"Im kommenden Jahr werden viele Marktteilnehmer ihr Augenmerk vor allem auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank richten, auf die Wahlen in Frankreich und Deutschland sowie auf den Verlauf der Brexit-Verhandlungen. Doch für einen Aktieninvestor, der sich um eine fundamentale Analyse bemüht, wäre es kontraproduktiv, zu versuchen, den Ausgang dieser Ereignisse vorherzusagen. Deshalb liegen die eigentlichen Chancen für europäische Aktien darin, Unternehmen zu finden, die sich trotz oder gerade in diesem politischen und wirtschaftlichen Umfeld gut entwickeln. Denn anstelle von Einzelwertanalysen sind es gerade diese systemischen Marktfaktoren, die die Bewertungen zunehmend beeinflussen.
Attraktiv bewertete Kaufgelegenheiten nutzen
Die Bewertung von immer mehr Aktien steht vor dem Hintergrund makroökonomischer Unsicherheit unter Druck. Während jedoch die europäische Wirtschaft langsam Fortschritte zeigt, ergreifen einige Unternehmen schmerzhafte Maßnahmen, um ihre operative Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Angesichts der vielschichtigen Unternehmenslandschaft in Europa ist es wichtig, die wirklich attraktiv bewerteten Kaufgelegenheiten zu finden. In diesem Umfeld kann Naivität bei der Suche nach Wertpotenzial gefährlich sein.
Günstige Werte bieten nicht immer gute Anlagechancen
Ein Beispiel sind Finanzwerte: Sie dominieren derzeit bei europäischen Aktien die Gruppe der günstigsten Werte – gemessen an den traditionellen Bewertungsmaßstäben Kurs/Buchwert- und Kurs/Gewinn-Verhältnis. Stellen Banken deshalb gute Anlagechancen dar? Nicht unbedingt. Denn sie kämpfen mit veränderten Anforderungen an ihre Eigenkapitalquoten, während historisch niedrige Zinsen gleichzeitig ihre Gewinne drücken. Banken machen daher auch nur 1,7 Prozent der profitabelsten europäischen Aktien aus, gemessen an der Eigenkapitalrendite. Andererseits finden sich relativ wenige Industrie- oder Konsumtitel unter den günstigsten Titeln, wohingegen sie einen Großteil der profitabelsten Namen stellen. So kann es passieren, dass zum Beispiel ein börsengehandelter
Investmentfonds (ETF), der sich auf Werte mit günstigem Kurs/Buchwert- oder günstigem Kurs/Gewinn-Verhältnis konzentriert, seine Investoren einem großen Klumpenrisiko mit Finanzwerten aussetzt. Denn diese sind anfällig für systemische Risiken und stellen darüber hinaus potenzielle Wertfallen dar, weil sie kaum Optionen haben, um ihre Profitabilität zu steigern.
Wahre Werte finden
Unserer Überzeugung nach ist es in diesem Umfeld für Anleger besser, das Augenmerk auf anspruchsvollere Instrumente zu legen, um attraktive Substanzwerte zu identifizieren. Deshalb halten wir es für unabdingbar, neben dem Kurs/Buchwert- und dem Kurs/Gewinnverhältnis, den Wert des Cashflows abzuschätzen, dabei das Schuldenprofil der Unternehmen zu berücksichtigen und genau zu verstehen, wie sich gewählte Bilanzansätze auf die Bewertung auswirken. Das Kurs/Cashflow-Verhältnis in die Analyse einzubeziehen kann Investoren darin unterstützen, die Gesundheit eines Unternehmens jenseits der Finanzberichte zu beurteilen, die leicht „geschönt“ werden können. Ein weiterer Maßstab, das Verhältnis vom Kurs zum materiellen Buchwert, hilft, den Goodwill und andere immaterielle Vermögenswerte herauszurechnen, die bekanntermaßen nur schwer zu bewerten sind. Nicht zuletzt kann das Verhältnis von Unternehmenswert zu Umsatz helfen, um den Wert der Einkünfte zu beurteilen und dabei auch den Schuldenstand des Unternehmens mit einzubeziehen.
Es ist zu früh um abzusehen, ob die Erholung der Value-Aktien weitergehen wird. Aber es ist keineswegs zu früh, nach neuen Wegen zu suchen, um unter den schwierigen Marktbedingungen in Europa werthaltige Aktien zu finden. Wir gehen davon aus, dass Anleger auch unter den nicht einfachen Bedingungen in Europa günstige Aktien finden können, die ein echtes Erholungspotenzial bieten und eine nachhaltige Überrendite erzielen können."