CIO Weekly | Infrastruktur – die Basis von allem

Neuberger Berman | 05.06.2024 13:46 Uhr
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Gerade erst schrieb Erik Knutzen, CIO Multi-Asset, an dieser Stelle, dass wirtschaftliche und politische Langfristentwicklungen für Anleger wichtiger seien als die Auswirkungen einzelner Wahlen oder weltpolitischer Ereignisse.

Unsere Anleihen-CIOs Brad Tank und Ashok Bhatia schrieben wiederum, dass das langfristige Zins- und Inflationsniveau wichtiger sei als der Weg dorthin. Er könnte alles andere als stetig sein, je nachdem, wie reaktive, datenorientierte Notenbanken die letzten Konjunkturzahlen bewerten. Das Ziel – weniger Inflation als letztes Jahr, aber wohl mehr als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre – scheint uns hingegen wesentlich klarer und berechenbarer.

Doch wer auf strukturelle Entwicklungen achtet, statt zu versuchen, Geschäftsklima, Zinsen und Politik zu erraten, macht es sich nicht unbedingt einfacher. Immer wieder werden neue Megatrends ausgerufen – von der Energiewende bis zur Fragmentierung des Welthandels, von der Rückkehr der Inflation bis zum Internet der Dinge. All das kratzt aber nur an der Oberfläche.

Gibt es ein übergreifendes Thema – oder besser, eine Anlagechance, die alles zusammenführt? Wir meinen, ja. Das Zauberwort heißt Infrastruktur.

Diversifikation, Nearshoring, Friendshoring, Reshoring …

Das Wort sagt es bereits: Infrastruktur ist die Voraussetzung für alle Teile der Wirtschaft: Ohne Brücken, Straßen, Tunnel, Elektrizitätsnetze, Krankenhäuser, Schulen, Datenzentren und Häfen geht nichts. Was auch immer die großen Wirtschafts- und Anlagethemen der nächsten Generation sein werden und wie komplex sie im Einzelnen sein mögen – sie alle benötigen Infrastruktur.

Nehmen wir ein Thema, um das es auch in unseren beiden letzten Jahresausblicken Lösungen für 2023 und Lösungen für 2024 ging, wenn auch nicht in exakt gleicher Form. 2023 schrieben wir sehr konkret über „mehr Deglobalisierung“. Es ging um weltweite Lieferstörungen durch Kriege und Konflikte und um Unternehmen, die nach Corona ihre Risiken neu einschätzten. Ende 2023 glaubten wir, dass die Regierungen den Konsum nicht mehr fördern und stattdessen, wie ich schrieb, „Finanzmittel direkt der Industrie zukommen lassen (würden), vor allem, wenn es der Sicherheit dient“.

Beides hilft uns zu erklären, warum Unternehmen zugleich diversifizieren und Teile der Produktion in ihr Heimatland oder dessen Nähe zurückholen – Stichworte Nearshoring, Friendshoring und Reshoring. Stets geht es um mehr Stabilität, und stets reagiert man auf politische Risiken und Anreize.

Häfen und die sie tragende Logistikinfrastruktur verändern sich daher stark. Wenn die Grenzen undurchlässiger werden und die Zölle steigen, werden Technologien für einen effizienteren und kostengünstigeren Warenumschlag wichtiger. Und wenn Nearshoring und Friendshoring die Handelswege verändern, müssen manche Häfen und ihre Infrastruktur modernisiert werden.

Reshoring wird, wie Erik Knutzen schrieb, für immer mehr Politiker zu einem wichtigen Thema. Oft bedeutet es mehr, als nur im Inland neue Fabriken zu bauen. Neue Fabriken brauchen wiederum mehr Kraftwerke sowie Logistik- und Transportinfrastruktur, um rentabel und effizient arbeiten zu können. Und damit diese Infrastruktur auch umweltfreundlich ist, muss in die Energiewende investiert werden, in Erdgas, erneuerbare Energien und die Elektrifizierung.

Megatrends

Diese Beispiele zeigen, dass bei Infrastrukturinvestitionen viele Megatrends zusammenlaufen: Deglobalisierung, zunehmende (welt-)politische Risiken, die Rückverlagerung des verarbeitenden Gewerbes in die alten Industrieländer, die Energiewende und die Elektrifizierung der Wirtschaft. Das senkt die Anlagerisiken: Wenn ein Megatrend endet oder ausläuft, bleiben die anderen bestehen.

Betrachten wir auch einen neuen potenziellen Megatrend, den viele Aktieninvestoren im letzten Jahr verpasst haben: Künstliche Intelligenz (KI).

Wer in KI-Aktien bislang nicht übergewichtet war, könnte Trost darin finden, dass wohl auch andere Sektoren von der Künstlichen Intelligenz profitieren werden. Für alle, die aber schon in Telekommunikationsinfrastruktur und Datenzentren investiert haben – um Themen wie Konnektivitätsfortschritte, Mobilität der nächsten Generation, Internet der Dinge, Big Data, Robotik und Automatisierung abzudecken – ist KI einfach nur ein weiterer Wachstumsfaktor.

Sicherheit, Stabilität und Protektionismus

Im Grunde schafft Infrastruktur seit 200 Jahren die Voraussetzungen für die Industriegesellschaft. Aber sie hat auch viel mit den wichtigsten Investmentthemen unserer Zeit zu tun.

Infrastrukturanlagen können defensiv sein, wenn es sich um Sachwerte mit regulierten und inflationsgeschützten Erträgen handelt. Sie können aber auch sehr wachstumsorientiert sein. Das ist etwa bei neuen und komplexen Aktiva der Fall, ohne die wichtige Megatrends nicht denkbar wären. Möglich ist auch beides zugleich: Wir leben in einer Zeit, in der Versorger zu wichtigen Ermöglichern neuer Technologien werden.

Vielleicht am wichtigsten könnte aber sein, dass Infrastruktur in all ihren Formen von einer der zentralen politischen und wirtschaftlichen Tendenzen unserer Zeit profitiert: der Rückkehr von „Big Government“, von hohen Ausgaben und Interventionen zur Förderung von Versorgungssicherheit und Stabilität und von neuen Handelsschranken. Damit all das der Wirtschaft nicht zu sehr schadet, sind hohe strategische Investitionen in eine neue und bessere Infrastruktur nötig, ob börsennotiert oder nicht.

Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman

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