Die guten Wirtschaftsdaten haben sich zuletzt nochmals verbessert, und zwar in nahezu allen wichtigen Regionen. „Es herrscht Wachstum, wohin man schaut“, fasst Jens Wilhelm das äußerst positive Fundamentalbild zusammen. Er rechnet für die Weltwirtschaft im laufenden Jahr mit einem Plus von 3,5 bis 4,0 Prozent. Besonders in der Eurozone hat die Dynamik beachtlich zugelegt. „Konjunkturell ist der Euroraum die Überraschung der Stunde“, sagt Wilhelm. Union Investment rechnet mit einem Zuwachs von 2,4 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das wirtschaftliche Schwergewicht Deutschland dürfte mit 2,4 Prozent die Entwicklung antreiben. Zudem hat sich der Aufschwung verbreitert. „Frankreich, Spanien und mit Abstrichen auch Italien sind auf den Wachstumskurs eingeschwenkt. Wirtschaftlich steht die Eurozone so gut da wie lange nicht“, erläutert der Stratege.
Die US-Konjunktur sieht Wilhelm ebenfalls auf einem guten Weg. Durch die Steuerreform von Präsident Trump werden Unternehmen und private Haushalte in den nächsten Jahren spürbar entlastet. „Amerikas Aufschwung erhält durch die Steuererleichterungen einen zusätzlichen Schub“, erklärt der Kapitalmarktexperte, weist aber auch auf die Risiken hin: „Steigende Verschuldung, ein größeres Loch in der Leistungsbilanz und mehr Inflationsdruck sind die Kehrseite der Medaille.“ Daher versieht Wilhelm auf mittlere Sicht die Entwicklung der US-Konjunktur durchaus mit einem Fragezeichen. „Für 2018 sollte das aber kein Thema sein, wir erwarten einen BIP-Zuwachs von 2,5 Prozent.“
Zyklischer Inflationsdruck steigt
Als Folge der starken Konjunktur rechnet Wilhelm mit ansteigenden Preisniveaus. „Jahrelang war Inflation für die Kapitalmärkte kein Thema. Das ändert sich gerade“, analysiert er. „Demografie, Globalisierung und Digitalisierung sind zwar inflationsdämpfende Faktoren, aber der zyklische Inflationsdruck nimmt zu.“ Für 2018 erwartet Wilhelm eine Inflationsrate von 2,1 Prozent in den USA und 1,5 Prozent im Euroraum.
Moderate geldpolitische Straffung erwartet
Viele Investoren fürchten, dass die höhere Teuerung zu einer Beschleunigung der geldpolitischen Normalisierung führen könnte. Allerdings hält Wilhelm diese Sorgen zurzeit für überzogen. „Die Konjunkturlage ist gut, die Krise überwunden“, meint er. Das eröffnet den Währungshütern den notwendigen Spielraum für die Abkehr vom geldpolitischen Krisenmodus. „Die Zentralbanken sollten behutsam vorgehen, um den Aufschwung nicht abzuwürgen“, erklärt Wilhelm. Für die Eurozone rechnet er mit einem schrittweisen Auslaufen der Anleihekäufe ab Herbst 2018, bevor frühestens Mitte 2019 die Einlagenzinsen angehoben werden könnten. In den USA sei mit drei Leitzinsanhebungen sowie einem Bilanzabbau bei der US-Notenbank Federal Reserve zu rechnen. „Das können Konjunktur und Kapitalmärkte gut verkraften“, ist Wilhelm optimistisch.
Brexit und Italien verunsichern nur vorübergehend
Keine größeren Auswirkungen auf die Börsen erwartet der Stratege kurzfristig von den anstehenden Parlamentswahlen in Italien sowie von den Verhandlungen zum Brexit. „Politische Entwicklungen haben immer das Potenzial, für Unsicherheit unter den Investoren zu sorgen“, räumt Wilhelm ein. Seiner Einschätzung nach wird letztlich in beiden Fällen die politische Vernunft die Oberhand behalten, sodass für die Kapitalmärkte nur vorübergehend mit Konsequenzen zu rechnen sei. „Am Ende sollten sich die guten fundamentalen Daten durchsetzen.“
Konjunktur spricht noch für Aktien
„Die gute Konjunktur bleibt 2018 die stärkste Auftriebskraft für die Börsen“, erwartet Wilhelm. „Nach dem reinigenden Gewitter Anfang Februar ist der Weg frei für erneute Kursanstiege bei Aktien.“ In Verbindung mit spürbar anziehenden Unternehmensgewinnen zählt die Anlageklasse damit weiterhin zu seinen Favoriten. Beim DAX hält er einen Zuwachs bis auf 14.000 Punkte zum Jahresende für möglich. „Weltweit dürften die Unternehmen 15 Prozent mehr verdienen als noch im Vorjahr und die Aktienmärkte damit nach oben treiben“, glaubt Wilhelm. Unterstützung erwartet er auch von der anhaltenden Welle an Fusionen und Übernahmen. „Noch sind die Zinsen niedrig und das M&A-Fenster damit weit offen. Das werden viele Unternehmen nutzen“, erklärt er und ergänzt: „Die Repatriierung von im Ausland geparkten US-Geldern im Zuge der Steuerreform wird den M&A-Boom ebenfalls befeuern.“
Auf der Rentenseite hat nach Meinung Wilhelms das Gros der Renditeanstiege für 2018 bereits stattgefunden. „Wir erwarten zum Jahresende unverändert 3,2 Prozent Rendite bei zehnjährigen US-Staatsanleihen und 1,0 Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen. Das ist vom derzeitigen Niveau nicht mehr weit weg“, erläutert der Kapitalmarktexperte. Seiner Einschätzung nach ist der schnelle Renditeanstieg darauf zurückzuführen, dass viele Investoren nicht mit einer schnellen Rückkehr der Inflation gerechnet hatten. „Diese Lektion hat der Markt jetzt gelernt“, resümiert Wilhelm. Für weitere Anstiege ist entweder eine deutlich höhere Inflation oder aber eine beschleunigte Straffung der Geldpolitik notwendig, womit er im laufenden Jahr aber nicht rechnet.
Zur Vorsicht rät Wilhelm bei Kryptowährungen. „Die dahinterliegende Blockchain-Technologie ist disruptiv“, zeigt er sich überzeugt. „Aber ihre Auswirkung auf Finanzinstrumente, Wirtschaftsketten und Geschäftsmodelle kann noch nicht verlässlich abgeschätzt werden“, gibt er zu bedenken. „In den letzten Monaten wurden Hoffnungspreise für Kryptowährungen wie Bitcoins gezahlt, die ihre Werthaltigkeit noch nicht bewiesen haben.“ Er empfiehlt Anlegern daher die Konzentration auf fundamental untermauerte Anlagen.
Prognosen von Union Investment zum Jahresende 2018:
DAX: | 14.000 |
EURO STOXX 50: | 3.900 |
S&P 500: | 2.850 |
10-jährige Bundesanleihe: | 1,0 Prozent |
10-jährige US-Treasury: | 3,2 Prozent |
Rohöl (Brent je Barrel): | 68 US-Dollar |
Gold (je Feinunze): | 1.300 Dollar |
US-Dollar je Euro: | 1,30 |