EZB: Lagardes Optimismus täuscht über Inflationsrisiken hinweg

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen auf dem aktuellen Niveau belassen. Laut Sandra Rhouma, Vice President und European Economist im Fixed Income Team von AllianceBernstein, signalisiert der Rat damit zwar Kontinuität, blendet jedoch zunehmende Abwärtsrisiken aus. Die aktuellen Projektionen weisen auf eine hartnäckige Inflationsunterschreitung in den Jahren 2026 und 2027 hin, während die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert wurden. Rhouma hält daher eine weitere Zinssenkung im Dezember für wahrscheinlich, auch wenn die EZB ihre datenabhängige Haltung betont und die Hürden für zusätzliche Lockerungen hoch bleiben. AllianceBernstein | 12.09.2025 08:10 Uhr
Sandra Rhouma ist Vice President und European Economist im Fixed Income Team von AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein
Sandra Rhouma ist Vice President und European Economist im Fixed Income Team von AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein

Die Europäischen Währungshüter haben bei der heutigen Sitzung nicht überrascht und wie erwartet die Leitzinsen unverändert gelassen. Interessanter waren die Einschätzungen zu den neuen Projektionen – denn zwar bewertet die EZB die neuen Daten als weitgehend im Einklang mit denen vom Juni, allerdings wurde das Wachstum für 2026 nach unten korrigiert, und die Inflation liegt sowohl 2026 als auch 2027 unter dem Zielwert. Daher ist weiterhin mit einer weiteren Zinssenkung in diesem Jahr zu rechnen, wahrscheinlich im Dezember. Nach meiner Einschätzung dürften die Abwärtsrisiken überwiegen, diese werden sich in den kommenden Daten zeigen.

Zunehmende Risiken eines Inflations-Unterschreitens

Die September-Prognosen des EZB-Stabs sehen die Inflation 2026 bei 1,7 Prozent und 2027 bei 1,9 Prozent. Auch wenn das Unterschreiten des Ziels marginal erscheinen mag, deutet es dennoch auf eine hartnäckigere Entwicklung hin – zwei Jahre in Folge unterhalb des Zielwerts. Da sich der Euro voraussichtlich weiter aufwertet, das Wachstum enttäuscht und die Handelsströme insgesamt disinflationär wirken, wird die EZB die Risiken einer Unterschreitung nicht mehr lange ignorieren können. Der EZB-Rat kann zwar eine Liste potenzieller Aufwärtsrisiken für die Inflation vorlegen – etwa höhere deutsche Infrastrukturinvestitionen oder wetterbedingte Störungen –, doch deren Zeitpunkt und Umfang sind hochgradig unsicher. Präsidentin Lagarde erklärte selbstbewusst, der „Disinflationsprozess sei beendet“. Ich halte das für ein vorschnelles Fazit – sie könnte in den kommenden Monaten noch überrascht werden.

Risiken für das Wachstum bleiben bestehen

Was das Wachstum betrifft, sieht die EZB die Risiken derzeit ausgewogener. Da die handelspolitische Unsicherheit nachgelassen hat und Europa nicht mit Gegenzöllen reagiert, bewertet der Rat die Risiken als gleich verteilt. Allerdings sind die direkten Folgen von Zöllen und einer globalen Wachstumsschwäche noch nicht voll sichtbar und könnten die Risikobilanz wieder ins Negative kippen. Tatsächlich hat der EZB-Stab selbst das Wachstum für 2026 auf ein Prozent herabgestuft und für 2027 bei 1,3 Prozent belassen – Spielraum für zusätzliche Wachstumsimpulse ist damit begrenzt.

Eine weitere Zinssenkung ist wahrscheinlich – aber die Hürde ist hoch

Die EZB hat bereits fast alle Lockerungsschritte vollzogen, zusätzliche Senkungen erfordern daher überzeugendere Belege. Sie befindet sich zwar „an einem guten Punkt“, wie Präsidentin Lagarde oft betont, doch genau das bedeutet auch, dass bei Bedarf weitere Senkungen möglich und geboten wären. Ich gehe davon aus, dass die Daten bis zur Dezember-Sitzung ausreichend Argumente liefern werden. Allerdings muss man festhalten: Die letzten Reaktionen der EZB erhöhen das Risiko, dass es in diesem Jahr keine weiteren Senkungen gibt – insbesondere, da die mittelfristigen Unterschreitungsrisiken aus den eigenen Projektionen weiterhin ignoriert werden.

Von Sandra Rhouma, Vice President und European Economist im Fixed Income Team von AllianceBernstein

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