Die am Wochenende verkündete Einigung zwischen den USA und der EU auf ein Handelsabkommen, mit einem Einfuhrzoll von 15 Prozent auf EU-Waren, die in die USA eingeführt werden, beseitigt eine zentrale Unsicherheitsquelle für die Märkte. Zwischenzeitlich hatte es mehrfach den Anschein, dass ein längerer Handelskonflikt mit deutlich höheren Zöllen drohen könnte. Dieses Risiko ist nun – vorerst – vom Tisch. Zwar stehen noch weitere Zollentscheidungen an, insbesondere zu China, doch das Abkommen mit Europa erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich der effektive US-Zollsatz letztlich im Bereich von 15 bis 20 Prozent einpendeln wird und nicht bei den zwischenzeitlich befürchteten 25 Prozent oder mehr.
Wie unsere Analyse der Narrative zeigt, hatten Ankündigungen von Zöllen in den vergangenen neun Monaten nur punktuell Auswirkungen auf Währungs- und Aktienmärkte. Zuletzt wurden sie jedoch wieder zu einem stärkeren Treiber der Aktienmarktentwicklung. Da Aktienanteile in den Portfolios in unserem Datensatz bereits nahe an Rekordhöhen liegen, könnten weitere positive Nachrichten die Marktstimmung zusätzlich beflügeln. Auffällig ist, dass die ausländische Nachfrage nach US-Aktien im Vergleich zu anderen Regionen zuletzt nachgelassen hat. Das ist wenig überraschend, da die US-Zölle als Belastung für das globale Wachstum galten. Sollte sich diese Belastung nun als weniger gravierend herausstellen als seit April befürchtet, wäre das eine gute Nachricht für Volkswirtschaften außerhalb der USA.
Besonders Europa steht dabei im Fokus. Bereits bei der ersten Neubewertung der US-Sonderstellung im April gehörten europäische Aktien zu den Hauptprofiteuren: Anleger erhöhten ihre Allokationen sowohl in europäischen Aktien als auch in den Euro. Dennoch zögerten sie in beiden Fällen, in Übergewichtungen umzuschichten. Ein Grund für diese Zurückhaltung dürfte die Sorge vor einem Handelskrieg mit den USA gewesen sein. Dieses Risiko hatte den potenziellen Aufschwung der europäischen Wachstumserwartungen infolge größerer fiskalischer Impulse zunichte gemacht. Europa profitierte von verbesserten relativen Wachstumsaussichten und das vor allem, weil Europa im Gegensatz zu anderen Regionen von Abwärtskorrekturen der Wachstumserwartungen verschont blieb.
Da nun das Risiko eines Handelskriegs nachlässt und die EZB ihre Geldpolitik proaktiv auf neutral zurückgeführt hat, lautet die zentrale Frage, ob die Wachstumserwartungen für Europa nicht nur stabil bleiben, sondern sogar ansteigen werden. Die Antwort beginnt sich heute abzuzeichnen und wird voraussichtlich darüber entscheiden, ob Investoren bereit sind, Übergewichtungen in europäischen Anlagen und im Euro aufzubauen.
Von Michael Metcalfe, Head of Macro Strategy bei State Street Global Markets
Weitere beliebte Meldungen: