Das wenig berechenbare politische Umfeld und der ungewisse konjunkturelle Ausblick machen Anlegern weiter zu schaffen. Mit den schlimmsten wirtschaftlichen Szenarien muss jedoch nicht gerechnet werden, meint der Invesco-Stratege Paul Jackson mit Verweis auf die positive Impulse, die von den Zinssenkungen der Zentralbanken und steigenden Löhnen ausgehen. In diesem Umfeld könnten die anhaltende Marktvolatilität und Verunsicherung Chancen für umsichtige Anleger eröffnen, so der Global Head of Asset Allocation Research, Global Thought Leadership des Investmentmanagers.
Unter der neuen Administration habe die wirtschaftspolitische Unsicherheit in den USA zugenommen. Insbesondere die volatile Zollpolitik von Präsident Trump halte die Märkte weiterhin in Atem. Das Verbrauchervertrauen in den USA sei seit Dezember 2024 rückläufig und die Inflationserwartungen seien so hoch wie zuletzt 1981. Dies habe den privaten Konsum im ersten Quartal 2025 bereits gedämpft. Sollte sich die Stimmung nicht aufhellen, könnten die Verbraucher ihre Gürtel noch enger schnallen. Unterdessen stelle der prognostizierte weitere Anstieg der US-Staatsverschuldung ein Risiko für langfristige Staatsanleihen dar.
„Seit Trumps ‚Liberation Day‘ drängen sich pessimistische Szenarien für die US-Wirtschaft und US-Aktien auf. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Weltwirtschaft vor den Zollankündigungen an Dynamik zu gewinnen schien. Außerdem sind Phasen einer hohen Volatilität oft ein guter Kaufzeitpunkt und waren in der Vergangenheit häufig mit positiven Folgerenditen assoziiert“, so Jackson. Wie er feststellt, erreichte das „Angstbarometer“ der Wall Street, der VIX Index, am 9. April 2025 mit einem Stand von 58 ein Niveau, auf das in der Vergangenheit in den folgenden zwölf Monaten zumeist ein Anstieg des S&P 500 folgte.
Nach einer Phase hartnäckigen Preisdrucks hätten sinkende Rohstoffpreise der Inflation zu einer Rückkehr auf ihren Abwärtspfad verholfen. Dadurch werde es leichter für die Zentralbanken, ihre Geldpolitik zu lockern. Eine Ausnahme könne hier allerdings die Fed darstellen, die in einer Zwickmühle stecke, da die konjunkturelle Abschwächung in den USA mit einem kurzfristigen Anstieg der Inflation einhergehen könnte. Daher geht Jackson davon aus, dass die Fed die Zinsen zunächst stabil halten und dann rasch lockern wird, wenn die Wirtschaft an Fahrt verliert.
In diesem Umfeld favorisiert der Invesco-Experte in seiner Modell-Asset-Allokation einen ausgewogenen Mix von Bank Loans, Nicht-US-Aktien und Industrierohstoffen. Neben der geopolitischen Unsicherheit dämpfen die Bewertungen seinen Risikoappetit, da die Finanzmärkte seiner Ansicht nach bereits einen Großteil der guten Nachrichten eingepreist haben. Seine Renditeprognosen signalisieren jedoch eine leicht positive Vergütung für das Eingehen von Risiken – mit Ausnahme von US-Aktien und Gold.
Für attraktiv hält Jackson zum Beispiel chinesische Aktien. Trotz ihrer letztjährigen Rally seien diese immer noch ungewöhnlich günstig. Auch die Auswirkungen der Zölle auf die chinesische Binnenwirtschaft relativiert der Invesco-Experte: „China hat 2024 Waren im Wert von 0,8% seines BIP aus den USA importiert, während die US-Einfuhren aus China 1,5% des US-BIP ausmachten.“ Den japanischen Yen hält Jackson ebenfalls für deutlich günstiger als normal, während der US-Dollar teuer sei. Sollte der Yen aufwerten, könne dies das Aufwärtspotenzial japanischer Aktien begrenzen.
In Europa würden die höheren, teilweise schuldenfinanzierten Verteidigungsausgaben einen fiskalischen Impuls darstellen, der der Wirtschaft langfristig mehr Schwung verleihen werde - und zu steigenden Anleiherenditen führen könne. Vom Ausbau und der Vertiefung des europäischen militärisch-industriellen Komplexes könnten nicht nur die Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie profitieren, sondern auch andere Branchen wie das Bauwesen und die Investitionsgüterindustrie.
Jacksons Schätzungen zufolge entspricht das Finanzpaket der neuen deutschen Regierung auf Sicht der nächsten zehn Jahre einem jährlichen Ausgabenvolumen von etwa 2,5% des BIP von 2024. „Da die Erwerbstätigenbasis in Deutschland voraussichtlich weiter schrumpfen wird, wird sich dies kaum in einem zusätzlichen BIP-Wachstum von 2,5% niederschlagen“, meint er. „Selbst wenn das Wachstum des Pro-Kopf-BIP dem Durchschnitt seit 1995 entsprechen sollte, wird es für die deutsche Wirtschaft schwierig sein, durchgehend ein Wachstum von mehr als 1,0% bis 1,5% zu erzielen.“ Stattdessen könnten die höheren Ausgaben zu höheren Importen - und vielleicht einer höheren Inflation - führen, wovon europäische Nachbarn profitieren könnten.
Im Zinsbereich ist der Invesco-Experte in Staats- und Unternehmensanleihen aus Großbritannien und den Schwellenländern übergewichtet, ebenso in US-amerikanischen und europäischen Bank Loans. Immobilien - mit Ausnahme des US-amerikanischen und japanischen Marktes - sind in seiner Modell-Asset-Allokation ebenfalls übergewichtet, genauso wie Rohstoffe ohne Edelmetalle. Barmittel und Gold sind untergewichtet.
Jackson zufolge sind die Renditen von Anlagen mit kürzerer Duration – Barmitteln, CLOs und Bank Loans – derzeit relativ großzügig. Auf längere Sicht böten Anleihen mit längerer Duration jedoch tendenziell eine Risikoprämie. Von der jüngsten Versteilung der Zinskurve hätten länger laufende Anleihen nicht profitiert. Diese sei durch Bewegungen am kurzen Ende bedingt gewesen, während die Renditen am langen Ende relativ stabil geblieben seien. Daher hat Jackson seine Duration zuletzt von neutral auf übergewichtet erhöht.
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