CIO Weekly | Setzen zu viele auf die Technologieriesen

In vielerlei Hinsicht sind US-Technologiewerte etwas Besonderes. Sie können aber nicht immer vorn liegen. Vielleicht sollte man nach Alternativen Ausschau halten. Neuberger Berman | 08.11.2023 11:52 Uhr
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Letzte Woche schloss der S&P 500 Index 10% unter seinem Hoch im Juli ab. Viel wurde über diese Korrektur geschrieben. Doch dann erholte sich der Index und machte seinem Verlust zur Hälfte wieder wett.

Diese Volatilität hat mehr mit Zinsschwankungen zu tun als mit Fundamentaldaten. Die amerikanische Zehnjahresrendite ist dieses Jahr von 3,5% auf 5% gestiegen, um dann wieder auf 4,5% zu fallen. Langfristig zählen aber die Unternehmensgewinne. Die Berichtssaison für das 3. Quartal ist zur Hälfte vorbei, und einige der größten und wichtigsten US-Unternehmen haben ihre Zahlen bereits vorgelegt. Wie stehen amerikanische Large Caps fundamental da?

Die „Magnificent Seven“

Betrachten wir dazu die „Magnificent Seven“, die den Index dieses Jahr bestimmt haben: Microsoft, Nvidia, Apple, Amazon, Meta, Tesla und Alphabet. Auf sie entfällt über ein Viertel der Marktkapitalisierung des S&P 500. Entsprechend wichtig sind Entwicklung und Bewertung dieser sieben Aktien für die Performance der nächsten Monate.

Die Magnificent Seven haben den übrigen Markt in der ersten Jahreshälfte 2023 deutlich hinter sich gelassen. Selbst nach der zweistelligen Korrektur seit August notieren sie im Schnitt noch immer beim 27-Fachen der erwarteten Gewinne. Das KGV des übrigen Index beträgt nur 16.

Zweifellos zählen die sieben Unternehmen in vielerlei Hinsicht zu den beeindruckendsten der Welt. Ihr Rekordwachstum rechtfertigt die hohen Bewertungen. Sechs der sieben Technologieriesen haben ihre Drittquartalszahlen schon vorgelegt, und Nvidia folgt am 21. November. Wie stehen sie da?

Gut bis durchschnittlich

Tesla steht aus unserer Sicht unter einem gewissen Druck. Mit einem KGV von 53 ist die Aktie teuer und berücksichtig kaum die wachsenden Risiken durch Kaufkraftverluste der Verbraucher und den Wettbewerb aus China. Im 3. Quartal wurden die Umsatz- und Gewinnerwartungen nicht erfüllt. Die Margen sind schon jetzt stark gefallen, und es ist oft von geplanten Preissenkungen die Rede.

Von den anderen sechs Unternehmen hört man aber gute bis durchschnittliche Nachrichten. Wir glauben, dass dies die Sorgen vor einer deutlichen Überbewertung abmildern.

Obwohl der Aktienkurs von Nvidia dieses Jahr um über 200% gestiegen ist, entspricht das KGV wegen des hohen Gewinnwachstums der KI-Sparte noch immer dem Durchschnitt der Magnificent Seven. Wir glauben, dass es Chancen und Risiken fair abbildet. 

Der andere große Gewinner des Jahres war Meta, mit bislang 160% Plus. Die Zweifel des Managements an den Werbeeinnahmen goutierte der Markt zwar nicht, aber die Drittquartalszahlen übertrafen die Erwartungen. Die Bewertung scheint uns angemessen, wenn Meta wie erwartet wächst und die Kosten senkt. Das KGV von Microsoft scheint ebenfalls nicht übertrieben, zumal das Unternehmen die Gewinnerwartungen erfüllt und sich die Cloudsparte erholt hat. 

Mit dem 20-Fachen der Gewinne halten wir auch Alphabet nicht für eindeutig überbewertet. Der Markt hat die Aktie abgestraft, weil Umsatz und Gewinne der Cloudsparte hinter den Erwartungen zurückblieben. Auch scheinen die Kostensenkungsbemühungen zunehmend bezweifelt zu werden. Wir sind allerdings weniger skeptisch und sehen bei Suchmaschinen wie bei YouTube weiteres Wachstumspotenzial. 

Amazon und Apple scheinen mit KGVs von 41 bzw. 27 hingegen teurer. In der Cloudsparte steht Amazon vor den gleichen Herausforderungen wie Alphabet, äußert sich aber jetzt optimistischer. Für neues Wachstum könnten auch Investitionen sorgen, vor allem im Werbebereich. Und so wenig es die Investoren schätzen, dass die Umsätze von Apple vier Quartale in Folge gefallen sind und es keine Anzeichen für eine Wende noch in diesem Jahr gibt, so klar hat das Unternehmen die Umsatz- und Gewinnprognosen übertroffen. Apple legte gute Zahlen für die margenstarke Dienstleistungssparte vor und teilte mit, dass die iPhone-Sparte wieder wächst.

Zu hoch gewichtet

Das Problem amerikanischer Technologiewerte sind also nicht etwa übertriebene Bewertungen bei allmählich nachlassenden Fundamentaldaten.

Das Problem ist eher, dass die Bewertungen wahrscheinlich angemessen bis hoch sind und die Titel wegen ihrer etwa 30% Anteil am S&P 500 Index in vielen Portfolios strukturell zu hoch gewichtet sind. Das spricht gegen ein anhaltendes Kursmomentum. Natürlich sind auch 2024 wieder Mehrerträge denkbar, aber eine Dominanz wie dieses Jahr dürfte sich kaum wiederholen. Bei anderen Aktien sind fallende KGVs unwahrscheinlicher, vor allem wenn der Zinsausblick unsicher bleibt.

Deshalb ist Vorsicht ist geboten. Auf den ersten Blick erscheinen die Gewinne der S&P-500-Unternehmen stabil. Für 2023 werden jetzt etwa 220 US-Dollar je Aktie erwartet, ein leichter Zuwachs gegenüber 2022. Nachdem gut die Hälfte der Unternehmen ihre Drittquartalszahlen vorgelegt hat, spricht viel dafür, dass die Indexgewinne erstmals seit zwölf Monaten wieder höher sind als vor einem Jahr.

Doch unter der Oberfläche sieht es anders aus. Die Margen sind jetzt das siebte Quartal in Folge gefallen. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Umsatzerwartungen übertreffen, ist so niedrig wie zuletzt 2015; Umsatz- und Gewinnausblicke werden schwächer. Angesichts der Bewertungssorgen überrascht es nicht, dass der Markt Firmen jetzt stärker abstraft, wenn sie die Erwartungen verfehlen.

Deshalb sollten Investoren nach Large Caps Ausschau halten, die es in puncto Qualität mit den Magnificent Seven aufnehmen können, aber günstiger bewertet sind. Weil so viel Geld in Technologieriesen investiert wurde, sind das unserer Ansicht nach gar nicht wenige.

Lange verschmähte Small Caps

Wir fragen uns auch, ob man nicht vielleicht Small Caps wiederentdecken sollte. Vor einer Woche mag sich der S&P- 500-Index kurzzeitig in der Korrektur befunden haben. Aber wer im Juni gekauft hat, liegt noch immer im Plus. Der Russell 2000 Index hatte seinen Höchststand hingegen schon vor zwei Jahren erreicht und ist seitdem um etwa ein Drittel gefallen. Heute notiert er so niedrig wie im November 2020, als erstmals von einem wirksamen Corona-Impfstoff die Rede war. 

Diese Woche legen wir Solving for 2024 vor, unsere traditionelle Liste der zehn Thesen die im neuen Jahr wichtig werden könnten. Eines davon ist „Günstige Aktien holen auf.” Wir glauben, dass „bei enttäuschendem Wachstum oder weiter steigenden Kapitalkosten Aktien, die zuletzt eher pessimistisch eingeschätzt wurden (wie Small Caps), Titel hinter sich lassen, deren hohe Bewertungen nur bei einer perfekten Entwicklung gerechtfertigt sind.“ 

Man sollte das im Blick behalten. Im Abschwung bieten sich Small Caps zwar nicht unbedingt an, doch sie sind jetzt sehr günstig bewertet, sodass sie vielleicht einen Puffer bieten. 

Wenn jetzt ähnliche Verluste anfallen wie im Median der Rezessionen seit 1990, würde der S&P-500-Technologieindex mehr als doppelt so stark fallen wie der Russell 2000. Allerdings arbeiten über 40% der Russell-2000-Unternehmen zurzeit nicht rentabel. Mit aktiven Anlagen in amerikanische Small Caps und einem Fokus auf Qualität kann man sich daher vielleicht noch stärker vor Verlusten schützen. Laut FTSE Russell notieren die rentablen Unternehmen des Index im Schnitt zurzeit beim 13-Fachen ihrer Gewinne. 

Die Aussichten auf weniger Wachstum, eine hartnäckige Inflation und anhaltend hohe Zinsen verlangen unserer Ansicht nach, dass man bei Aktien auf Gewinnqualität und stabile Geschäftsmodelle und auf eher pessimistische statt auf sehr optimistische Bewertungen achten muss. Wir glauben, dass viele der diesjährigen Gewinner hier Probleme bekommen könnten. Small Caps scheinen allmählich wieder attraktiv. Hier sehen wir Chancen, wenn sich Inflation, Zinsen und Wachstum stabilisieren.

Von Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman

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