Fallstudien: Wie Aktienresearch von „Big Data” profitieren kann

„Big Data“, die Nutzung riesiger Datenmengen, ist die kommende Herausforderung für die Investmentbranche. Aktienanleger müssen die richtigen Fragen stellen, um neue Datentechnologien erfolgreich in ihren Anlageprozess zu integrieren. AllianceBernstein | 10.07.2019 11:37 Uhr
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Warum ist „Big Data“ so wichtig?


Anlegern steht heute eine gigantische Menge an Daten zur Verfügung. So erstellen beispielsweise mehr als 8.000 US-notierte Unternehmen vierteljährliche Berichte mit jeweils mehreren hundert Seiten Umfang. Wir haben 675.000 dieser Berichte gesammelt, die in den letzten 26 Jahren eingereicht wurden. Weltweit führen Unternehmen jährlich auch etwa 20.000 Telefonkonferenzen in englischer Sprache zu den Quartalsgewinnen durch, mit jeweils detaillierten Transkripten. Hinzu kommen enorme Mengen von Unternehmensberichten in weiteren Sprachen weltweit.Theoretisch müssen Portfoliomanager Tausende von Datensätzen durchforsten, um die Risiken und Chancen eines Unternehmens vollständig einschätzen zu können. In der Praxis lässt sich das nicht umsetzen.

Die Datenwissenschaft bietet Lösungen, indem sie Techniken des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz (KI) zur Verarbeitung von Informationen einsetzt. Doch selbst die intelligenteste Software erfordert menschliche Rahmensetzung und Expertise, um Daten in Anlageergebnisse umzusetzen.

Symbiose von Researchfertigkeiten

Die Gewinnung von Erkenntnissen erfordert ein breites Spektrum an Anlagekompetenzen. Große Datensätze müssen gebündelt und mit komplexen statistischen Modellen und ökonomischen Modellen kombiniert werden. Investmenthäuser, die im quantitativen Research verwurzelt sind, mögen als besser geeignet für die Verarbeitung erscheinen, sind aber möglicherweise nicht in der Lage, die Informationen zu deuten.

Fundamentalanalysten können intuitives Research anwenden, indem sie die richtigen Fragen stellen, um nützliche Informationen aus riesigen Datenbeständen zu extrahieren, aber sie haben möglicherweise nicht die technischen Fähigkeiten, sie effizient zu verarbeiten.

Wir haben fortschrittliche Big Data-Techniken eingeführt, um Rätsel der Aktienanlage anzugehen, die durch menschliche Analysen allein nicht gelöst werden konnten. In den folgenden Fallstudien wollen wir zeigen, wie ein hybrider Ansatz, der auf verschiedenen analytischen Fähigkeiten basiert, Investmentteams helfen kann, die Datenherausforderung zu bewältigen.

Fallstudie 1: Fluglinienauslastung

Frage: Inwieweit beeinflusst zusätzliche Kapazität die Preismacht einer Fluglinie?

Die Flugpreisgestaltung ist äußerst komplex und undurchsichtig, was es für einen Branchenanalysten sehr schwierig macht, Rückschlüsse auf die Kapazität, die Preise und letztlich auf die Profitabilität einer Fluggesellschaft zu ziehen. Im Jahr 2018 haben wir große Datenmengen gesammelt, um mehr darüber zu erfahren, wie sich die Kapazität der Fluggesellschaften auf die Preisgestaltung auswirkt (Abbildung).

Wir haben unsere Datenbank so eingestellt, dass sie über 1 Million Datenzeilen des US-Verkehrsministeriums mit einer Verzögerung von sechs Monaten mit den von der Fluggesellschaft gemeldeten Daten über die Route vergleichen. Anschließend haben wir die vierteljährlichen Tarif- und Kapazitätsdaten abgeglichen, die Fluggesellschaften konsolidiert und die Monopolmärkte aus dem Datensatz entfernt, um uns auf die Auswirkungen des Wettbewerbs zu konzentrieren.

Die Studie zeitigte zwei eindeutige Ergebnisse. Erstens erhöhen die Fluglinien meist die Kapazität auf Routen mit überdurchschnittlichem Wachstum hinsichtlich Fluggastumsatz je verfügbarer Meile je Sitz (wichtigste Profitabilitätskennzahl der Branche, englische Abkürzung PRASM). Zweitens verlangsamt sich das Kapazitätswachstum innerhalb von vier Quartalen, was wiederum ein Ansteigen von PRASM bewirkt.

Diese Schlussfolgerungen waren nicht akademisch. Durch ein besseres Verständnis der Preisdynamik haben wir aber eine klarere Sicht auf das Gewinnpotenzial einer unserer Aktienpositionen entwickelt, was unsere Überzeugung untermauert und uns ermöglicht hat, die Position auszubauen. Darüber hinaus hat uns das Research in die Lage versetzt, die Preise von Fluggesellschaften in Echtzeit genauer zu überwachen, und wir nutzen diese Daten, um das Management in die Diskussion über ihre Pläne für zukünftige Streckenerweiterungen einzubeziehen.

Fallstudie 2: Risiken in Unternehmensberichten entdecken

Frage:Können Veränderungen in der Managementsektion eines Quartalsberichts bei der Identifikation von Risiken helfen?

Unternehmensberichte bieten Investoren eine Fülle von Informationen. Aber wie kann man aus Tausenden von zu entschlüsselnden Seiten herausfinden, was wirklich wichtig ist? Wir haben uns vorgenommen, potenzielle Risiken in Unternehmensanmeldungen zu identifizieren, indem wir NLP (Neuro-Linguistische Programmierung) und KI nutzen, um die jährlichen 10K-Berichte (offizielle Unternehmensberichte in den USA) zu durchsuchen.

Die Logik ist einfach. In der Managementdiskussions- und Analyse-Sektion (MD&A) eines 10K ändert sich das Gros des Textes von Jahr zu Jahr kaum. Durch das systematische und umfassende Auffinden von geänderten Abschnitten können wir potenzielle Risiken früher als die anderen erkennen.

Zuerst haben wir die SEC-Website (amerikanische Börsenaufsicht) für Transkripte von S&P 500-Unternehmen seit 1996 durchforstet. Dann analysierten wir die MD&A-Abschnitte und wandten NLP an, um die Berichte von Jahr zu Jahr zu vergleichen. Unser System hat eine Punktzahl erstellt, um zu zeigen, wie ähnlich oder unterschiedlich ein Bericht von einem Jahr zum anderen war. Fundamentalanalysten überprüften dann die 10Ks der Unternehmen, die als solche gekennzeichnet waren, um die erkannten Risiken zu validieren.

Im Ergebnis tendierten Aktien von Unternehmen, die wenig Punkte erzielten, innerhalb der ersten drei Monate nach Veröffentlichung des Berichts zu einer schlechteren Performance. Basierend auf dieser Analyse kann ein breiteres datengesteuertes Instrument entwickelt werden, das Aktienanalysten dabei unterstützt, einen Vorteil bei der Antizipation von Unternehmensveränderungen zu erlangen, die sich wahrscheinlich auf die Aktienkurse auswirken werden.

Der Mensch zählt

Diese Fälle zeigen, wie wichtig eine enge Integration der Datenanalysefunktion mit Investmentteams und Branchenanalysten ist. Angesichts der damit verbundenen Kosten ist es wichtig, die richtigen Projekte auszuwählen, bei denen die Datenanalyse den größten Einfluss ausüben kann.

Investmenthäuser, die sich diesen Herausforderungen stellen, werden unserer Meinung nach Datentechnik besser nutzen können, um ihre Portfolioerträge zu verbessern. Es gibt keine einfachen Antworten. Aber ein Leitsatz ist klar: Selbst mit hochentwickelter künstlicher Intelligenz ist die Anwendung einer menschlichen Komponente im Aktienresearchprozess der beste Weg, um große Daten in lohnende Anlageerkenntnisse zu verwandeln.

Nelson Yu, Head of Quantitative Research & Chris Hogbin, Chief Operating Officer—Equities, AllianceBernstein (AB)

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