Polternde Populisten
Das Chaos um die Regierungsbildung in Italien hat tiefe Narben bei italienischen Staatsanleihen hinterlassen. Anfang Juni schossen die Renditen für 10-jährige Staatspapiere binnen weniger Tage von 1,7 bis auf über 3 Prozent in die Höhe. Auslöser waren die Ankündigungen der Wahlsieger der Parlamentswahl, der 5-Sterne-Bewegung und der Lega Nord, den Euro abschaffen und eine alternative Parallelwährung einführen zu wollen. Beide Parteien - obwohl zunächst nicht für regierungsfähig gehalten - haben in der kürzlich gebildeten Regierung unter Führung des parteilosen neuen Ministerpräsidenten Guiseppe Conte das größte Gewicht.
„Der Markt für italienische Staatsanleihen hat einen enormen Verlust an Glaubwürdigkeit erlitten. Es wird einige Zeit dauern, bis diese wiedererlangt werden kann. Damit internationale Investoren in den Markt zurückkehren, muss die Volatilität deutlich geringer werden“, kommentiert Peter de Coensel, CIO Fixed Income bei Degroof Petercam AM.
Wohin führt der Weg?
Für die weitere Entwicklung italienischer Staatsanleihen skizziert der Rentenexperte 3 Szenarien:
„Investorenvertrauen kehrt langsam zurück“
Ein Verlassen der Eurozone ist vom Tisch - Italien bekennt sich weiterhin zum Euro und zeigt sich konstruktiv in Bezug auf die Einhaltung der EU-Haushaltsziele. Das wirtschaftliche Momentum bleibt intakt und die Investoren fassen langsam wieder Vertrauen in den italienischen Bondmarkt. Die Spreads 10-jähriger Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen pendeln zwischen 150 und 175 Basispunkten.
„Investorenvertrauen bleibt fragil“
Die mehrheitlich populistische italienische Regierung stellt sich gegen die Fiskalpolitik der Europäischen Union. Eine Debatte über ein Verlassen des Euros wird dennoch nicht geführt. Das ökonomische Momentum Italiens bleibt ebenso wie das Investorenvertrauen fragil. Der Risikoaufschlag gegenüber Bundesanleihen liegt zwischen 250 und 300 Basispunkten.
„Investorenvertrauen kehrt nicht zurück“
Italien betreibt einen Konfrontationskurs gegen den Euro und die Europäische Gemeinschaft. Ohne Marktzugang stufen Rating-Agenturen das Land auf ‚Non-Investment-Grade‘ herab. Das ökonomische Momentum sowie das Vertrauen der Anleger ist verloren. Die Schuldenkrise ist zurück und die EZB könnte quantitative Maßnahmen erneut aufleben lassen. 10-jährige italienische Staatsanleihen rentieren bis zu 600 Basispunkte höher als entsprechende Bundesanleihen.
Wackliges 2018
„Wir gehen in unserer Grundannahme davon aus, dass der italienische Markt für Staatsanleihen im Laufe der nächsten Jahre einem Trend folgen wird, welcher von einer langsamen Rückkehr des Investorenvertrauens geprägt ist. Bis Ende 2018 wird die Unsicherheit jedoch noch sehr hoch bleiben. Bis dahin rechnen wir mit einem fragilen Investorenvertrauen, das Rückschläge verkraften muss. Bis Jahresende sollte der Spread gegenüber Bundesanleihen im Bereich zwischen 175 und 250 Basispunkten liegen. Ein Durchbruch für eine Entspannung der Situation könnte bereits im Oktober erfolgen. Dann hat die Regierung in Rom die Chance, eine verantwortungsbewusste Haushaltsplanung für 2019 vorzulegen“, sagt Peter de Coensel.
Kein neuer Zwist zwischen Peripherie- und Kernländern
Die Situation in Italien ist dem Rentenchef bei Degroof Petercam AM zufolge kein Beginn neuerlicher Auseinandersetzungen zwischen den Kernländern und den Staaten am Rande der EU. Das Fehlen struktureller Lösungen beim Flüchtlingsproblem treibt die populistischen Kräfte in weiten Teilen der europäischen Peripherieländer voran. Dies erhöht den Druck auf die Kernländer, die Situation ernst zu nehmen und die Randstaaten noch besser zu unterstützen.
„Italien könnte mit Blick auf strukturelle Lösungen zum Schutz der EU-Außengrenzen zum Katalysator werden. Finanzielle Zugeständnisse Richtung Rom – auch für die Umsetzung von Wahlversprechen - könnten daher auf der Hand liegen. Ministerpräsident Conte ist jedoch auch in der Pflicht für eine verantwortungsbewusste Politik in Sachen Steuern, Arbeit und Pensionen. Denn viele fundamentale Daten sprechen durchaus für Italien, wie Primärüberschuss, Handelsbilanz und reales Wachstum über die vergangenen zwei Jahre“, sagt Peter de Coensel.