An den Aktienmärkten herrscht derzeit eine gewisse Lustlosigkeit. Das „große Abwarten“ hat begonnen. Abwarten, ob die US-Notenbank die Zinsen wirklich senkt. Abwarten, wie in Frankreich das Misstrauensvotum gegen Premier François Bayrou ausgeht.
Europa hat bei Value die Nase vorn
Abwarten, ob es bei den Friedensbemühungen im Russland-Ukraine-Krieg erste, kleine Fortschritte gibt. Abwarten, welche Posse sich US-Präsident Trump als nächstes einfallen lässt. In einer solchen Situation lohnt es, sich zu besinnen und einen Blick in die aktuellen Portfolios zu werfen. Bei unserem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen und dem Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value fällt auf, dass sich hier vor allem europäische Nebenwerte und große US-Tech-Werte am besten entwickeln. Dies sind zum Beispiel die britische Ashtead Group, Interpump aus Italien, die britische Diploma und Alphabet aus den USA.
Sie stehen auch für die divergierenden Trends in Europa und den USA. In Europa liegt „Value“ vorne, an der Wallstreet sind es weiterhin „Growth“-Titel, die den Markt treiben. Das hat eine Analyse der Deutschen Bank gezeigt. Demnach haben europäische Substanzwerte in diesem Jahr stark zugelegt und Wachstumswerte um fast 18 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Treiber der Outperformance sind vor allem Finanzwerte wie Banken und Versicherungen, auf die wir uns konzentrieren wie die Allianz, die Münchner Rück, die französische SCOR oder die norwegische Storebrand. In den USA zeigt sich indes das umgekehrte Bild: Value-Werte haben 2025 in Euro gerechnet bisher rund drei Prozentpunkte weniger erzielt als Growth-Titel. Im langfristigen Vergleich sind US-Substanzwerte damit auf ein Allzeittief gegenüber US-Wachstumsunternehmen gefallen. Das wiederum ist auf die starke Performance der großen Technologie- und Internetaktien zurückzuführen, wie die jüngsten Zahlen von Microsoft, Nvidia, Apple & Co. gezeigt haben. Und daran dürfte sich auf absehbare Zeit auch nicht allzu viel ändern.
Europäische Nebenwerte – ein fruchtbares Feld für Stock-Picker
Was aber zeichnet europäischen Nebenwerte aus? Unsere Stock-Picks verfügen allesamt über eine starke Marktposition, haben einen hohen Cashflow, und wachsen organisch und durch gezielte Übernahmen. Und worauf wir noch achten, ist der sogenannte Total Shareholder Return (TSR). Diese Kennzahl umfasst die Kurssteigerung der Aktie, Dividenden, Aktienrückkäufe, Wachstum sowie die Rendite auf reinvestiertes Kapital – und damit die Summe der Erträge eines Investors.
Unsere Top-Picks erfüllen all diese Merkmale. Ein gutes Beispiel ist hier die Ashtead Group. Das Geschäftsmodell ist einfach erklärt: Ashtead kauft Baugeräte, Werkzeuge und Spezialequipment von Herstellern. Diese mehr als eine Million Mietgeräte bietet das Unternehmen mit Hilfe seiner ca. 25.000 Mitarbeitern an seinen rund 1.600 Standorten in den USA, Kanada und UK den mehr als 900.000 Kunden an. Die Bandbreite der Kunden ist riesig und reicht von internationalen Baukonzernen über nationale und regionale Handwerkerbetriebe bis hin zu Do-It-Yourself Kunden, also dem klassischen Heimwerker. Die Stabilität der Umsätze ist durch die Aufteilung auf die verschiedenen Zweige gesichert. Etwa 50 Prozent der Umsätze stammen aus der Bauindustrie, was den Kern der Aktivitäten bildet. Die andere Hälfte ist breit gestreut über eine Vielzahl diverser Branchen wie Industrie und Fertigung, Energieversorgung, Infrastruktur, Transport, Veranstaltungen, Notfall- und Katastrophenhilfe sowie Gesundheitswesen. Und dieser Markt ist stark fragmentiert. Dies nutzt Ashtead immer wieder mit kleineren und größeren Übernahmen aus, um so seine Marktposition zu stärken.
MDax mit Aufholpotential und günstigen Bewertungen
Über eine starke Marktposition mit entsprechender Preissetzungsmacht verfügen aber auch unsere MDax-Werte Scout24 und IONOS. Wie man generell zum MDax sagen muss: Dessen Werte beeindrucken durch eine günstige Bewertung und robuste Gewinnerwartungen. Für das laufende Jahr erwarten die Analysten für die DAX-Konzerne ein Plus von 1,6, für die MDax-Firmen jedoch ein Plus von 3,5 Prozent. Ab 2026 könnten Fiskalprogramme und die wiederhergestellte Planungssicherheit durch das Handelsabkommen mit den USA (falls Trump nicht wieder was Neues einfällt) der Industrie neue Impulse geben. Für DAX und MDax werden dann Gewinnanstiege von 13,1 und 21,7 Prozent erwartet. Der DAX notiert derzeit etwa 19 Prozent über seinem Zehn-Jahres-Durchschnitt, während der MDAX rund 11 Prozent darunterliegt – eine markante Diskrepanz, die sich langfristig zumindest teilweise ausgleichen.
Bis dahin heißt es aber abwarten. Der September wird auf jeden Fall spannend.
Von Frank Fischer, Vorstandsvorsitzender und Chief Investment Officer bei Shareholder Value Management AG
Weitere beliebte Meldungen: