Die Volatilität der Finanzmärkte ist ein Zeichen einer sich wandelnden Welt, die sich zunehmend von einer globalisierten Wirtschaft hin zur Regionalisierung bewegt. Verantwortlich dafür ist eine Vielzahl von Ereignissen, die mehr oder minder zufällig aufeinandergefolgt sind. Die Börsen stehen daher im Bann zunehmender geopolitischer Spannungen – wie zuletzt das Aufflammen des Konflikts zwischen Iran und Israel – sowie wirtschaftlicher Unsicherheiten und reagieren sprunghaft. Themen wie der von den USA entfachte Handelskrieg und mögliche Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine sind zentral. Sie sind Ausdruck einer zunehmenden Fragmentierung der Weltordnung, die den Fokus von globaler Effizienz auf regionale Resilienz verschoben hat. Diese Entwicklungen beeinflussen Inflation, Zinsen und Wirtschaftswachstum erheblich. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick darauf, wie sich diese geopolitischen und wirtschaftlichen Faktoren auf die Märkte auswirken. Wir diskutieren, welche Anlagestrategien in dieser herausfordernden Zeit sinnvoll sind und wie eine kluge Portfoliostruktur helfen kann, Chancen zu nutzen und Risiken geschickt zu managen.
Zerrissene Lieferketten
Ausgangspunkt für die sich wandelnden Verhältnisse war die Covid-Pandemie, die den Güter- und Warenverkehr zum Erliegen brachte und die Lieferketten nachhaltig störte. Zwei Jahre später kam der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hinzu. Beide Ereignisse machten die Verwobenheit der globalen Lieferketten deutlich und vor allem die Folgen, wenn dieses Netz zerstört wird: Inflation, Nearshoring, Neuausrichtung von Geschäftsmodellen. Gerade als diese Folgen und die Inflation wieder abflauten, sorgte US-Präsident Trump mit seiner anachronistischen „America-first“-Politik und der Einführung von Zöllen gegenüber fast allen Handelspartnern für einen neuen Schub an Inflation und Unsicherheit. Und in diesem Stadium befinden wir uns nun im Jahr 2025: Geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheiten prägen die globale Landschaft und fordern unsere Anpassungsfähigkeit heraus. Zölle könnten die Inflation weiter antreiben, und erwartete Zinssenkungen könnten weiterhin ausbleiben. Auf die US-Staatsverschuldung haben die im Raum stehenden Zolltarife wohl nur geringe positive Auswirkungen; sie machen gerade einmal 2,7% der Staatseinnahmen aus. Der Schuldenstand der USA wird sich so weiterhin de facto ungebremst in immer besorgniserregendere Höhen entwickeln.
Emanzipiert sich die EU?
Ein Hoffnungsschimmer wären mögliche Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine, die Stabilität und Vertrauen in die Märkte zurückbringen könnten. Inwieweit die Zollpolitik Trumps die globale Wirtschaft weiter beeinflussen wird, bleibt abzuwarten. Man sollte sich jedoch nicht darauf verlassen, dass alle Handelshemmnisse durch Verhandlungen oder Moratorien aufgehoben werden. Ein Basiszollsatz von 10% ist derzeit bereits Realität – im Vergleich zu 2–3% in den vergangenen Jahren. Derzeit scheinen die Importeure in die USA diese Zölle durch niedrigere Preise abzufedern; mittelfristig dürften die höheren Preise jedoch auch an die US-Konsumenten weitergegeben werden.
In Europa öffnen Investitionsprogramme Türen für wirtschaftliches Wachstum, und der europäische Aktienmarkt könnte davon profitieren. Die Vision einer Spar- und Investitionsunion der EU ist angesichts der aktuellen geopolitischen Veränderungen, Klimaherausforderungen und technologischen Fortschritte wichtiger denn je. Anpassungsfähigkeit und strategische Weitsicht sind entscheidend, um in einer Welt im Wandel Risiken zu managen und Chancen zu nutzen. Es wird vor allem Mut seitens der EU und neue Instrumente brauchen, um unabhängig von den USA als Akteur auf der Weltbühne aufzutreten.
Unsere Investmentstrategie
Unsere Investmentstrategie ist darauf ausgelegt, flexibel auf diese Herausforderungen zu reagieren. Wir setzen verstärkt auf europäische Märkte, da sie derzeit attraktivere Bewertungen bieten. Dabei bevorzugen wir defensive Titel aus Sektoren wie Basiskonsumgüter und Versorger, die in turbulenten Zeiten tendenziell Stabilität bieten können. Infrastrukturprojekte versprechen langfristige Vorteile für Industrie- und Rohstoffwerte. Die Gewichtung der großen US-Techunternehmen haben wir etwas reduziert, da die Risiken die Chancen übersteigen.
Unser Anleihenportfolio fokussiert sich auf EUR-Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, die Stabilität und moderate Risiken bieten. Wir erwarten bei einem Portfolio mit ausgeglichener Aktien-/Anleihenquote eine jährliche Rendite von 5,4% über einen Zeitraum von 5–10 Jahren. Die Rendite von 100% Aktien beträgt derzeit 7,6%, wobei Kurs- und Renditeveränderungen aufgrund von Marktschwankungen jederzeit möglich sind. Interessanter Fakt: Bei einer jährlichen Rendite von 7,2% würde sich das Portfolio in 10 Jahren verdoppeln. Gold und Private Equity – nur für geeignete Anleger – bieten zusätzliche Diversifikationsmöglichkeiten. Beides spielt auch bei uns in der Kathrein eine wichtige Rolle.
Von Stefan Neubauer, Member of the Management Board, Kathrein Privatbank AG
Weitere beliebte Meldungen:
Disclaimer
Diese Information stellt eine Marktübersicht und die Investmentstrategie der Kathrein basierend auf deren Marktmeinung dar. Sie beinhaltet keine direkte oder indirekte Empfehlung für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder einer Anlagestrategie.
Bei der Anlage in Wertpapiere sind Kursschwankungen aufgrund von Marktveränderungen jederzeit möglich. Angaben und Darstellungen der Wertentwicklung mit Bezug auf die Vergangenheit lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf zukünftige Ergebnisse zu.