Diese Woche erhalten wir die vorläufigen Schätzungen für das BIP-Wachstum im Euroraum im dritten Quartal sowie die Inflationsdaten für Oktober. Wir gehen davon aus, dass sich das BIP-Wachstum zwischen dem zweiten und dritten Quartal leicht verbessert hat. Dies ist insbesondere auf eine Erholung der Binnennachfrage und des Dienstleistungssektors zurückzuführen. Insgesamt wird für 2025 ein BIP-Wachstum von 1,3% und eine Inflation von etwas über dem Zielwert von 2,1% erwartet. Es ist der EZB insgesamt gelungen, was anderen großen Zentralbanken nicht gelungen ist: ein Wachstum nahe dem Potenzial und eine Inflation auf Zielniveau zu erreichen. Dies trägt zu der Einschätzung der europäischen Politik bei, dass die Arbeit getan sei, was wiederum die Gefahr der Selbstzufriedenheit mit sich bringt. Dies ist besonders besorgniserregend, wenn es um notwendige Reformen geht – sowohl auf Länderebene, beispielsweise in Deutschland, als auch auf EU-Ebene. Die Ambitionen der Politiker waren zu Beginn dieses Jahres hoch, scheinen nun aber nachzulassen.
Rückt eine Zinssenkung näher? Märkte erwarten nachlassende Inflationsdynamik
Die Märkte werden ihr Augenmerk insbesondere auf die Inflationsdaten für Oktober richten. Obwohl die Inflation dem Ziel bereits sehr nahe kommt, war sie im Aufwärtstrend und hat im September tatsächlich positiv überrascht. Dies hat zu der relativ restriktiven Haltung der EZB geführt, vorerst keine weiteren Zinssenkungen mehr vorzunehmen. Allerdings lässt die Inflationsdynamik nach und die Märkte sehen die Inflationsrisiken eindeutig auf der Abwärtsseite. Es besteht eine gute Chance, dass die Inflation im Jahr 2026 auf dem bisherigen Inflationsziel der EZB von „unter, aber nahe 2%” stagnieren wird. Laut Konsenserwartung wird sich die Inflation im Euroraum im Oktober deutlich verlangsamen. Sollte dies eintreten, könnte sich der Ton der EZB in Richtung weiterer Zinssenkungen verschieben – möglicherweise sogar schon im Dezember.
Während der jüngsten Phase nach der Corona-Krise und der Energieinflation konzentrierten sich die politischen Entscheidungsträger sehr stark auf die Gegenwart. Das mussten sie auch, denn die hohe Inflation drohte sich zu verfestigen und die Prognosen waren ungenau. Da die Inflation nun das Ziel erreicht hat, können die politischen Entscheidungsträger ihren Blick wieder über den Prognosehorizont hinaus richten. Echtzeitdaten werden erneut auf ihre Vorhersagekraft hinsichtlich künftiger Inflationstrends hin untersucht. Die Frage ist, ob die jüngsten Inflationszahlen eine Abkopplung der Inflation unter das nun symmetrische 2-%-Ziel der EZB signalisieren.
Von Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income
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