Erste Anfänge einer Stagflation? Zu 20 Prozent...

DPAM | 11.10.2021 20:24 Uhr
Peter De Coensel, Member of the Management Board bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Im vergangenen Monat wurden wir vom kühlen Hauch der Stagflation gestreift. Die wichtigsten Aktienmarktindizes haben zwischen vier und fünf Prozent nachgegeben, Technologieaktien sogar zwischen sieben und zehn Prozent. Eine Kombination aus Nervosität vor der nächsten Gewinnsaison, Unsicherheit über die (globalen) Auswirkungen der sich ausbreitenden chinesischen Immobilienkrise auf das Wachstum und ein Renditeanstieg der 10-jährigen US-Staatsanleihen um 25 Basispunkte auf 1,46 Prozent haben die Stagflationsangst geschürt. Eine Befürchtung, die durch den Mangel an Diversifizierungsmöglichkeiten im Spannungsfeld zwischen Aktien und Anleihen noch verstärkt wird.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns in den ersten Anfängen einer Stagflation im Stil von 1970 befinden? Meine Schätzung liegt bei etwa 20 Prozent. Das bedeutet, dass eine längere Stagflationsdynamik zur Kategorie der Risikoszenarien gehört. Das Basisszenario von 80 Prozent deutet aber darauf hin, dass Wachstum durch ein kooperierendes fiskalisches und monetäres Zusammenspiel unterstützt wird.

Die Beschäftigungsbedingungen verbessern sich, es gibt kaum Anzeichen dafür, dass ein Stillstand bevorsteht. Während der Stagflationsphase in den 1970er Jahren verschlechterte sich die Lage auf den US-Arbeitsmärkten. Mitte 1975 erreichte die Arbeitslosigkeit einen Höchststand von etwa neun Prozent, und sie lag am Ende des Jahrzehnts immer noch zwischen vier und sechs Prozent. Mit der Globalisierung hat eine Rückverlagerung stattgefunden von der internationalen Ebene hin zu den nationalen Arbeitsmärkten. Dies hat die inländischen Beschäftigungsaussichten potenziell verbessert. Die fiskalische Unterstützung von Infrastrukturprojekten, die Stärkung des Gesundheits- und Sozialversicherungssystems und eine maßvolle Normalisierung des Körperschaftssteuersatzes dürften das reale Potenzialwachstum in den USA bei 1,8 % halten und die Arbeitslosigkeit bis 2023 in Richtung 3,5 % drücken. Der überaus wichtige Parameter der Gesamtfaktorproduktivität könnte sich im nächsten Jahrzehnt einpendeln. Ich denke an den von Peter Thiel in seinem Buch „Zero to One“ beschriebenen Rahmen. Darin heißt es, dass technologische, vertikale Durchbrüche von 0 auf 1 führen, während die Globalisierung von 1 auf n führt... den horizontalen Fortschritt durch das Kopieren bestehender Ideen in neue Anwendungen widerspiegelnd. Die verbleibende Variable in dieser Stagflationsdebatte bleibt die Inflation. Wird sie sich entkoppeln?

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Kommentars (4. Oktober) sind die marktbasierten langfristigen Inflationserwartungen mit 10-jährigen US-Breakeven-Renditen bei 2,38 % weiterhin stabil. In den Jahren des Wirtschaftsbooms zwischen 2004 und Anfang 2008 bewegte sich der Verbraucherpreisindex in den USA in einer Größenordnung zwischen drei und fünf Prozent. Damals erreichten die 10-jährigen US-Inflationserwartungen einen Höchststand von 2,78 %. Die Märkte werden ungeduldig werden, da sich die Debatte über den vorübergehenden Charakter der Inflation bis ins Jahr 2022 hinziehen wird. Die auf Umfragen basierenden 5- bis 10-jährigen US-Inflationserwartungen der Universität Michigan lagen am 1. Oktober bei 3,00 %. Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen die Engpässe auf der Angebotsseite als Instrument nutzen werden, das ihnen Raum und Zeit gibt, ihre Gewinne zu steigern, und zwar bis 2022, aber nicht darüber hinaus. So haben wir beispielsweise gesehen, wie sich ein im Jahr 2020 angeschlagener Energiesektor im Jahr 2021 in einen Gewinner verwandelt. Ein kurzfristiger „Klassiker“: Wenn sich die aufgestaute Nachfrage normalisiert, ist mit einem Abbau von Versorgungsengpässen zu rechnen.

Die bleibende Frage: Wie geht man mit einer Stagflationswahrscheinlichkeit von 20 % um? Eine elegante und rentable Lösung, die sich in den letzten zwölf Monaten innerhalb einer Gesamtanleihenallokation bewährt hat, ist eine angemessene Allokation in inflationsgebundenen Staatsanleihen und eine überzeugungsgebundene Allokation in hochverzinslichen Unternehmensanleihen. Diese Haltung sollte man über das Jahr 2022 beibehalten, um ein angemessenes Risiko-Ertrags-Verhältnis zu erzielen. Weniger attraktiv ist ein Exposure in Investment-Grade (IG)-Unternehmensanleihen, die nur noch über einen geringen Puffer an Kreditrisikoprämie verfügen, um einen Zinsanstieg zu verkraften, der über die in den Forwardsätzen eingepreisten Werte hinausgeht. Ein strategisches Exposure sollte immer mit einem Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren in Betracht gezogen werden. Taktisch gesehen erfordern IG-Unternehmensanleihen die Fähigkeit, die geringen Risikoprämien für sich zu erschließen.

Im Aktienbereich sind in einem Stagflationsumfeld Finanztitel der bevorzugte Sektor. Steigende Laufzeitprämien oder eine Versteilerung der Renditekurve kommen den Akteuren im Finanzsektor entgegen. Neben Finanzwerten können auch rohstofforientierte Geschäftsmodelle florieren. Die Top-Performer sind jedoch monopolistische Geschäftsmodelle. Diese gedeihen genau in jenem Moment, in dem Geschäftsmodelle, die unter dem Mantra des perfekten Wettbewerbs darum kämpfen, fit genug zu bleiben. Anleger, die sich in Aktien engagieren, die einem starken Wettbewerb ausgesetzt sind und versuchen, „kurzfristig“ geringe Margen aufrechtzuerhalten, könnten hinter den Aktienindizes zurückbleiben. Technologieunternehmen, die mit innovativen Lösungen, positiven Skaleneffekten und einem starken Markenimage aufwarten konnten, schnitten während Stagflationsphasen besser ab. Die Preissetzungsmacht war auf ihrer Seite. Vielleicht wird der Technologiesektor durch die Biotechnologie oder durch Sektoren ersetzt, die im Rahmen der Klimaanpassungspolitik florieren.

Nur zur Erinnerung und um auf einen Grundsatz bei Investitionen an den Anleihemärkten zurückzukommen: Ende März 2021 lag die 5-Jahres-Forward-Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen bei 2,90 %. Heute liegt dieser Schlüsselindikator bei 2,32 %. Wenn also Marktkommentatoren vor höheren 10-jährigen US-Renditen warnen, sollten ihre Vorhersagen anhand der heutigen Forwardsätze interpretiert werden. Panikmacher, die einen Anstieg der 10-jährigen US-Renditen auf 3,00 % vorhersagen, wollen uns also sagen, dass die 10-jährigen Renditen in 5 Jahren um etwa 70 Basispunkte höher sein werden als die heute eingepreisten 2,32 %. Darüber hinaus sollte man sich nicht nur auf die Nominalrenditen konzentrieren... die tiefere Wahrheit wird durch die 10-jährigen Realsätze erfasst. Seit Anfang 2021 lagen die 10-jährigen US-Realrenditen im Durchschnitt bei -0,97 %. Am 1. Oktober schlossen sie bei -0,90 %. Was hat sich in den letzten rund 20 Jahren getan? Nun, im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts lagen die 10-jährigen realen US-Renditen im Durchschnitt bei 1,96 %. Zwischen 2010 und 2019 lag der Durchschnitt bei +0,42 %. Seit Januar 2020 haben die Pandemie und die quantitativen Notprogramme der Zentralbanken diese Kennzahl auf durchschnittlich etwa -0,72 % gedrückt. Kernaussage: Die Pandemie hat die 10-jährigen Realrenditen vom positiven in den negativen Bereich gedrückt. Erwarten Sie, dass sich diese Episode fortsetzen wird. Negative langfristige Realrenditen sind da, um zu bleiben.

Zum Schluss möchte ich Anlegern mit einem Investmenthorizont von fünf bis sieben Jahren den Rat geben, eine überdurchschnittliche Allokation in Staatsanleihen von Schwellenländern in lokaler Währung beizubehalten. Der Sektor bietet je nach Risikoprofil Renditen zwischen 5,25 und 5,50 %. Sollte es zu einer Stagflation kommen, könnte dies dem Dollar schaden. Schwellenländer-Schuldtitel in lokaler Währung werden sich durchsetzen. Das Exposure in Nicht-Dollar-Anlagen war in den 70er Jahren ein wichtiger Bestandteil für realen Kapitalerhalt. Solche Momente an den Finanzmärkten erfordern viel Nachdenken und Reflektion, um das eigene Kapital zu schützen. Der zukünftige Weg der Wertentwicklung führt bergauf. Die richtige Vorbereitung darauf wird die Spreu vom Weizen trennen.

Peter De Coensel, Member of the Management Board bei DPAM

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