Der US-Gesundheitssektor bietet aktuell eine seltene Gelegenheit: Er ist so günstig bewertet, wie seit Jahrzehnten nicht mehr – und das in einem makroökonomischen Umfeld, das gezielte Stabilität und ausgewogene Diversifikation verlangt. Nach einem deutlichen Bewertungsrückgang im vergangenen Jahr handelt der Sektor aktuell mit einem Abschlag von rund 20 Prozent auf das Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis des Gesamtmarkts – der tiefste relative Bewertungsstand in fast 40 Jahren. Gleichzeitig liegt der Marktanteil des Sektors bei nur noch zehn Prozent, dem niedrigsten Wert seit 15 Jahren.
Trotz politischer Unsicherheiten – wie der Ankündigung von Präsident Donald Trump, die US-Arzneimittelpreise an internationale Referenzpreise anzupassen – sehen wir das Risiko nach unten als begrenzt. Mittelabflüsse der vergangenen Jahre, bereits eingepreiste Negativszenarien und eine insgesamt gedrückte Marktstimmung sprechen dafür, dass viel Pessimismus im Kurs steckt. Historisch vergleichbare Phasen – etwa 1993 und 2016 – zeigten ebenfalls: Wenn politische Unsicherheit ihren Höhepunkt erreicht, entstehen oft besonders attraktive Einstiegschancen.
Technologie trifft Resilienz: Warum Healthcare langfristig überzeugt
Immerhin profitiert der Gesundheitssektor von einer alternden Bevölkerung, die zu einer erhöhten Nachfrage nach medizinischer Versorgung und Pflegeleistungen führt. Zudem wird der Sektor wie kaum ein anderer an den Errungenschaften Künstliche Intelligenz partizipieren. Die Technologie wird zunehmend als Schlüsseltechnologie gesehen, um die Auswirkungen von globalen Herausforderungen wie Deglobalisierung, demografischem Wandel und Klimawandel abzufedern. Auch wenn das volle wirtschaftliche Potenzial noch schwer zu quantifizieren ist, bieten sie im Gesundheitssektor erhebliche Chancen.
Konkrete Fortschritte lassen sich bereits beobachten – etwa durch AlphaFold, ein KI-System von DeepMind, das die Vorhersage von Proteinstrukturen revolutioniert hat. Daneben eröffnen sich zahlreiche Anwendungsfelder mit enormem Potenzial:
- Bessere und Günstigere Arzneimittel: KI kann dabei helfen, neue Wirkstoffe schneller und günstiger zu entdecken sowie klinische Studien effizienter zu gestalten. Novartis und Eli Lilly kooperieren bereits mit Isomorphic Labs, um das AlphaFold-Modell produktiv in der Forschung zu nutzen.
- Frühdiagnostik und Therapieoptimierung: KI-gestützte Datenerhebung und die Analyse großer Datenmengen ermöglichen frühere Diagnosen, individuellere Behandlungspläne und geringeren Bedarf an invasiven Eingriffen – mit besseren Outcomes bei niedrigeren Kosten.
- Personalisierte Therapien: Mithilfe intelligenter Datenanalysen lassen sich Ressourcen in Krankenhäusern besser nutzen, Diagnostik verbessern und personalisierte Therapien entwickeln.
- Entwicklungsschub für Medizintechnik: Durch geringere F&E-Kosten, vorausschauende Wartung von Medizintechnik, höhere operative Effizienz und die Automatisierung administrativer Prozesse lassen sich deutliche Kosteneinsparungen realisieren.
- Digitale Prozesse im Klinikbetrieb: Die Digitalisierung medizinischer Akten, automatisierte Arbeitsabläufe und intelligentes Datenmanagement entlasten Ärzte und Pflegekräfte. Laut UnitedHealth-CEO Andrew Witty nutzen Pflegekräfte bereits generative KI zur schnelleren Dokumentenprüfung.
Das sind nur einige der Bereiche, in denen KI den Gesundheitssektor auf das nächste Level heben kann. KI wird in dem Sektor nicht nur die Produktivität erhöhen und die Entwicklungskosten senken, sondern auch die Innovationskraft im Sektor beschleunigen – insbesondere in Forschung & Entwicklung (F&E) sowie im Servicebereich. Gerade in einem Umfeld, in dem allgemeine Wachstumstreiber unter Druck geraten, bietet die Technologien dem Gesundheitssektor langfristig enormes Innovationspotenzial.
Von Inigo Fraser-Jenkins, Co-Head - Institutional Solutions bei AllianceBernstein
Weitere beliebte Meldungen: