinstaaterei und ökonomische Isolierung entschieden. Chapeau! Denn: Wirtschaftspolitische Vernunft an der Wahlurne ist in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit, wie das Brexit-Beispiel zeigt.
Der sozialliberale Quereinsteiger Macron hat einen dezidierten Reform- und Europa-Wahlkampf geführt. Für Investoren ist sein Wahlsieg daher aus zwei Gründen zu begrüßen:
• Frankreich hat dem Frexit-Gespenst eine deutliche Abfuhr erteilt. Die unterschwellige Gefahr eines Auseinanderbrechens der Eurozone ist damit vom Tisch. Das schafft Investitionssicherheit und ist gut für die europäischen Börsen.
• Der Ex-Banker Macron verfolgt eine „Agenda 2010 auf französisch“. Er will den Staatsapparat verschlanken, die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern und die öffentlichen Finanzen stabilisieren. Der neue Präsident will Frankreich geben, was es für höheres Wachstum braucht.
Die Umsetzung der ambitionierten Pläne ist zwar nicht garantiert, vor allem wegen der anstehenden Parlamentswahlen. Hier kann sich Macron auf keine schlagkräftige Parteiorganisation stützen, was seinen Wahlkampf in der Fläche behindert. Vermutlich wird Frankreich daher künftig von einer „cohabitation“, also einer Kooperation unterschiedlicher politischer Kräfte, regiert. Macron wird kaum „durchreformieren“ können. Dennoch ist sein Einzug in den Élysée-Palast ein großer Fortschritt, sowohl gegenüber dem Status Quo als auch gegenüber der Le Pen’schen Alternative.
Das Wahlergebnis wird die europäischen Kapitalmärkte beflügeln, denn die politischen Risikoprämien sinken. Das hilft dem Euro, aber vor allem den Aktienmärkten in der Währungsunion. Bereits bisher war der Euroraum eine vielversprechende Anlageregion, insbesondere wegen der anziehenden Konjunktur. Das höhere Wachstum stützt die Ertragslage der Unternehmen, die 2017 deutlich besser verdienen dürften als in den Vorjahren. Wir trauen den europäischen Konzernen im laufenden Jahr einen Gewinnanstieg von über zehn Prozent zu. Gerade der französische Aktienmarkt bietet attraktive Anlagechancen.
Auf der Anleiheseite dürften die Peripherieländer leicht vom Macron-Effekt profitieren. Allerdings hängt über den Euro-Rentenmärkten das Damoklesschwert eines EZB-Taperings. Mit der Sorge vor einem „politischen Unfall“ in Frankreich entfällt ein Grund für Mario Draghi, die geldpolitische Normalisierung weiter aufzuschieben. Wir rechnen damit, dass die Reduzierung der Anleihekäufe im zweiten Halbjahr auf die Tagesordnung der Märkte rückt. Darunter werden europäische Anleihen leiden. In Summe heben sich die gegenläufigen Impulse aus gesunkenen politischen Risiken und perspektivisch abnehmender EZB-Unterstützung weitgehend auf. Für die Euro-Rentenmärkte heißt das: Die Chancen liegen woanders.
Daher sind Anleger für den Moment mit einer „Risk on“-Positionierung gut beraten. Vor allem europäische Aktien sind dabei – Frankreich sei Dank – wieder eine gute Wahl."