Vor rund 130 Teilnehmern aus Politik, Bildung, Wissenschaft und Finanzindustrie wies er nachdrücklich auf die Bedeutung von Wissen rund um das Thema Geld hin. Die gesellschaftlichen Interessengruppen müssten enger zusammenarbeiten, um eine bessere ökonomische Grundbildung der Deutschen zu erreichen und um sie auf diese Weise mittel- und langfristig vor weiterem finanziellen Schaden zu bewahren.
Die Relevanz von Finanzbildung wird übersehen
Bereits heute gelten rund sieben Millionen Bundesbürger als überschuldet, davon sind 14 Prozent unter 30 Jahre alt. Sie stecken zu einem sehr frühen Zeitpunkt ihres Lebens in der Schuldenfalle. Gleichzeitig erleiden deutsche Sparer Ertragseinbußen in Milliardenhöhe, weil sie überwiegend zinsbasiert anlegen. Woran liegt es, dass chancenreichere Investments bei den Deutschen nach wie vor auf große Vorbehalte stoßen? Sind es Glaubenssätze, die in der Familie von Generation zu Generation vererbt werden? Sind es schlechte Erfahrungen, die Sparer machen mussten? Oder fehlen grundlegende Kenntnisse über das Thema Geld, Geldanlage und Sparen? Fragen, auf die die Experten auf der Berliner Konferenz nach Antworten suchten. „Die Relevanz von Finanzbildung wird leicht übersehen, weil Wohlstand in der allgemeinen Wahrnehmung mit der Berufswahl, der gesellschaftlichen Stellung und Statussymbolen verknüpft ist“, so Hans Joachim Reinke. „Der Kampf gegen Überschuldung oder gegen Vermögensverluste durch nicht zeitgemäße Anlageentscheidungen werden zu wenig thematisiert. Dabei entfaltet finanzielle Bildung insbesondere hier eine große Hebelwirkung für alle Teile der Gesellschaft.“
Eigenverantwortung des Einzelnen ist gefragt
Peer Steinbrück, Bundesfinanzminister a. D. und Keynote-Speaker auf der Konferenz hält es für ein zentrales Problem in Deutschland, dass das Wissen über wirtschaftliche und finanzielle Zusammenhänge unterentwickelt ist. Das hat Folgen für die Geldanlage. „Historisch bedingt hängen die Deutschen an ihrem Sparbuch. Das ist nachvollziehbar, denn die letzten Generationen haben Zeiten durchlebt, in denen sie Geld verloren haben. Anleger wollen daher auch heute noch lieber auf der sicheren Seite sein.“ Steinbrück betonte die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. „Klar ist: Auch bei Finanzthemen ist jeder für sich selbst verantwortlich. Daher kann der Staat höchstens über Veränderungen im Bildungssystem aktiv werden und dafür sorgen, dass durch mehr Wissen die Eigenverantwortung und die Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen gestärkt wird.“ Reinke ergänzte, warum die Stärkung der Entscheidungsfähigkeit auch seiner Ansicht nach so wichtig ist: „In Deutschland ist unterschwellig ein gutes Grundverständnis vorhanden, was die konstant hohe Sparquote belegt. Was fehlt, ist die Sensibilisierung für den aktuellen Bezug wie ein Umfeld mit niedrigen Zinsen. Erst dann kann ein Umdenken bei konkreten Anlageentscheidung hin zu einem ausgewogeneren Anlagemix gelingen.“
Ökonomische Bildung macht stark
Auch Vertreter der Wissenschaft betonten, dass eine systematische ökonomische Grundbildung Menschen stark macht. In der Pflicht sieht Professor Volker Bank, Wirtschaftspädagoge an der Technischen Universität Chemnitz, auch Schulen, Universitäten und Lehrer: „Das Thema Finanzbildung kommt in Schulen mit wenigen Ausnahmen aktuell so gut wie nicht vor. Selbst wo ökonomische Bildung als Fach oder Kombinationsfach eingeführt ist, sind die privaten Finanzen kaum Thema.“ Dabei sei sie ein wichtiger Teil der allgemeinen Bildung. Schüler sollten verstehen lernen, worauf es finanziell ankommt: Dinge einordnen und eigenständig entscheiden können.
Auf einer Messefläche konnten sich die Konferenzteilnehmer zudem über Projekte für die Vermittlung von Finanzwissen informieren und in den Austausch mit den Initiatoren gehen. Vorstandsvorsitzender Reinke erklärt, was hierbei wichtig ist: „In der Finanzbildung dürfen nicht nur Informationen gesendet werden. Gute Projekte zur finanziellen Bildung überzeugen durch ihren Praxisbezug und ihre Anschlussfähigkeit, denn dann entfalten sie eine Breitenwirkung. Dafür haben wir in der genossenschaftlichen Finanzgruppe viele erfolgreiche Beispiele.“