CDU und SPD, als jene Parteien, die voraussichtlich die nächste Bundesregierung bilden, haben gestern mit einem unerwartet großen Investitionspaket überrascht, das sich auf Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben konzentriert. Das Paket, das insgesamt voraussichtlich ein Volumen von einer Billion Euro umfasst, ist eine Kombination aus einer Reform der Schuldenbremse mit einem speziellen Infrastrukturfonds. Alle diese Vorschläge erfordern eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und werden wahrscheinlich schon nächste Woche zur Abstimmung gestellt. Da der Bundestag noch bis zum 25. März in seiner alten Zusammensetzung tagen kann, ist es wahrscheinlicher, dass es die erforderliche Mehrheit erhält, so dass die Verabschiedung des Pakets relativ sicher ist.
Fiskalische Lockerung als Wachstumsimpuls – Risiko oder Chance?
Das Ausmaß dieser fiskalpolitischen Lockerung stellt ein Aufwärtsrisiko für unsere Basisprognose dar. Bislang gingen wir davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr eine Rezession nur knapp vermeiden und ein bescheidenes Wachstum von 0,4 Prozent verzeichnen wird – hauptsächlich zurückzuführen auf eine Erholung des Privatkonsums. Dem lag die Erwartung zugrunde, dass die Fiskalpolitik im Vergleich zu 2024 einen neutralen Einfluss haben wird. Während die unmittelbaren Auswirkungen des angekündigten Paktes noch unklar sind, haben sich die mittelfristigen Aussichten verbessert.
Im Jahr 2025 mildert die Ankündigung einige der von uns prognostizierten Abwärtsrisiken für das Wachstum, insbesondere in Bezug auf Handelszölle und schwächere Exportaussichten. Darüber hinaus dürfte die Ankündigung die Stimmung heben und möglicherweise zu einer stärkeren privaten Nachfrage führen, was diese Risiken teilweise ausgleicht. Wenn der Infrastrukturfonds noch in diesem Jahr zur Verfügung steht, könnten in 2025 rund 25 Milliarden Euro höhere Kredite aufgenommen werden als im vergangenen Jahr. Das dürfte das Wachstum um 15 bis 20 Basispunkte steigern.
Mehr Wachstum, höhere Schulden – Deutschlands fiskalische Wende nach 2025
Mit Blick auf die Zeit nach 2025 verbessern sich die Aussichten weiter. Bei den Verteidigungsausgaben wird viel davon abhängen, mit welcher Geschwindigkeit die Behörden das angestrebte Ziel erreichen wollen. Die Art und Weise, wie die Reform präsentiert wurde, deutet darauf hin, dass es keine Begrenzung für die Höhe der Ausgaben gibt. Bei einem Ausgabenziel von drei Prozent des BIP in fünf Jahren, wie es kürzlich vom Kanzler in spe Friedrich Merz vorgeschlagen wurde, könnten sich die kumulierten Ausgaben auf mindestens 800 Milliarden Euro belaufen. Die Auswirkungen auf das BIP-Wachstum werden jedoch vom Umfang und der Herkunft der gekauften Verteidigungsgüter abhängen. Mangels europäischer Alternativen wird die USA wahrscheinlich der Hauptlieferant bleiben. Daher bin ich eher vorsichtig, was die Auswirkungen der Verteidigungsausgaben auf das Wachstum angeht.
Der Infrastrukturfonds, dessen Umfang klar kommuniziert wurde, hätte mittel- bis langfristig erhebliche Auswirkungen. Das BIP-Wachstum könnte sich im Vergleich zur Konsensprognose von einem Prozent beziehungsweise 1,1 Prozent in den Jahren 2026 und 2027 um jährlich 50–70 Basispunkte beschleunigen. Ich sehe auch Aufwärtsrisiken für das potenzielle Wachstum, das wahrscheinlich von 0,6 auf 1,5–2 Prozent nach oben korrigiert wird. Infolgedessen ist realistisch, dass sich das Haushaltsdefizit, das derzeit bei 2,6 Prozent des BIP liegt, in den kommenden Jahren ausweiten und die von der Europäischen Kommission festgelegte Schwelle von 3 Prozent durchaus überschritten wird. Dies dürfte jedoch unproblematisch sein, da die Kommission voraussichtlich eine Aussetzung der Haushaltsregeln ankündigen wird, um den gestiegenen Verteidigungsausgaben in den EU-Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.
EZB bleibt auf Zinssenkungskurs – aber fiskalische Risiken könnten das Tempo bremsen
Unsere Prognose für 2025 bleibt unverändert, mit der Erwartung, dass die EZB die Leitzinsen bis zum Jahresende auf 1,75 Prozent senken wird. Das Tempo der Zinssenkungen könnte sich ab dem zweiten Quartal verlangsamen, wenn sich die EZB der Neutralität nähert. Das Ziel bleibt aber dasselbe. Die fiskalische Lockerung in Deutschland sowie die höheren Verteidigungsausgaben in ganz Europa dürften sich 2025 nicht wesentlich auf das Wachstum oder die Inflation auswirken, sodass die EZB ihren Zinssenkungszyklus fortsetzen dürfte. Das mittelfristige Inflationspotenzial der Infrastrukturausgaben stellt jedoch ein Risiko für die EZB dar und könnte sich möglicherweise auf ihren angestrebten Zinssatz auswirken. Während die Verteidigungsausgaben weniger wahrscheinlich inflationär sind, könnten sie einen geringfügigen Einfluss haben. Das könnte zu einer restriktiveren Verschiebung in der Juni-Prognose der EZB führen, mit einem erhöhten Risiko eines Endzinssatzes von 2 Prozent bis Ende 2025 und keiner Senkung im Jahr 2026.
Von Sandra Rhouma, European Economist – Fixed Income bei AllianceBernstein