Um ehrlich zu sein: Die Zunft der Ökonomen ist derzeit nicht um ihren Job zu beneiden. Seit Wochen und Monaten kommen sie kaum hinterher, ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum immer wieder an die sich schnell ändernde Realität anzupassen. Jüngstes Beispiel: Der Sachverständigenrat („Wirtschaftsweisen“) als Beratergremium der Bundesregierung erwartet aktuell nur noch ein BIP-Wachstum von 1,8 Prozent. Im vergangenen November hatten die Experten noch mit einem Plus von 4,6 Prozent gerechnet. Damit befinden sie sich in guter Gesellschaft, denn in den vergangenen Tagen hatten bereits andere Volkswirte ihre Prognosen nach unten korrigiert.
Geringes Wachstum, hohe Inflation – es droht eine Stagflation
Gleiches gilt für die Erwartungen in Bezug auf die Inflation. Hatten die Volkswirte vor dem russisch-ukrainischen Krieg noch mit durchschnittlich 3,6 Prozent Inflation gerechnet, so hat die Realität sie auch in diesem Punkt regelrecht überrollt. Die Verbraucherpreise sind laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen und damit so stark wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. Ähnlich hoch wie im März war die Inflationsrate in den alten Bundesländern zuletzt im Herbst 1981, als infolge der Auswirkungen des Ersten Golfkrieges die Mineralölpreise ebenfalls deutlich geklettert waren. Übrigens: Im Euroland liegt die Inflationsrate sogar schon bei 7,5 Prozent.
Als Konsequenz aus schwachem Wachstum und hoher Inflation stehen wir jetzt vor einem eher exotischen Szenario – der Stagflation. Oft gehen Inflation und steigende Wirtschaftsleistung Hand in Hand. Genau andersherum sieht es bei deflationären Tendenzen aus, bei denen die Wirtschaft oft schwächelt. Doch die Stagflation kombiniert nun einmal die Stagnation der Wirtschaft mit einer hohen Inflation.
Und die hier erreichten Werte müssen noch nicht das Ende sein. Die Wirtschaftsweisen können sich eine Preissteigerung von um die 10 Prozent vorstellen. Das hat reale Hintergründe. Die Energie- und Lebensmittelpreise steigen weiter. Viele Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften werden jetzt Lohnforderungen stellen, mit denen zumindest ein Großteil dieser inflationären Entwicklung aufgefangen werden soll, damit im eigenen Portemonnaie das Loch nicht allzu hoch ausfällt. Und wenn sich das erst verstetigt – denn eine einmal ausgesprochene Lohnerhöhung nimmt man normalerweise nicht mehr zurück, dann ist ein solcher inflationärer Impuls nachhaltig. Und das ist zunächst einmal vor allem für die Anleiheinhaber ziemlich hässlich.
Dann steigen die Zinsen, um der Inflation entgegenzuwirken. Nehmen wir die USA: Dort werden im Mai die Zinsen wahrscheinlich schon um weitere 0,25 Prozent erhöht, schließlich beträgt die Inflationsrate in den USA bereits 7,9 Prozent zuletzt. Und die FED hat bereits angekündigt, die Bilanz zu verkürzen. Jetzt soll zumindest ein Teil der Anleihen, die angekauft wurden, wieder verkauft werden. Damit wird dem Markt Liquidität wieder entzogen, was wiederum die Aktienmärkte nicht mögen. Geringere Liquidität ist damit ein Risiko, das wir zumindest im zweiten Halbjahr im Blick behalten müssen. Denn es droht ein Markt mit erhöhter Volatilität.
Kapitalrendite von 20 Prozent gleicht die Inflation aus
Was kann man dagegen tun? Wir wappnen uns gegen die Strömung mit unseren „wunderbaren Unternehmen“, die hohe Kapitalrenditen erzielen. Wir zielen hier auf 20 Prozent und mehr ab. Das gleicht dann auch eine Inflationsrate aus, die sogar 8 Prozent betragen kann. Und nicht zu vergessen: Unsere favorisierten Unternehmen haben aufgrund ihrer Wettbewerbsvorteile eine erhöhte Preissetzungsmacht. Und wenn – worauf wir besonders achten – diese Unternehmen sich besser entwickeln als das Bruttosozialprodukt, dann sind wir sogar in diesem Umfeld so gut aufgestellt, dass unser Portfolio eine gute Rendite abwirft.
Um hier mal zwei Beispiele zu nennen: Netflix und secunet Security Networks. Netflix haben wir nach der jüngsten Enttäuschung ins Portfolio des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen aufgenommen. Denn nach der Corona-Riesenwelle an Abonnenten kam es nun zu der Enttäuschung, dass diesen Superwachstum nicht mehr gehalten werden konnte. Doch wenn man bedenkt, wie lange noch von linearem Fernsehen auf Streamingdienste umgestellt werden kann, dann kommt man bei der Suche nach dem Unternehmen mit dem höchsten Potential schnell auf Netflix. Und nach der Halbierung des Aktienkurses ist der Wert nun in einem Bereich angekommen, in dem der Total Shareholder Return aus unserer Sicht bei mindestens 15 Prozent liegen sollte. Auf Sicht von 5 Jahren bedeutet das eine Verdoppelungsmöglichkeit für die Aktie. Uns das erachten wir als sehr attraktiv.
Cyber Security – der Wachstumsmarkt schlechthin
Und secunet Security Networks. Die Aktie ist in unseren Portfolios bereits ein Oldie. Aber ein „Oldie but Goldie“! Denn die Cyber Security-Bedrohung ist mittlerweile ein großes Thema bei fast allen Unternehmen und Behörden. Und hier ist secunet – nicht nur in Deutschland – bestens positioniert. Das gilt derzeit vor allem für Energieversorger, die sich wegen der Angriffe aus Russland besondere Sorgen machen. Das sind Bedrohungen – und hier geht es vor allem auch um die Bundeswehr und große Behörden – wo sichere Kommunikation in Netzwerken gewährleistet sein muss, sondern auch die Infrastruktur geschützt sein muss. Und in diesem Bereich ist secunet die Nummer 1.
Frank Fischer, CEO & CIO der Shareholder Value Management AG