Hinweis: Dieser Beitrag ist auch im "CONTEXT"-Blog von AB verfügbar.
Auch für europäische Anleger ist der amerikanische High-Yield-Markt eine wichtige Quelle für laufende Erträge, daher sollte diese Entwicklung auch diesseits des Atlantiks gründlich analysiert werden, zumal auch hiesige Unternehmen betroffen sind.
Auf den ersten Blick mag es ratsam erscheinen, diese „Fallen Angels“ zu meiden (dieser Ausdruck wird für ehemalige Investment-Grade-Anleihen verwendet). Wenn die grossen Ratingagenturen einem Unternehmen das Investment-Grade-Siegel entziehen, schliessen viele Anleger daraus, dass die Zukunftsaussichten der Firma düster sind.
Zu viel Angebot, zu wenig Nachfrage
Wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage, liegt es zum Teil daran, dass viele Fondsmanager keine Anleihen ohne Investment-Grade-Rating halten dürfen. Sinkt eine Anleihe auf High-Yield-Niveau, muss der Portfoliomanager verkaufen. Diese erzwungene Verkaufswelle lässt die Kurse oft tiefer fallen, als angebracht wäre.
Zugleich ist es schwierig, unmittelbar nach einer Herabstufung Käufer für Schrottanleihen zu finden. Manche Anleger werden zudem durch negative Schlagzeilen abgeschreckt. Und einige High-Yield-Manager verwenden wenig Zeit auf die Analyse von Investment-Grade-Anleihen, weshalb es länger dauern kann, bis sie über den Kauf eines „Fallen Angels“ entscheiden.
Das Resultat: Viele „Fallen Angels“ notieren beim Eintritt in das High-Yield-Universum unterhalb ihres wahren Wertes. Sobald jedoch der Fokus der Anleger wieder auf die Fundamentaldaten gerichtet ist, entwickeln sich diese Anleihen besser als originäre High-Yield-Emissionen. Anleger, die diese Fehlpreisung vor dem breiten Markt erkennen, können dieses Phänomen potenziell nutzen. Aber sie müssen schnell sein. Wie die folgende Abbildung zeigt, holen in den USA die „Fallen Angels“ nach einer Herabstufung rasch auf, in Europa ist der Effekt ebenfalls zu beobachten.
Energieanleihen nicht alle in einen Topf werfen
Und noch ein Faktor kann sich positiv für die Anleger auswirken: „Fallen Angels“ haben starke Anreize, ihre Bilanzen zu reparieren und die Profitabilität wiederherzustellen. Dieses Verhalten macht eine Verringerung der Schulden wahrscheinlich. In der Vergangenheit haben Anleihen, die von BBB, der niedrigsten Ratingstufe für Investment Grade, auf BB, das höchste High-Yield-Rating, herabgestuft wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit das Investment-Grade-Rating erlangt als originäre High-Yield-Anleihen.
Selbstverständlich kommt es auch bei „Fallen Angels“ manchmal zu Zahlungsausfällen. Manche hoch verschuldete Energieunternehmen werden im aktuellen Zyklus dieses Schicksal erleiden. Einige Unternehmen, die hohe Schulden aufgenommen haben, um Ölexploration und Produktion zu finanzieren, sind bei Ölpreisen um 50 US-Dollar vom Konkurs bedroht.
Doch andere „Fallen Angels“ im Energiebereich spreizen bereits wieder die Flügel aus. Der Markt strafte alle Energieunternehmen ab, als die Preise fielen. Doch nicht alle Segmente des Sektors sind gleichermassen preissensibel. Pipelinebetreiber, Öllagerfirmen und Raffinerien etwa können Ölpreise im Bereich von 30 bis 50 US-Dollar verkraften. Einige dieser Anleihen Anfang dieses Jahres zu erheblichen Abschlägen zu kaufen, wäre im Nachhinein ein Schnäppchen gewesen.
Vorbereitung und Flexibilität
Wir sehen auch weiterhin Möglichkeiten, vom Fallen-Angel-Effekt zu profitieren. Die Kreditmärkte in den USA befinden sich im Endstadium des Zyklus, und viele Investment-Grade-Anleihen werden zu Kursen gehandelt, die eine unmittelbar bevorstehende Herabstufung implizieren. Um diese Chancen zu nutzen, müssen Anleger vorbereitet sein. Das bedeutet, dass extensive Kreditanalysen von potenziellen „Fallen Angels“ VOR ihrer Herabstufung durchgeführt werden müssen. Jene Anleger, die diese Analyse leisten, sind in einer guten Position, um dann jene „Fallen Angels“ zu kaufen, die eine attraktive Bewertung aufweisen.
Ebenso ist es wichtig, flexibel zu bleiben. Viele Marktteilnehmer ziehen eine scharfe Trennlinie zwischen dem Investment-Grade- und dem High-Yield-Universum und überschreiten diese Schranke nicht. Doch übertrieben rigide Investmentansätze gehen oft auf Kosten des potenziellen Ertrags. Unserer Überzeugung nach ist es vielmehr ratsamer, Fehlpreisungen von Wertpapieren unabhängig davon zu nutzen, wo man sie vorfindet."