Das wahrscheinlichste Ergebnis der Vertrauensabstimmung am 8. September ist, dass Bayrous Vorschlag abgelehnt wird. In diesem Fall hat Präsident Macron im Grunde drei Optionen. Erstens: Die Ernennung einer neuen Regierung, die dann mit der Verabschiedung des Haushalts beauftragt wird. Auch wenn dies das wahrscheinlichste Ergebnis ist, bleibt die eigentliche Herausforderung bestehen: Die Verabschiedung eines Haushalts, der die von der Europäischen Kommission geforderten Vorgaben umsetzt und das französische Haushaltsdefizit von aktuell 5,4 Prozent im Jahr 2025 auf 4,6 Prozent im Jahr 2026 senkt. Option Zwei wäre die Ankündigung vorgezogener Parlamentswahlen. Als – dritte –Alternative würde Präsident Macron nur der Rücktritt bleiben. Dies ist zwar das unwahrscheinlichste Szenario, wäre wohl aber gleichzeitig das Worst-Case-Szenario für Frankreich.
Politische Entwicklung absehbar
Trotz der medialen Überraschung waren die aktuellen politischen Ereignisse absehbar – und aus unserer Sicht unvermeidlich. Aufgrund der sehr zersplitterten Mehrheitsverhältnisse im Parlament steht Frankreich aktuell vor sehr schwierigen Haushaltsverhandlungen. Wir haben daher französische Staatsanleihen in unseren globalen und europäischen Portfolios schon frühzeitig untergewichtet.
Bisher beschränken sich die Auswirkungen weitgehend auf französische Staats- und Agenturanleihen. Die Spreads dieser Titel haben sich in den vergangenen Handelstagen mit etwa neun Basispunkten deutlich gegenüber Deutschland ausgeweitet. In Folge sind auch die 10-jährigen französischen Staatsanleihen auf ein Jahreshoch von 80 Basispunkten gegenüber der Bundesrepublik gestiegen. Die Auswirkungen auf andere französische Schuldtitel wie Unternehmens- und Bankpapiere waren bisher geringer. Auch auf den Euro hat die Ankündigung den Druck erhöht. Nach Bayrous Ankündigung hat die Währung um rund ein Prozent nachgegeben.
Markt hat Frankreichs Risiko unterschätzt
Der Markt scheint das finanzpolitische Risiko, das von Frankreich ausgeht, unterschätzt zu haben. Dennoch dürfte das Hauptrisiko auch weiter auf französische Staats- und Agenturtitel beschränkt bleiben. Eine Übergewichtung in Euro behalten wir daher bei. Wir gehen davon aus, dass die Volatilität in den kommenden Wochen anhalten wird. Ähnlich wie bei den politisch bedingten Spreadausweitungen im Juni und November vergangenen Jahres sehen wir diese Ausweitung jedoch als Kaufgelegenheit. Im Vergleich zu den Bewegungen im Juni und November 2024 sind die aktuellen Spreads bei Staatsanleihen ähnlich, und das Ausmaß der Bewegung ist mit dem im November vergleichbar. Die Reaktion im französischen Banken- und Unternehmenssektor fiel jedoch deutlich verhaltener aus.
Je nach politischen Entwicklungen in den kommenden Wochen kann es sich unserer Einschätzung nach auszahlen, zu einer Übergewichtung des französischen Staatsrisikos überzugehen, wenn die Bewertungen attraktiver werden. Wir schätzen, dass sich ebenfalls Investitionsmöglichkeit ergeben könnten, wenn sich die Volatilität auf andere französische Sektoren wie den Bankensektor ausweiten.
Von John Taylor, Head of European Fixed Income and Director of Global Multisector, AllianceBernstein
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