Der Januar war ein ereignisreicher Start ins neue Jahr.
Auf die niedrigeren Anleihenrenditen und Zinserwartungen zum Jahresende folgte ein drastischer Anstieg, der aber der guten Stimmung an den Aktienmärkten keinen Abbruch tat. Die Lage im Nahen Osten wurde noch schwieriger, und Chinas Immobilienkrise machte wieder Schlagzeilen, ebenso wie die Probleme der amerikanischen Regionalbanken. Dennoch blieb das Wirtschaftswachstum auf beiden Seiten des Atlantiks stabil, und die Inflation ging weiter zurück.
Wir glauben, dass der letzte Monat viele Einschätzungen in unserem Asset Allocation Committee Outlook für das 1. Quartal bestätigt hat. Nach knapp zwei Wochen voller wichtiger Konjunkturdaten und anderer Ereignisse geben wir Ihnen ein Update. Lesen Sie, was die jüngsten Entwicklungen für unsere Einschätzungen bedeuten.
Weiche Landung in Sicht
Bis Ende 2023 legten die Aktienkurse meist zu, wenn mit stärkeren Leitzinssenkungen gerechnet wurde, und umgekehrt.
Im Januar änderte sich das. Letzte Woche stieg der S&P 500 Index erstmals über 4.900, und der STOXX Europe 600 erreichte wieder sein altes Allzeithoch. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der Fed noch im März (die Ende 2023 noch als sicher galt) nach dem Arbeitsmarktbericht vom letzten Freitag nur noch auf knapp 20% geschätzt.
Vielleicht liegt das daran, dass immer mehr Konjunkturdaten für eine weiche Landung sprechen und viele Investoren jetzt vor allem den guten Wachstumsausblick und weniger die Inflationsrisiken wahrnehmen.
In den letzten elf Tagen hat der Internationale Währungsfonds seine Weltwirtschaftsprognose für 2024 angehoben, und in den USA hat das BIP-Wachstum die Erwartungen der Volkswirte im 4. Quartal stark übertroffen. Ob Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe, Arbeitsmarktbericht oder offene Stellen – die US-Zahlen waren überraschend gut, und der Konsumklimaindex des Conference Board stieg auf ein Zweijahreshoch. Selbst der Euroraum ist trotz mäßiger Konjunktur einer Rezession entgangen. Zugleich bewegten sich wichtige Inflationsindikatoren in den USA wie im Euroraum wieder in Richtung ihrer Zielwerte.
Geldpolitik
Hinzu kam Neues von den Notenbanken.
Jerome Powells klare Äußerungen vom Mittwoch beschleunigten den Rückgang der Zinssenkungserwartungen. Der Notenbankchef ließ keinen Zweifel daran, dass eine Zinssenkung im März aus seiner Sicht zu früh käme. Einen Tag später äußerte sich die Bank of England ähnlich.
Die Marktteilnehmer deuteten die jüngsten Aussagen der Europäischen Zentralbank als etwas milder und erwarten für den Euroraum jetzt eine Zinssenkung im April. Monatelang hatte die EZB als die restriktivere Notenbank gegolten. Jetzt könnte eine Konvergenz eingesetzt haben.
Unterdessen berichtete die jüngste Summary of Opinions der Bank of Japan von Diskussionen über ein Ende der achtjährigen Negativzinspolitik.
Der erste schwache Tag des Jahres
Zwei Ereignisse in der letzten Woche haben uns aber erneut gezeigt, wie wichtig die Zinsentwicklung ist.
Da war zunächst die Nachricht, dass das US-Finanzministerium für das erste Halbjahr eine deutlich geringere Kreditaufnahme erwartet als von den Investoren vermutet. Wegen der wachsenden Zweifel an der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen bewegen solche Ankündigungen den Markt immer mehr. Wie schon im letzten November war man auch diesmal durchaus erleichtert.
Weniger erfreulich war aber, dass die Aktie der New York Community Bancorp, die letztes Jahr die gescheiterte Signature Bank übernommen hatte, am Mittwoch mit fast 50% Verlust eröffnete. Das Institut hatte hohe Verluste bei Gewerbeimmobilienkrediten in Aussicht gestellt. Einige Stunden später geriet auch die japanische Aozora Bank unter Druck. Auch sie berichtete über Verluste bei US-Immobilien.
Die Kombination aus einer vorsichtigen Fed und neuen Zweifeln an amerikanischen Immobilien und Banken ließ die Kurse am letzten Handelstag des Januar erstmals in diesem Jahr kräftig fallen.
Gewinne von Technologieunternehmen, China und der Nahe Osten
Und als ob das noch nicht genug wäre, brachte die letzte Woche weitere Quartalszahlen wichtiger US-Unternehmen, neue Schlagzeilen aus China und Berichte über zunehmende Spannungen im Nahen Osten.
Microsoft, Alphabet, Apple, Amazon und Meta – ein Viertel des S&P 500 Index – legten Zahlen vor. Microsoft, Alphabet und Apple übertrafen die Analystenerwartungen zwar etwas, aber die Investoren reagierten weiterhin skeptisch: Wenn sie mit einer perfekten Welt rechnen, können selbst kleinste Enttäuschungen erhebliche Verluste auslösen. Amazon und Meta hielten sich besser, allerdings schienen hier vor allem Kostensenkungspläne und Kapitaldisziplin Eindruck zu machen. Das galt vor allem für Metas verstärkte Aktienrückkäufe und die erste Dividende überhaupt.
China war volatil, weil die Liquidation des krisengeplagten Immobilienentwicklers Evergrande angeordnet wurde. Als die Behörden die Märkte zu stützen begannen, fiel die chinesische Zehnjahresrendite auf den tiefsten Wert seit Jahrzehnten.
Und dann ließen auch noch die Angriffe auf Handelsschiffe und US-Soldaten im Nahen Osten Frachtraten und Ölpreise steigen. Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran nahmen zu.
Prognostiziert, passiert
In unserem Asset Allocation Committee Outlook für das 1. Quartal rechneten wir mit einem nachlassenden, aber stabilen nominalen Wachstum, einer fallenden Inflation und einer allmählich wieder expansiveren Geldpolitik.
Wegen der Aussicht auf eine weiche Landung und lockerere Finanzbedingungen gaben wir die Übergewichtung von Geldmarktanlagen auf, vor allem zugunsten kurz- bis mittelfristiger Investmentgrade-Credits. Immer mehr spricht dafür, dass der Januar nach dem Renditeanstieg ein guter Monat war, um sich höhere Renditen zu sichern.
Wegen der weltpolitischen Lage und des Risikos eines stärkeren Abschwungs blieben wir bei Aktien insgesamt neutral, und wegen der hohen Bewertungen sind wir vor allem bei amerikanischen Large Caps vorsichtig. Wir halten aber zunehmend Ausschau nach Chancen in anderen, günstiger bewerteten Marktsegmenten. Das gilt vor allem für kleinere Unternehmen und Japan. Im Abschnitt zu den Emerging Markets äußerten wir uns vor allem zu China zurückhaltend, und Japan hatte den besten Jahresbeginn, an den man sich erinnern kann. Nach den keineswegs überragenden Zahlen von fünf der „Magnificent Seven“ könnten sich unsere Aktienmarkteinschätzungen in den nächsten Wochen weiter bestätigen.
Schließlich haben wir auch Rohstoffe wieder übergewichtet, auch, um uns gegen wachsende weltpolitische Risiken abzusichern.
Oft heißt es, der Januar gebe den Märkten den Takt für das ganze Jahr vor. Die Vergangenheit bestätigt das nicht. Trotzdem glauben wir, dass die ersten vier Wochen des Jahres 2024 unseren 6- bis 18-Monats-Ausblick bestätigen.
Von Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman