CIO Weekly | Deutschland: Alles neu nach der Wahl?

Nach dem Sieg von Friedrich Merz bei der Bundestagswahl muss in Deutschland jetzt alles ganz schnell gehen. Sogar die verfassungsmäßige Schuldenbremse steht zur Disposition. Neuberger Berman | 05.03.2025 11:23 Uhr

Diese Woche stammen die CIO Weekly Perspectives von den Gastautoren Patrick Barbe und Maximilian Korell.

Mit 82,5% war die Wahlbeteiligung so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Angesichts der stagnierenden Wirtschaft, des Aufstiegs der extremen Rechten, des möglichen Endes des Ukrainekrieges – und vielleicht auch der 80-jährigen Sicherheitspartnerschaft mit den USA – wussten die Wähler, was auf dem Spiel steht.

Die ersten Äußerungen des designierten Bundeskanzlers zu Koalitionen und Staatsausgaben lassen vermuten, dass auch er sich des Ernsts der Lage bewusst ist.

Nach dem Sieg von Friedrich Merz bei der Bundestagswahl muss in Deutschland jetzt alles ganz schnell gehen. Sogar die verfassungsmäßige Schuldenbremse steht zur Disposition.

Diese Woche stammen unsere CIO Weekly Perspectives von den Gastautoren Patrick Barbe und Maximilian Korell.

Mit 82,5% war die Wahlbeteiligung so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Angesichts der stagnierenden Wirtschaft, des Aufstiegs der extremen Rechten, des möglichen Endes des Ukrainekrieges – und vielleicht auch der 80-jährigen Sicherheitspartnerschaft mit den USA – wussten die Wähler, was auf dem Spiel steht.

Die ersten Äußerungen des designierten Bundeskanzlers zu Koalitionen und Staatsausgaben lassen vermuten, dass auch er sich des Ernsts der Lage bewusst ist.

Der Markt hat bereits reagiert: Der Euro ist gestiegen, europäische Aktien und vor allem deutsche Verteidigungstitel haben zugelegt, und trotz des jüngsten Rückgangs der amerikanischen 10-Jahres-Anleihen fielen die Bundesanleihenrenditen nicht. Vielleicht reagierten die Märkte aber dennoch weniger stark als nach den Schlagzeilen erhofft.

Gibt es also Zweifel daran, dass sich mit den Wahlen wirklich etwas ändert? Oder warten Anleger einfach nur ab, bis mehr Klarheit herrscht?

Große Koalition

Das Wahlergebnis hat den Markt wohl auf dem falschen Fuß erwischt. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) hat ihren Stimmenanteil zwar verdoppelt, aber viele Anleger scheinen mit einem noch stärkeren Zuwachs gerechnet zu haben. Außerdem schien man an den Märkten davon auszugehen, dass mindestens zwei oder drei kleine Parteien die 5%-Hürde nehmen und damit in den Bundestag einziehen. Am Ende schaffte es nur Die Linke.

Das ist nicht unwichtig, weil Merz’ CDU/CSU zusammen mit den Sozialdemokraten (SPD) dadurch die Mehrheit hat. Bei der Steuer- und Ausgabenpolitik liegen sie nicht unbedingt auf einer Linie, aber eine Große Koalition der beiden Parteien der Mitte ist wahrscheinlich am unproblematischsten und ermöglicht schnell größere Reformen.

Merz hat konstruktive, gute und zügige Verhandlungen mit der SPD versprochen. Dem Vernehmen nach ist eine rasche Einigung auf ein weiteres, 200 Milliarden Euro schweres Verteidigungs-Sondervermögen möglich, noch bevor der Koalitionsvertrag unterschrieben wird. Das wäre sehr viel mehr als die 100 Millionen Euro, die die alte Mehrheit 2022 beschlossen hatte. Wenn das Sondervermögen scheitert, wird die neue Regierung, wenn sie im Amt ist, wohl die Ausnahmeklausel der EU-Haushaltsregeln in Anspruch nehmen. Dann kann sie unter Verweis auf die stagnierende Wirtschaft mehr Geld ausgeben.

Das erklärt auch den Mehrertrag deutscher Verteidigungswerte und den Minderertrag lang laufender deutscher Staatsanleihen. Aber warum reagierten die Kurse nicht stärker?

Schuldenbremse

Wirklich glücklich wären europäische Investoren, wenn Deutschland die Schuldenbremse abschaffte, jene Grundgesetzergänzung von 2009, die das jährliche strukturelle Haushaltsdefizit auf 0,35% des BIP begrenzt.

Das erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also die Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken. Nur einen Tag nach der Wahl sorgte Merz aber für einige Unruhe mit dem Hinweis, dass der Bundestag jederzeit beschlussfähig sei. CDU/CSU, SPD und Grüne könnten die Schuldenbremse noch mit ihrer Zweidrittelmehrheit im alten Bundestag ändern, der bis zum 24. März gewählt ist.

Das wäre zwar ungewöhnlich und ist auch nicht sehr wahrscheinlich, aber allein der Hinweis darauf zeigt, wie wichtig Merz eine lockerere Fiskalpolitik ist. Alle vier Parteien sind sich einig, dass der Investitionsstau im Land mehr Flexibilität erfordert. Die Linke scheint allerdings gegen Mehrausgaben ausschließlich für die Verteidigung zu sein. Wenn aber auch mehr Geld für Soziales und Infrastruktur bereitgestellt wird, könnte sie einer Lockerung der Schuldenbremse zustimmen.

Eine Änderung scheint also so nah wie nie zuvor. Aber noch ist sie nicht ausgemacht.

Partnerschaft für mehr Wachstum

Am Anleihenmarkt achtet man nach wie vor vor allem auf die EZB und weniger auf die deutsche Politik. Dass die deutsche Zinsstrukturkurve zuletzt steiler wurde, lag vor allem an fallenden Kurzfristzinsen und nicht an steigenden Landfristrenditen. Großen Teilen der europäischen Wirtschaft und vor allem dem französischen Dienstleistungssektor droht schließlich noch immer eine Stagnation.

Anfang Februar hat die EZB ihre neuen Schätzungen des neutralen Leitzinses veröffentlicht. Demnach könnten die Zinsen noch um weitere 50 bis 100 Basispunkte gesenkt werden. Am Markt erwartet man schon für die Ratssitzung in dieser Woche die erste Senkung um 25 Basispunkte. Wir glauben aber, dass vor allem die neuen Konjunkturprognosen der EZB die Märkte bewegen werden, in die die wichtigen Lohndaten von Dezember und Januar einfließen. Auch die Äußerungen von EZB-Chefin Christine Lagarde zur Bundestagswahl spielen eine Rolle.

Eine große Koalition in Deutschland unter Führung des Europäers Friedrich Merz kann einer ukraine- und wachstumsfreundlichen Partnerschaft mit Emmanuel Macron in Frankreich, Giorgia Meloni in Italien und Ursula von der Leyen in der Europäischen Kommission den Weg bereiten. Sie könnte für den dringend nötigen Fiskalimpuls sorgen, gerade jetzt, wo sowohl Frankreich als auch Italien sparen müssen.

Wenn die EZB deshalb bald nicht mehr eine lockere, sondern eine neutrale Geldpolitik in Aussicht stellt, könnten der Euro aufwerten und die deutschen Anleihenrenditen deutlich steigen.

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