Der indische Tiger regt sich

"Die größte Demokratie der Welt, deren Volkswirtschaft größer ist als die Australiens und Kanadas, rückt wieder ins Blickfeld der Investoren. Und das hat gute Gründe", so David Park, Fondsmanager im Emerging Markets Equities Team bei Carmignac. Carmignac | 27.02.2015 14:19 Uhr
David Park, Fondsmanager Emerging Markets, Equities
David Park, Fondsmanager Emerging Markets, Equities
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Erstmals seit 30 Jahren hat Indien eine neue Regierung, die im Sinne der Wählerschaft notwendige Veränderungen herbeiführen soll. Außerdem hat das Wirtschaftswachstum mittlerweile eine Bodenbildung vollzogen. Infolge des natürlichen Konjunkturzyklusses in Indien sollte es auch unabhängig von staatlichen Interventionen zu Verbesserungen kommen. Die Inflation in Indien ist aktuell bereits gesunken und das Leistungsbilanzdefizit schrumpft. Darüber hinaus dürfte Indien auch von den zuletzt niedrigen Öl- und Rohstoffpreisen kräftig profitieren. 

Das indische Problem bestand in den letzten Jahren darin, dass die jeweilige Regierung entweder unfähig oder häufig nicht bereit war, erforderliche Veränderungen umzusetzen. Entscheidende Wirtschaftsreformen standen entweder nicht oben auf der Agenda oder entsprechende Pläne blieben in langwierigen Gesetzgebungsverfahren stecken. Der neu gewählte Premierminister Narendra Modi scheint diesen Reformstau nun aufgelöst zu haben. Seine Beliebtheitswerte sind hoch. Die Politik in Indien ist derzeit eine „One-Man-Show“ und ihm nahestehende Personen weisen darauf hin, dass Modi weniger ein Reformer sondern ein guter Administrator und Umsetzer sei. 

Die Veränderungen in Indien sind für die allgemeine Stimmung am Markt von Bedeutung. Die jüngsten Maßnahmen der Regierung stellen größtenteils eine Fortsetzung jener politischen Pläne dar, die bereits die Vorgängerregierung im Fokus hatte: Diese beinhalten den Versuch, dringend notwendige internationale Investments für die einheimische Einzelhandelsbranche zu gewinnen. Ebenfalls vorgesehen sind eine Liberalisierung der Dieselpreise, Anhebungen der Gaspreise sowie eine Konsolidierung der Finanzen. Modi und die regierende BJP-Partei heimsen dafür nun die Lorbeeren ein. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zu den Vorgängerregierungen: Modi verfügt im Unterhaus über eine Stimmenmehrheit und diese hilft ihm dabei, schwierige Gesetzesvorhaben durchzusetzen. Das wichtigste und durch das Parlament zustimmungspflichtige Vorhaben ist ein Gesetz für den Grunderwerb, die sogenannte „Land Acquisition Act“. Dies ist für die Regierung lediglich der erste notwendige Schritt, um ein Investitionsprogramm auf Landesebene in Gang zu setzen. Ein Großteil der Aktivitäten von Modi und der BJP fand bisher hinter den Kulissen statt: Der Markt wartet derzeit jedoch besorgt auf Nachrichten darüber, ob diese Reformen nun endlich anlaufen. Denn eine solche Entwicklung würde dazu beitragen, jenes Versprechen zu erfüllen, das die Investoren im aktuellen Niveau der indischen Aktienkurse bereits eingepreist haben. 

Die wirtschaftlichen Faktoren haben sich verbessert und das Leistungsbilanzdefizit liegt aufgrund erfreulicherer Handelszahlen, niedrigerer Importe sowie wegen der internationalen Investitionen derzeit bei unter zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Dies ist auch deshalb bedeutsam, weil es dazu beiträgt, dass die indische Rupie dadurch weniger anfällig für externe Schocks ist. Auch niedrigere Öl- und Lebensmittelpreise wirken sich positiv auf die Inflation aus, die derzeit auf 5% gesunken ist. Eine niedrigere Inflation und eine robustere Landeswährung werden der Zentralbank Indiens in Zukunft mehr Spielraum hinsichtlich einer Senkung der Leitzinsen verschaffen. Außerdem sollte es zukünftig weniger Probleme mit der Kontrolle des Haushaltsdefizits geben. Die neue Regierung hat nämlich beschlossen, die staatlichen Benzinzuschüsse zu kürzen. 

Die Steuereinnahmen müssen dennoch dringend ansteigen. Außerdem muss das Wirtschaftswachstum zunächst einmal einen Aufwärtstrend einschlagen. Das Tempo und die Nachhaltigkeit einer Aufwärtsbewegung hängen von den weiteren Maßnahmen der neuen Regierung ab. Es ist unbestritten, dass sich die makroökonomischen Daten in Indien mittlerweile verbessert haben. 

Worauf sollten Investoren achten? 

Die Verabschiedung des Gesetzes zum Landerwerb ist ein ganz entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Aufschwung. Nur dadurch kann der Investmentzyklus wirklich in Gang gesetzt werden. Dies ist aber kein einfaches Unterfangen, da die politische Opposition sich diesem Vorhaben widersetzt. Es wird also schwierig werden, im Oberhaus die notwendige Mehrheit von zwei Drittel der Stimmen zu erreichen. Ohne dieses Gesetz würden Infrastrukturprogramme wie etwa spezielle Frachtkorridore, 100 neue Städte, Eisenbahnen und neue Kohleminen ins Stocken geraten. Andere angekündigte politische Maßnahmen, etwa eine neue Besteuerung von Gütern und Dienstleistungen oder eine Aufhebung der Obergrenzen für internationale Investments im indischen Versicherungssektor sind bedeutsam für die allgemeine Stimmungslage. Das Unternehmen Cole India, das 80% der für das Land notwendigen Kohle bereit stellt, muss seine Förderung in den nächsten fünf Jahren verdoppeln, um das Wirtschaftswachstum des Landes zu stützen. Andernfalls wird Indien mit Energieengpässen zu kämpfen haben. Dies würde es dem Land erschweren, ein Wachstum von über sieben Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu erreichen. 

Indische Aktien noch immer günstig 

Obwohl wir Indien bereits seit letztem Jahr übergewichtet haben und der Aktienmarkt seit Jahresbeginn um 44% angestiegen ist, halten wir den indischen Markt nach wie vor für günstig bewertet. Die Aktien Bharti Airtel, ICICI Bank und United Spirits bieten eine gute Möglichkeit, um von Wachstumstrends zu profitieren. 

Bharti Airtel bietet Zugang zu der in Indien noch vergleichsweise in den Kinderschuhen steckenden Datennutzung indischer Konsumenten mittels Mobiltelefone. Lediglich 20% der Smartphone-Kunden nutzen bisher mobile Daten. Deshalb dürfte Bharti von dem künftigen Datenboom in Indien besonders stark profitieren. 

Die ICICI Bank ist eine gut geführte Privatbank – und dies in einem Land, in dem Kredit- und Bankdienstleistungen immer noch vergleichsweise gering verbreitet sind. Privatbanken nehmen in Staatsbesitz befindlichen Bankinstituten weiterhin strukturell Marktanteile ab und werden auch auf lange Sicht ein Wachstum vorlegen, das jenes der Branche insgesamt übertreffen wird. 

United Spirits befindet sich nach Jahren des Missmanagements jetzt im Besitz von Diageo. Mit einem Marktanteil von 45% am indischen Markt für alkoholische Getränke sowie einer Profitabilität, die verglichen mit dem Unternehmenswert bei lediglich einem Zehntel der Profitabilität von Diageo liegt, ist das Potenzial von United Spirits sehr vielversprechend.

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