Was für Aktien zurzeit die massiven Umschichtungen von Mega Caps in kleinere Unternehmen sind, ist für Anleihen die ausgeprägte Normalisierung der zuletzt beispiellos inversen amerikanischen Zinsstrukturkurve.
Wir glauben, dass beides bis zum Jahresende anhält, da die Inflation weiter nachlässt, die Wachstumserwartungen fallen und Zinssenkungen wahrscheinlicher werden.
Was bedeutet das für unseren Anleihenmarktausblick in den nächsten fünf Monaten?
Längere Duration
Zunächst einmal setzen wir auf eine etwas längere Duration – erstmals seit Jahresbeginn, als die Anleger aufhörten, mit schnellen Zinssenkungen zu rechnen.
Wegen der inversen Zinsstrukturkurve, der hartnäckigen Inflation, des stabilen Wachstums, der zunehmenden Zweifel an der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen und der steigenden Laufzeitprämien hielten wir daraufhin mittlere Laufzeiten von zwei und sieben Jahren für interessant. Bei längerlaufenden Titeln waren wir hingegen zurückhaltend.
Grundsätzlich hat sich daran nichts geändert, doch neigen wir aufgrund der fallenden Inflation jetzt eher zu sieben als zu zwei Jahren.
Vorsicht bei Unternehmensanleihen
Zweitens sind wir bei Unternehmensanleihen heute zurückhaltender, nachdem wir zu Jahresbeginn und in der gesamten ersten Jahreshälfte die weiteren Spreads sehr interessant fanden.
Eine steilere (bzw. weniger inverse) Zinsstrukturkurve ist für Credits meist nicht gut. Wird sie steiler, weil die Langfristrenditen schneller als die Kurzfristzinsen steigen, nehmen die Finanzierungskosten der Unternehmen zu. Ist der Grund aber wie zurzeit ein schnellerer Rückgang der Kurzfristzinsen als der Langfristrenditen, liegt das meist daran, dass Investoren einen unmittelbar bevorstehenden Abschwung befürchten.
Um es klar zu sagen: Wir rechnen nicht mit einer schrumpfenden Wirtschaft und schon gar nicht mit einer Rezession – und wir glauben, dass viel Anleger die noch immer recht hohen Gesamtrenditen nach wie vor attraktiv finden. Aber auch bei einem nur geringfügig schwächeren Wachstum dürften die High-Yield-Spreads steigen, zumal sie zurzeit so eng sind wie seit 17 Jahren nicht mehr.
Die engen Spreads sind auch der Grund dafür, dass wir trotz steigender Small-Cap-Kurse Credits zurückhaltend sehen. Am High-Yield-Markt scheint man zurzeit viel zu optimistisch, während Small Caps nach der Mega-Cap-Manie der letzten zwölf Monate so bewertet sind, als stünde eine Rezession bevor.
Verbriefungen: Qualität und günstige Bewertungen
Halten wir auch irgendwelche Märkte für günstig bewertet?
Ja, und zwar vor allem Verbriefungen, für die wir schon das ganze Jahr über zuversichtlich sind. Darüber schrieben wir in den Perspectives ebenso wie im aktuellen Fixed Income Investment Outlook.
Als sich die Anleger allmählich mit anhaltend hohen Leitzinsen abfanden, schienen Collateralized Loan Obligations (CLOs) und Loans aus zwei Gründen besonders attraktiv. Zum einen rechneten wir wegen ihrer variablen Verzinsung mit einem hohen Carry, zum anderen schien uns der hohe Rang von Loans in der Kapitalstruktur (vor klassischen Unternehmensanleihen) Sicherheit zu bieten, wenn anhaltend hohe Zinsen den Emittenten Probleme machen. Das galt vor allem bei einer Übergewichtung von Qualitätstiteln.
Wir halten hochwertige Verbriefungen noch immer für interessant, wenn das Wirtschaftsumfeld jetzt schwieriger wird.
Aus ganz ähnlichen Gründen schätzen wir auch Agency-Anleihen. Hier spielen aber auch die wenigen Neuemissionen aufgrund des stagnierenden US-Immobilienmarkts eine Rolle.
Wenn man bei Anleihen noch stärker auf Value setzen will, scheinen uns Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS) zunehmend attraktiv. Weil Leitzinssenkungen sicherer werden, dürften sich die Fundamentaldaten der Hypothekenschuldner verbessern, was CMBS voraussichtlich stabilisiert. Die derzeitigen Bewertungsabschläge federn einen möglichen Wachstumsrückgang ab. Die Papiere könnten daher in den nächsten Monaten für Value-Investoren interessant werden, zumal die Markttechnik ebenfalls zur Stabilisierung beitragen könnte.
Weiche Landung
Ein Großteil der Marktbewegungen in den letzten zwei oder drei Wochen wurde mit der höheren Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung erklärt.
Als eine niedrige und nachlassende Inflation das Hauptthema war, ging es weniger um die Landung selbst als darum, dass sie „weich“ werden würde. Das erklärte die gute Performance von Small Caps. Jetzt rücken das nachlassende Wachstum, Gewinnenttäuschungen und der Ausverkauf von Large Caps in den Blickpunkt. Anleger müssen erkennen, dass auch eine weiche Landung eine Landung ist.
Als Anleihenexperten glauben wir, dass dies für eine etwas längere Duration spricht, für Vorsicht bei Kreditrisiken und für eine leichte Übergewichtung von hochwertigen Verbriefungen einschließlich günstig bewerteter CMBS.
Von Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman