Die EZB wird in dieser Woche an ihrem daten- und sitzungsbasierten Ansatz festhalten und damit das Szenario für die Finanzmarktzinsen bestätigen. Die Währungshüter haben zwar auf ihrer Sitzung im Juni erstmals eine Senkung der Leitzinsen beschlossen, dennoch haben sie aufgrund der aktualisierten Inflationsaussichten für das kommende Jahr eine restriktive Haltung in ihrer Erklärung signalisiert. Die Anhebung der Inflationsprognosen deutet darauf hin, dass sich die Zentralbanker Zeit nehmen wollen, um die Inflationsentwicklung bis zur nächsten Prognose im September zu beobachten. Daher ist davon auszugehen, dass die EZB ihre Geldpolitik bis dahin nicht ändern wird.
Kerninflation könnte im Herbst unter EZB-Erwartung fallen
Nach dem Anstieg im Mai und der anschließenden Stabilisierung im Juni erwarten wir eine Rückkehr zum Abwärtstrend bei der Kerninflation im Euroraum. Dabei bleibt die Entwicklung des Lohnwachstums das wichtigste Kriterium für die inländische Inflation und damit für die Kernrate. Im ersten Quartal stiegen die Löhne und Gehälter mit +4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich über den von der EZB festgelegten Schwellenwert von drei Prozent. Getragen wurde diese Entwicklung vor allem von Deutschland. Zwar warten wir aktuell noch auf die Zahlen für das zweite Quartal, einige Frühindikatoren deuten jedoch darauf hin, dass der Lohnanstieg im Euroraum auf einem stabilen Niveau geblieben ist. Darüber hinaus dürfte die anhaltende Nachfrageschwäche der privaten Haushalte auch die Kerninflationsrate unter Druck setzen. Diese könnte nach dem Sommer durchaus auch unter die Erwartungen der EZB fallen. Was die Währungshüter zu mindestens zwei Zinssenkungen in diesem Jahr ermutigen könnte.
Da die Märkte mit einer möglichen Zinssenkung im September rechnen, ist es wichtig, dass die EZB Klarheit über die Kriterien für eine weitere Zinssenkung schafft. Dies wird dem Markt helfen, seine Erwartungen effektiv zu steuern, was angesichts der zunehmenden globalen Unsicherheiten, wie beispielsweise auch in den USA, schwierig ist.
Von Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei Neuberger Berman