- Die Aktien- und Devisenmärkte bleiben angesichts der anhaltenden Unsicherheit um die Trump-Zölle volatil. Jedoch scheinen inzwischen Handelsabkommen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich, Europa und Japan im Gespräch zu sein.
- Der US-Exzeptionalismus könnte zu Ende sein. Doch obwohl die wirtschaftlichen Risiken gestiegen sind, rechnen wir nicht mit einer Rezession in den USA, sondern mit einer Stagflation. Zudem steigt die Unsicherheit weiter, insbesondere auch durch Trumps negativer Rhetorik gegenüber Jay Powell.
- Die Besorgnis über das Verbrauchervertrauen wächst, doch bleibt abzuwarten, ob dies das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt. Jede Verschlechterung könnte zu einer weiteren Abwärtsbewegung an den Märkten führen.
Schaden sich die USA mit ihrer Wirtschaftspolitik selbst? Das scheint momentan der Fall zu sein. Die Rezessionsrisiken sind eindeutig gestiegen, auch wenn das nicht unser Basisszenario ist. Anleger positionieren sich zunehmend defensiv, und auch die Umfragedaten sind extrem schwach. Das könnte sich als zu pessimistisch herausstellen, falls die Handelsgespräche positiv überraschen – vorausgesetzt natürlich, sie finden statt. Doch sogar China hat angedeutet, dass es für Gespräche offen ist, wenn die USA ein wenig mehr „Respekt“ zeigen.
Mit Vollgas in die Stagflation
Der US-Exzeptionalismus könnte allerdings zu Ende sein: Verbraucher haben ihre Ersparnisse aus der Covid‑19 Pandemie aufgebraucht, die Staatsausgaben sowie das Haushaltsdefizit rücken in den Vordergrund und das Vertrauen der Unternehmen ist schwach – was sie von Investitionen abhalten dürfte. All das geschieht vor dem Hintergrund einer enormen sowie weiterwachsenden Unsicherheit: Nun stellt Präsident Trump die Autorität des Vorsitzenden der Federal Reserve (Fed), Jay Powell, infrage und sucht offen nach Möglichkeiten, ihn zu entlassen. Die Zinspolitik wird er damit allerdings nicht ändern können: Aus juristischer Sicht haben wir hier ein regelrechtes Minenfeld, und Powell ist lediglich eins von zwölf stimmberechtigten Mitgliedern.
Wenn sich die USA also noch nicht in einer Rezession befinden, womit sollten Anleger stattdessen rechnen? Wir halten eine Stagflation vorerst für das wahrscheinlichste Ergebnis. Das bedeutet ein sehr langsames US-Wirtschaftswachstum von etwa 0,5 Prozent und eine Inflation zwischen 3,5 Prozent und 4,0 Prozent. Für die Arbeitslosigkeit rechnen wir dabei mit einem Anstieg von 4,2 Prozent auf eher 4,7 Prozent. In einem solchen Szenario dürfte sich die Fed darauf fokussieren, die Inflation im Zaum zu halten und die Inflationserwartungen zu verankern. Der Verlangsamung des Wachstums oder dem Anstieg der Arbeitslosigkeit dürfte sie dagegen weniger Bedeutung beimessen – schließlich lägen beide dann immer noch deutlich unter dem 30-Jahres-Durchschnitt.
Unternehmensgewinne sinken, der US-Verbraucher schwächelt
Wenn Trump die Zölle über einen längeren Zeitraum aufrechterhält, wird das die Unternehmensgewinne erheblich beeinträchtigen – derart sinkende Gewinnerwartungen hat der Markt bisher noch nicht eingepreist. Die Handels- und Investmentbanken haben ihre Jahresendprognosen für den S&P500 gesenkt – auch wenn sie für den Index immer noch 15 Prozent Gewinn bis zum Jahresende erwarten. Die Konsenserwartungen für Gewinne wurden dagegen bisher noch nicht nach unten angepasst. Für die Unternehmen sind konkrete Prognosen genauso schwierig, da sie ebenso wie wir über die Zölle im Unklaren sind.
Wir sorgen uns außerdem auch um den Motor der US-Wirtschaft – den Verbraucher. Hier ist die Stimmung über alle Einkommensstufen hinweg sehr gedrückt. Die Umfragedaten deuten darauf hin, dass sich diese irgendwann in harten Daten niederschlagen könnte. Die Zahlen des Conference Board-Index für Konsumentenvertrauen sind schwach und nähern sich einem Niveau, das wir zuletzt bei der Covid-19 Pandemie hatten. Auch die Umfrage der University of Michigan zeigt beinahe ein Allzeittief. Die Sorgen um die Beschäftigung sind so hoch, wie sonst nur in Rezessionen.
Es bleibt abzuwarten, ob die schwachen Daten auch eine wirtschaftliche Schwäche bedeuten – denn das ist nicht immer der Fall. Denn: Negative Nachrichten und Kursrückgänge an den Aktienmärkten verstärken die negative Stimmung. Die kommenden Veröffentlichungen der Wirtschaftsdaten und Unternehmensberichte werden aufregend, und wir werden die weitere Lage genau beobachten.
Ideologisch getriebene Selbstschädigung
Die Volatilität wird anhalten, da es an negativen Schlagzeilen auch weiterhin kaum mangeln dürfte und die Märkte unruhig bleiben. Die beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt leiten Maßnahmen ein, die den Handel zwischen ihnen praktisch zum Erliegen bringen. Der Rest der Welt sieht sich dagegen mit Unsicherheit konfrontiert und hegt die Hoffnung, die Auswirkungen der Zölle durch Verhandlungen abzumildern.
Schaden sich die USA mit ihrer Wirtschaftspolitik also selbst? Zweifellos. Das Land vollzieht einen ideologisch bedingten Akt der wirtschaftlichen Selbstschädigung, der die heimische Produktion ankurbeln und anderen Wirtschaftsmächten wie der Europäischen Union (EU) und China Schaden zufügen soll. Eine Rezession ist also durchaus möglich. Sobald an den Wirtschaftsdaten erkennbar wird, dass sich die schwachen Umfragewerte negativ auswirken, wird es wahrscheinlich zu weiteren Abwärtsbewegungen an den Märkten kommen – denn diese haben die Aussicht auf eine Rezession noch nicht vollständig eingepreist.
Von Anthony Willis, Investment Manager bei Columbia Threadneedle Investments