Nach einem schwierigen Jahr 2022 befinden sich die Kapitalmärkte in diesem Jahr wieder im Aufschwung. Besonders wachstumsorientierte Technologiewerte verzeichnen starke Kursentwicklungen (siehe Abbildung 1) und höhere Anleihenrenditen haben einen der attraktivsten und expansivsten Einkommensmärkte seit Jahren geschaffen.
Vor diesem Hintergrund sind für Multi-Asset Anleger aktuell vor allem drei Ertragsthemen relevant:
1. Anleihen: Comeback als wirksamer Diversifikator für Aktien
Anleihen sind dabei, ihre Wirksamkeit als Diversifikator für Aktien wiederzugewinnen. Das wurde während der Bankenkrise sehr deutlich, als Staatsanleihen sich erholten, während Risikoanlagen unter Druck gerieten. Im Jahr 2022 hatten Anleihen und Aktien gleichzeitig negative Erträge erzielt, sodass es für Anleger kaum Möglichkeiten gab, sich zu retten. In diesem Jahr sind die negativen Korrelationen bei Staatsanleihen jedoch wieder intakt und bieten neben einem besseren Einkommenspotenzial auch ein besseres Gleichgewicht gegenüber Risikoanlagen.
Bei der Auswahl der Staatsanleihen gilt es jedoch zu beachten, dass das Zinsumfeld je nach Region unterschiedlich ausfällt. Während sich nämlich in der Eurozone, Großbritannien oder den USA der Basiszinssatz aufgrund des höheren politischen Spielraums der Zentralbanken überall um 4 bis 5 Prozentpunkte nach oben verändert hat, blieb er beispielsweise in Japan seit Beginn der Coronapandemie trotz der äußeren Umstände stets unverändert.
In Anbetracht des späten Stadiums des Konjunkturzyklus lohnt sich aktuell eine Erhöhung der Duration (Zinssensibilität), und Staatsanleihen sind ein besonders wirksamer Ansatzpunkt. Bei Staatsanleihen ist die Auswahl der Laufzeiten entscheidend. Der Bereich der Zinskurve mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren ist ein empfehlenswertes Segment. Anleihen mit Laufzeiten von mehr als zehn Jahren würden nur in einem harten Rezessionsszenario einen Mehrwert bieten, was zum jetzigen Zeitpunkt weniger wahrscheinlich ist.
2. Hochzinsanleihen sind gut gegen Abschwung gerüstet
Hochzins-Unternehmensanleihen waren selten so attraktiv wie heute, und der ICE BofA High Yield Index wies zur Jahresmitte eine Rendite von etwa 8 Prozent auf. Anleger neigen dazu, in späten Phasen des Konjunkturzyklus Unternehmensanleihen zu meiden, da diese in der Regel als Erste den Druck eines Abschwungs zu spüren bekommen. Diesmal ist der fundamentale Hintergrund jedoch stabil. So veranlasste die Ungewissheit während der Pandemie viele Unternehmen dazu, ihre Bilanzen und ihre Liquidität konservativ zu verwalten. Jetzt deuten ein geringerer Verschuldungsgrad und höhere Deckungsquoten zusammen mit besseren Margen, Gewinnen und Cashflows darauf hin, dass Hochzinsanleihen gut für einen Abschwung gerüstet sind.
Innerhalb des Universums der Hochzinsanleihen bestehen jedoch zum Teil erhebliche Unterschiede, weshalb für Anleger Vorsicht geboten ist. Höher bewertete Anleihen am Ende des Hochzinsspektrums, wie etwa Emittenten mit BB-Rating, sind zum Beispiel weniger anfällig bei einer Konjunkturabschwächung. Die Auswahl ist auch deshalb wichtig, weil ein zunehmender Anteil des Hochzinsuniversums in den nächsten zwei Jahren fällig wird, was zu einer Herausforderung werden könnte, wenn die Refinanzierungsbedingungen weiterhin ungünstig sind. Dieses Risiko erscheint aktuell jedoch eher gering.
3. Substanz- und Wachstumswerte gleichermaßen beachten
Obwohl der Aktienmarkt im bisherigen Jahresverlauf stark war, gab es eine große Streuung zwischen den einzelnen Segmenten. Viele der größten und leistungsstärksten Technologiewerte zahlen nur geringe oder gar keine Dividenden, sodass das Umfeld für einkommensorientierte Anleger besonders schwierig ist.
Es wäre jedoch falsch, sich nur auf dividendenstarke Aktien zu konzentrieren. Ein breiteres Engagement in verschiedenen Sektoren und Stilen erhöht die Chancen, dass ein Teil der Aktienstrategie von den Veränderungen der Zyklen profitiert oder sich dagegen behaupten kann. Im vergangenen Jahr lagen beispielsweise Substanzwerte um mehr als 20 Prozent vor Wachstumswerten, doch heute hat sich das Bild fast genau umgekehrt.
Sobald sich die Erholung parallel zu den steigenden Gewinnen ausweitet, wird dies vielen Sektoren zugutekommen. Der Schwerpunkt sollte auf günstig bewerteten, profitablen Unternehmen mit Cashflows liegen, da diese den Konjunkturabschwüngen besser standhalten können.
Die Aussichten für die Weltwirtschaft und die Kapitalmärkte haben sich seit Anfang 2023 verbessert. Es gibt immer noch Ungewissheit und ein eher schleppendes Wachstum, aber robuste Beschäftigungsdaten in Verbindung mit Anzeichen einer nachlassenden Inflation haben die Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung erhöht.
Die Renditen für Anleihen sind auf ein seit Jahren nicht mehr gesehenes Niveau gestiegen und könnten dort auch bleiben, bis die Zentralbanken mit Zinssenkungen beginnen. Anleger sollten so spät im Zyklus jedoch nicht mehr nach höheren Renditen streben und zu hohe Risiken eingehen, sondern einen Ansatz wählen, der darin besteht, selektiv und flexibel zu bleiben und sich auf Qualität zu konzentrieren.
Von Karen Watkin, Portfolio Manager—Multi-Asset Solutions bei AlllianceBernstein