Als Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen übersetzt die EU-Taxonomie die Klima- und Umweltziele der Europäischen Union in Kriterien für bestimmte Wirtschaftstätigkeiten. Damit soll Anlegern und Unternehmen ein gemeinsames Verständnis dafür vermittelt werden, welche Wirtschaftstätigkeiten eindeutig als ökologisch nachhaltig betrachtet werden können. Auf diese Weise soll die EU-Taxonomie helfen, Kapitalflüsse stärker auf nachhaltige Investitionen auszurichten, die für die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft erforderlich sind.
Anleger, die diese Bemühungen durch eine stärkere Ausrichtung ihrer Portfolios auf die Taxonomie unterstützen wollen, stehen jedoch derzeit noch vor erheblichen Herausforderungen, meinen Bernhard Langer, Chief Investment Officer, Invesco Quantitative Strategies, und Elizabeth Gillam, Head of EU Government Relations and Public Policy bei Invesco. An erster Stelle verweisen sie auf einen erheblichen Anstieg des aktiven Risikos bzw. des Tracking Error im Vergleich zu marktbreiten Benchmarkindizes. „Das unterstreicht die Bedeutung einer robusten Portfoliokonstruktion für Portfolios mit Mindestvorgaben in Bezug auf die Taxonomiekonformität“, betont Langer.
Die Investmentexperten von Invesco haben Prozess und Ergebnisse der Taxonomie-Integration in Aktien- und Anleihenportfolios eingehend untersucht, um bessere Einblicke in die konkreten Herausforderungen für Anleger zu erhalten und mögliche Lösungsansätze zu entwickeln – zum Beispiel Screenings kundenspezifischer Anlageuniversen aus der Taxonomie-Perspektive oder Faktoransätze.
Aktuell stellt die begrenzte Datenverfügbarkeit noch eine Herausforderung dar, da sie erhebliche Schätzungen in Bezug auf die Taxonomiekonformität der Unternehmen erfordert. Wie die Invesco-Analyse zeigt, berichtet zudem bislang nur ein kleiner Teil der Unternehmen über eine signifikante Taxonomie-Ausrichtung. Die Invesco-Experten führen dies vor allem auf die enge Abgrenzung der aktuellen Umsetzungsphase zurück.
In ihrem Beispiel eines europäischen Aktienportfolios reduziert sich die Anzahl der Positionen bei einer Ausweitung der Taxonomiekonformität deutlich. Die Invesco-Experten beobachten einen linearen Rückgang der Anzahl der Positionen bei der Umstellung von einem breit aufgestellten, nicht taxonomiekonformen Portfolio auf ein Portfolio mit einer Taxonomie-Quote von 30%: Diese sinkt von fast 300 Titeln im Ausgangsportfolio auf etwa 75 Positionen. „Dies ist zu erwarten, da nur eine kleine Teilmenge des Universums - meist Unternehmen aus dem Bereich der sauberen Energien - eine signifikante Taxonomiekonformität aufweist“, so Langer.
Um den Schwerpunkt auf Unternehmen zu legen, die im Klimaschutz und in der Anpassung an den Klimawandel aktiv sind – sind nennenswerte Abweichungen von der Gewichtung nach der Marktkapitalisierung erforderlich. Das wiederum führt zu einem höheren Tracking Error gegenüber der Benchmark. Ein europäisches Aktienportfolio ohne Taxonomie-Ausrichtung weist einen minimalen Tracking Error von 0,17% gegenüber dem MSCI Europe auf. Durch die Erhöhung der Taxonomie-Anteils im Portfolio auf bis zu 30% steigt der Tracking Error fast linear auf über 6%.
Wie Gillam hervorhebt, erfordert eine stärkere Taxonomie-Ausrichtung von Aktienportfolios daher größere Spielräume in Bezug auf Abweichungen vom Markt und unerwünschte Risikofaktoren wie zum Beispiel aktive Branchen- und Sektorabweichungen von einem Referenzindex. Dabei haben vergleichbare Untersuchungen zu einem globalen, US-amerikanischen und Schwellenländer-Universum größtenteils sehr ähnliche Trends wie in Europa gezeigt. Der stärkste Anstieg des Tracking Error zeigte sich im US-Kontext. Den Invesco-Experten zufolge liegt dies daran, dass es sich um einen konzentrierteren Markt handelt und die größten Unternehmen - zum Beispiel Apple, Microsoft und Amazon - nur eine minimale Taxonomie-Ausrichtung aufweisen.
Versuche der Invesco-Experten, die Taxonomie-Ausrichtung eines Unternehmensanleihenportfolios zu erhöhen, kamen zu ähnlichen Ergebnissen wie die Versuche mit Aktienportfolios. Die Taxonomie-Ausrichtung des Bloomberg EUR Aggregate Corporate Index, der als Ausgangspunkt für diese Analyse verwendet wurde, beträgt lediglich rund 1,1%. Bei Wahrung der Maximalgewichtung einzelner Emittenten von 2% konnte eine Taxonomie-Quote von höchstens 9,4% erzielt werden. Eine darüber hinausgehende Taxonomie-Ausrichtung erforderte eine Lockerung der Maximalgewichtung einzelner Emittenten auf 3% für eine maximale Taxonomie-Quote von 14,0% und auf 4% für eine maximale Taxonomie-Quote von 18,7%.
Wie die Invesco-Analyse zeigt, führt eine höhere Taxonomie-Quote eines Unternehmensanleihenportfolios zu einer etwas höheren Duration des Portfolios. Außerdem ist eine Erhöhung der Taxonomie-Quote auf rund 4% mit einer Spreadausweitung von durchschnittlich 6 Basispunkten verbunden. Was die Kreditqualität angeht, erfordert eine höhere Taxonomie-Quote eine Umschichtung in Anleihen mit niedrigerem Rating.
„Der Versuch, ein Portfolio mit der EU-Taxonomie in Einklang zu bringen, würde zu deutlichen Abweichungen des Risiko-Rendite-Profils gegenüber dem Markt führen“, sagt Gillam. „Bei der Portfoliokonstruktion müssten die potenziellen Auswirkungen sorgfältig geprüft und berücksichtigt werden.“
Angesichts immer komplexerer regulatorischer Anforderungen in Verbindung mit einer deutlich besseren Verfügbarkeit von ESG-Daten sind die Investmentexperten von Invesco davon überzeugt, dass sich ein systematischer Investmentansatz am besten für eine ganzheitliche Portfoliokonstruktion unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien eignet. „Nur ein systematischer Ansatz, der mit unterschiedlichen Datensätzen und Beschränkungen umgehen kann, ist in der Lage, eine optimale Lösung zu liefern, die nicht vergütete Risiken meidet und zugleich sicherstellt, dass die finanziellen Ziele erreicht werden“, so Langer.