„Bei einem länger andauernden wirtschaftlichen Shutdown könnte sich die Rezession bis in das Jahr 2022 erstrecken“, schreibt Paul Doyle, Leiter europäische Aktien außerhalb Großbritanniens bei Columbia Threadneedle Investments, in einem aktuellen Kommentar. „Der erste Schock könnte sich rasch legen, es besteht jedoch das Risiko einer länger andauernden negativen Rückkopplung.“
Die Erholung wird Columbia Threadneedle zufolge von der medizinischen Entwicklung abhängen. Die Ausbreitung des Virus müsse verlangsamt oder gestoppt werden, damit die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden könnten und wieder eine gewisse wirtschaftliche Normalität zurückkehren könne. „Dies muss schnell geschehen, wenn sich der Abschwung nicht zu einer sich selbst verstärkenden Rezession ausweiten soll“, schreibt Doyle. „Werden die Ausgangsbeschränkungen aber zu früh komplett aufgehoben, dann könnten die Infektionszahlen wieder nach oben schnellen.“
In jedem Fall wird die Corona-Krise nach Ansicht von Columbia Threadneedle zahlreiche längerfristige Auswirkungen haben. Doyle: „Die Unterbrechungen der Lieferketten aufgrund der in China verhängten Ausgangsbeschränkungen untermauern die Einschätzung, dass die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer zu weit gegangen ist.“ Beispielsweise würden 80 Prozent der in den USA verabreichten Antibiotika in China hergestellt. „Wer auch immer der nächste US-Präsident wird, er wird unter enormem politischem und sozialem Druck stehen, das Offshoring wieder umzukehren.“ In Europa wurde das Schengen-Abkommen, mit dem ein System der offenen Grenzen begründet wurde, ausgesetzt. „Es ist nicht klar, wann die wiedereingeführten Grenzkontrollen aufgehoben werden, auch wenn die Freizügigkeit der Unionsbürger als Eckpfeiler der EU eingestuft wird. Die Regeln des Vertrags von Maastricht zur Haushaltsdisziplin wurden über den Haufen geworfen.“
Die steigenden Staatsschulden aufgrund umfangreicher fiskalischer Stützungsmaßnahmen sieht Columbia Threadneedle als Risiko. Die Haushaltsdefizite der Eurozone würden dieses Jahr zehn bis 13 Prozent des BIP betragen. Die Kombination aus höheren Ausgaben und sinkender Produktion werde das Verhältnis von Schulden zu BIP um 20 bis 40 Prozentpunkte steigen lassen. „Für Deutschland mit einer aktuellen Schuldenquote von 60 Prozent könnte dies noch vertretbar sein“, schreibt Doyle. „Für Italien wäre eine Schuldenquote von 170 Prozent oder mehr eine ernsthafte Gefahr.“