Die erratische Zoll- und Sicherheitspolitik von US-Präsident Donald Trump hat bei der Weltreservewährung US-Dollar eine überraschende Schwäche ausgelöst – und wird womöglich weitreichende Auswirkungen für globale Kapitalanlagen haben. Die Trump-Regierung will Risiken in Handels- und Sicherheitsbeziehungen abbauen und schießt dabei weit über das Ziel hinaus. Statt „America First“ droht „America Alone“. Längerfristig ist eine schrittweise (handels-)politische Isolierung und damit verbunden ein teilweiser Rückzug von internationalen Anlegern aus den USA nicht mehr völlig undenkbar. Klar ist: Die Trump‘sche Politik inklusive ihres Risikos einer höheren Staatsverschuldung droht das Vertrauen in den Status des Dollars als „sicherer Hafen“ langfristig zu untergraben. Anleger sollten die Warnzeichen beherzigen. Die Zeit, in denen US-Anlagen einen Ausnahmestatus hatten, könnten zu Ende gehen. Dadurch ergeben sich allerdings auch neue Chancen. Ein Überblick in fünf Punkten:
1. Erratische US-Politik verprellt Finanzmarktakteure
Trumps autoritäre Wirtschafts-, Handels- und Sicherheitspolitik schafft ungünstigere Rahmenbedingungen für die größte Volkswirtschaft und den wichtigsten Kapitalmarkt der Welt. Das Vertrauen in die USA als stabiler Partner ist in nur wenigen Wochen erschüttert worden. Dies hat am Finanzmarkt erste Folgen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass ausländische Investoren US-Vermögen im Wert von rund 22 Billionen US-Dollar besitzen. Ihr Einfluss ist also nicht zu unterschätzen. Als Folge der Trump‘schen Eskapaden nimmt das Interesse ausländischer Investoren ab, wie gewohnt in hohem Maße Anlagegelder in den USA zu investieren. Dies zeigte sich etwa auf der IWF-Frühjahrstagung in Washington im April. An sich ist das keine völlig neue Entwicklung: Der sich zuspitzende Großmachtkonflikt der USA mit China zeigt sich am US-Staatsanleihemarkt schon länger. Als einer der wichtigsten US-Gläubiger hat China seine Treasury-Bestände von rund 1,3 Billionen US-Dollar im Jahr 2013 auf zuletzt rund 785 Milliarden US-Dollar reduziert. Diesem Trend dürften nun vermehrt andere ausländische Investoren folgen. Zugleich erkennen wir ein erhöhtes Bedürfnis von US-Anlegern, ihre Vermögenswerte stärker international zu streuen.
2. US-Dollar birgt mittelfristig größere Risiken als Chancen
Der US-Dollar ist für die globalen Finanzmärkte viel bedeutender als es die reine ökonomische Stärke der USA rechtfertig. Dies hat mit der Außen- und Sicherheitspolitik des Landes sowie den daraus resultierenden Allianzen zu tun, die zu Verflechtungen im Währungsbereich führen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Rolle des US-Dollars als globale Reservewährung durch eine auf weniger Vernetzung ausgerichtete Handels- und Außenpolitik geschwächt wird.
Die Dollarschwäche der vergangenen Wochen hat viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt. Sie ist eine klare Folge der veränderten politischen Prioritäten der US-Regierung, die zu einem globalen Umbruch führen. So steht Europa in den Augen unserer Volkswirte vor einer großen Transformation. Der alte Kontinent muss sicherheits- und handelspolitisch auf eigenen Füßen stehen, was bedeutende Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur bedingt. Dass die Bereitschaft dazu endlich auch in Deutschland erkennbar ist, stärkt perspektivisch das Wachstumspotenzial Europas und damit sowohl die Attraktivität des europäischen Finanzmarktes als auch die Rolle des Euro.
Die Einführung der US-Importzölle hat dabei – entgegen der Lehrbuchmeinung – den Dollar geschwächt. Zwar nimmt das Dollarangebot, das auf dem Weltmarkt für die Finanzierung von Importen eingesetzt wird, aufgrund der größeren wirtschaftlichen Autarkie der USA ab. Weil das unsichere Umfeld in den USA aber gleichzeitig weniger Investitionsanreize setzt, geht auch die Dollarnachfrage zurück. Und offensichtlich geht sie in weitaus stärkerem Maße zurück als das Angebot, wie die jüngste Schwäche des Dollar zeigt. Dieser Trend ist mächtiger als der derzeitige Zinsunterschied, der aufgrund einer Zinsdifferenz zugunsten der USA eigentlich für einen festeren Dollar spricht. Offenbar passen Anleger ihre Vermögensaufteilung an und beginnen, Bestände oder Mittelrückflüsse aus dem Dollarraum vermehrt in andere Währungen umzulenken. Auch besteht zumindest mittelfristig weiteres Korrekturpotenzial, da der Dollar im historischen Vergleich auf handelsgewichteter Basis etwa gegenüber dem Euro als überbewertet erscheint.
3. Sinkende Zinsen im Euroraum eröffnen Kurschancen
Die vergangenen zwei Dekaden standen unter dem Vorzeichen der zunehmenden Internationalisierung von Anlageportfolios. Eine graduelle Abkehr der Investoren vom US-Dollar führt zwangsläufig zu einer Umverteilung der Vermögenswerte, um Diversifikationseffekte zu erhalten. Am Rentenmarkt ergeben sich daraus Chancen für europäische Papiere. Europäische Anleger müssen weniger in die Ferne schweifen, um aus Risiko-Ertrags-Überlegungen heraus erfolgversprechende Ergebnisse zu erzielen.
„Europäische Anleger müssen weniger als früher in die Ferne schweifen, um aus Risiko-Ertrags-Überlegungen heraus erfolgversprechende Ergebnisse zu erzielen.“ - Christian Kopf
In naher Zukunft dürften europäische Anleihen besser abschneiden als US-Titel. Das liegt jedoch weniger am Wachstumspotenzial Europas, das vorerst begrenzt bleibt. Bis die angekündigten Fiskalpakete für mehr Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben ihre belebende Wirkung entfalten, dürften noch einige Quartale oder Jahre vergehen. Auftrieb erhalten die europäischen Rentenmärkte vielmehr von der Aussicht auf weiter sinkende Zinsen. Dazu trägt die Zollpolitik der US-Regierung bei. In den USA führt sie zu einem negativen Angebotsschock, das heißt weniger Angebot trifft auf eine anhaltend hohe Nachfrage, was preistreibend wirkt. In Europa hingegen belasten die US-amerikanischen Zölle die gesamtwirtschaftliche Nachfrage: Es wird weniger in die USA exportiert, was die Wirtschaftsleistung und mittelbar auch die Teuerung dämpft. Zudem dürften günstige Produkte aus China, die nicht mehr in den USA absetzbar sind, ihren Weg nach Europa finden. Damit besteht für die nächsten Monate die Aussicht auf Kursgewinne bei Euro-denominierten Anleihen, während das Bild in den USA unklarer ist.
4. EU-Staatsanleihen empfehlen sich für Referenzindex
Mit Blick auf Europa fragen sich manche Anleger, ob die absehbar steigende Neuverschuldung vieler europäischer Staaten, darunter Deutschland, ein Alarmzeichen sein sollte. Wir denken: Nein! Zwar steigen die Fiskaldefizite in der Breite aufgrund geplanter höherer Investitionen. Doch insbesondere im Vergleich zu den USA bleibt die Verschuldungshöhe weitgehend unproblematisch, wenn sich die Investitionen tatsächlich in einem höheren Wachstumspotenzial niederschlagen. Wir erwarten, dass die Rolle der Bundesrepublik als erstklassiger Schuldner durch die Etablierung der Sondervermögen und trotz der Möglichkeit einer deutlich höheren Schuldenaufnahme nicht beeinträchtigt wird. Ähnlich argumentierten vor kurzem auch die Ratingagenturen S&P Global Ratings und Scope, denen zufolge die höheren Staatsausgaben Deutschlands Top-Bonitätsnote AAA nicht in Frage stellen.
Das Berliner Fiskalpaket sorgt auch für eine engere Kapitalmarktintegration durch die Hintertür, da Deutschland als solider Schuldner einen höheren Anteil an den Gesamtschulden der EU haben wird. Zudem kann die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit stärkere Erfolge bei der Wiederherstellung der Preisstabilität vorweisen als die US-Notenbank Fed, was die Glaubwürdigkeit der europäischen Währungshüter stützt. Dies untermauert den Status von Euro-Kern-Staatsanleihen als „sicherer Hafen“ – selbst dann, wenn als Folge der steigenden Neuverschuldung im längeren Laufzeitenbereich leichte Renditeanstiege denkbar sind.
Aus unserer Sicht gilt das auch für gemeinschaftliche Schulden der EU. Die von der EU-Kommission ausgegebenen Anleihen sind bislang in keinem Staatsanleihe-Referenzindex enthalten. Dabei hat die EU judikative, legislative und exekutive Funktionen und kann auf ein eigenes Budget zurückgreifen, was sie als staatlichen Emittenten legitimiert. Als fünftgrößter Emittent im europäischen Markt mit insgesamt knapp 630 Milliarden Euro Emissionsvolumen erfüllt sie wesentliche Kriterien eines Staatsanleihe-Emittenten wie hohe Marktliquidität und eine Palette unterschiedlicher Finanzierungsinstrumente. Mit ihrem leichten Risikoaufschlag gegenüber vergleichbaren Bundesanleihen bieten EU-Anleihen eine willkommene Diversifikationsmöglichkeit im Rentenportfolio und stünden einem Staatsanleihe-Referenzindex gut zu Gesicht.
5. Unternehmensanleihen mit Investment Grade bleiben interessant
Halten wir fest: Aufgrund der historischen Wende in der US-Politik ist der Status des US-Dollar als Reservewährung angekratzt. Dagegen stellt Europa mit höheren öffentlichen Investitionen die Weichen für mehr Wachstum und kann sich den damit verbundenen Anstieg der Staatsverschuldung auch vergleichsweise gut leisten. Die Aussichten für die europäischen Rentenmärkte bleiben daher gut. Für einen Euro-Anleger ist es weiterhin attraktiv, auf Anleihen aus dem Euroraum zu setzen. Dabei bevorzugen wir Unternehmenspapiere guter bis sehr guter Bonität (Investment Grade) im mittleren Laufzeitenbereich aufgrund ihres Risiko-Rendite-Profils. Auch europäische Staatstitel bieten gute Diversifikationsmöglichkeiten für ein globales Renten-Portfolio, haben aber aufgrund der steigenden Staatsverschuldung leicht eingetrübte Perspektiven. Aufgrund der politisch unsicheren Rahmenbedingungen, der möglichen Abwanderung globaler Anlagegelder und damit verbundener Risiken für den US-Dollar halten wir dagegen US-Rentenpapieren derzeit nicht für attraktiv.
Von Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten bei Union Investments
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