CIO Weekly | Credit-Chancen durch Fusionen und Übernahmen

Die Spreads sind eng und die Volatilität ist niedrig. Wenn jetzt wieder mehr Fusionen und Übernahmen stattfinden, winken Alphachancen bei Credits. Neuberger Berman | 06.03.2024 11:31 Uhr
Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Wie sich die Zinsen entwickeln, mag unsicher sein, aber man ist sich weitgehend einig, dass sie fallen. Die Credit-Spreads sind eng und die Volatilität ist niedrig – weil das Wirtschaftswachstum noch immer stabil ist und die meisten Unternehmen finanziell gut dastehen.

Kürzlich schrieben wir, dass deshalb zurzeit Angebot und Nachfrage die Anleihenmärkte mehr bewegen als die Fundamentaldaten. Auch ein Grund weshalb wir uns vor einigen Wochen bereits mit Asset-Backed Securities befasst haben, wo starke technische Kräfte für attraktive Bewertungen sorgen.

Diese Woche geht es um Fusionen und Übernahmen. Es heißt, dass dazu oft risikoreiches Fremdkapital begeben werde, das Credit-Investoren nicht sehr schätzten. Die Realität dürfte aber komplexer sein, zumal zurzeit viele strategische Übernahmen stattfinden – und nicht nur Buyouts mit einer hohen Fremdkapitalquote.

Wir meinen, dass die erneute technische Volatilität und die absehbare Annäherung der Kurse an die Fundamentaldaten am zurzeit ruhigen Credit-Markt für Chancen sorgen können.

Zeitenwende

2023 gab es fast keine Fusionen und Übernahmen. In den USA war das Volumen gemessen an Benchmark-Aktienindizes so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr, schreibt McKinsey.

Ein Grund dafür war das knappe Fremdkapital. Es wurde immer teurer, vor allem für Unternehmen mit Private-Equity-Sponsoren. Größere Unternehmen wiederum wollten ihre Aktionäre nicht erschrecken, da Rezessionen prognostiziert wurden und die Zinsen stiegen. Außerdem fürchteten sie strengere Regulierungsvorschriften und eine konsequentere Wettbewerbsaufsicht.

Einige dieser Faktoren lassen jetzt nach. Da die Leitzinsen wohl nicht weiter steigen, vergleichen manche Unternehmen die Fremdkapitalkosten nicht mehr mit denen von vor fünf, sondern von vor 15 Jahren. Dann erscheinen sie nicht übermäßig hoch, vor allem angesichts ihrer stabilen Finanzen. Die Rezessionssorgen haben nachgelassen. Weil die Regulierung nach den US-Wahlen im November weiter gelockert werden könnte, fürchten manche Unternehmen, zu spät zu kommen, wenn sie jetzt nicht erste Gespräche mit potenziellen Partnern führen.

Außerdem helfen die steigenden Kurse, wenn man ein Übernahmeziel mit eigenen Aktien bezahlen will. Die schwache Weltwirtschaft erschwert organisches Wachstum und weitere Effizienzgewinne könnten schwierig werden: Die guten Unternehmensfinanzen haben nämlich auch viel mit früheren Kostensenkungen, einer konservativen Investitionspolitik und dem Wunsch nach stabilen Margen zu tun. Wir glauben daher, dass viele Unternehmen nur durch Fusionen und Übernahmen ihren Marktanteil und ihre Gewinne deutlich steigern können.

An den Credit-Märkten kommt es demnach zu einer Zeitenwende. Im Januar und Februar wurden für 356 Milliarden US-Dollar Investmentgrade-Anleihen begeben, ein neuer Rekord. Laut S&P Leveraged Commentary & Data entfielen rund 15% davon auf Fusionen und Übernahmen.

Deal-Finanzierung

Credit-Investoren sind eigentlich keine klassischen Fans von Fusionen und Übernahmen. Gerade bei Fremdfinanzierungen sind wir oft skeptisch, weil der Verschuldungsgrad dann häufig kräftig steigt.

Aber so einfach ist es nicht. Als aktive Credit-Manager interessieren wir uns für Entwicklungen, die zu einer Konsolidierung eines Sektors führen. Außerdem achten wir darauf, wie die einzelnen Übernahmen finanziert und das Fremdkapital wieder abgebaut werden soll. Dann beurteilen wir die Auswirkungen einer bestimmten Transaktion auf die Kreditwürdigkeit.

Für die meisten Übernahmen der letzten Zeit gab es unserer Ansicht nach vier Motive: Wachstum, Kostensenkungen bzw. Größenvorteile, die Reaktion auf aufsichtsrechtliche Änderungen und die Reaktion auf grundlegende Veränderungen einer Branche.

Wenn Unternehmen gemeinsam stärker sind – durch mehr Rentabilität und höhere Cashflows – hat das oft viel mit Kostensenkungen zu tun. Das war in der letzten Zeit vor allem bei Fusionen und Übernahmen in den Sektoren Metalle und Bergbau, Chemie, Energie und Einzelhandel der Fall.

Emittenten, die auf strengere Regulierungen oder Branchenveränderungen reagieren, halten wir für risikoreicher, weil sie mit sektorspezifischen Herausforderungen zu tun haben. Das gilt etwa im Finanzsektor (z.B. bei der Konsolidierung amerikanischer Regionalbanken) und im Kabelfernsehen- und Mediensektor (wo der „Streamingkrieg“ zum Handeln zwingt).

Pläne zum Schuldenabbau

Mehr Wachstum – aus unserer Sicht der wichtigste Grund für die derzeitigen Fusionen und Übernahmen und vor allem in den Sektoren Lebensmittel und Getränke, Konsumgüter, Einzelhandel, Energie, Technologie und Gesundheit ein wesentliches Motiv – kann zu höheren Kreditrisiken führen, wenn sehr viel Fremdkapital emittiert werden muss oder gar eine Herabstufung droht.

Wegen der hohen Aktienkurse der Übernehmer wurden zuletzt aber sehr viele Deals mit Aktien finanziert – vor allem, aber nicht nur, in den Sektoren Technologie und Energie. Unserer Ansicht nach können Credit-Investoren hier Wachstumschancen ohne die Risiken einer hohen Verschuldung nutzen.

Und selbst Transaktionen, bei denen sehr viel neues Fremdkapital aufgenommen wird, können attraktiv sein. Wenn ein Unternehmen im Zuge einer Fusion oder Übernahme zusätzliches Fremdkapital aufnimmt, können die Coupons der neuen Anleihen höher sein. Vielleicht fallen auch die Bewertungen der Altanleihen, sodass hier attraktive Einstiegsmöglichkeiten für Credits von Qualitätsunternehmen entstehen.

Stets müssen wir als aktive Manager die Plausibilität und Umsetzbarkeit der Maßnahmen prüfen, mit denen die Emittenten Synergien erzielen, höheren Cashflow erwirtschaften und am Ende Schulden abbauen wollen. Außerdem müssen wir die Ausführungsrisiken im Blick behalten. Erfordert beispielsweise der Abbau der Schulden, mit dem die Übernahme finanziert wurde, den Verkauf einer Geschäftssparte am Private-Equity-Markt? 2015 und während der internationalen Finanzkrise haben wir gesehen, dass dieser Markt sehr schnell austrocknen kann und Verkäufe dann nur mit sehr großen Abschlägen möglich sind. Dann steigen die Risiken und wir schätzen die Credits völlig anders ein.

Portfolios differenzieren

Fassen wir zusammen: Wir sehen ein Comeback von Fusionen und Übernahmen und glauben, dass es das ganze Jahr anhält.

Jede Transaktion verändert die fundamentale Kreditqualität sowohl des übernehmenden wie des übernommenen Unternehmens und macht die Dinge komplizierter. Oft verändern sich Angebot und Nachfrage nach den Anleihen des Übernehmers.

In Zeiten wie diesen mit engen Spreads, geringer Volatilität und einem hohen Konsens an den Credit-Märkten gehen wir aber davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen die Portfoliodifferenzierung erleichtern und Mehrertrag wahrscheinlicher machen.

Von Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman

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