EU-Anleihen: Zwischen ambitionierter Finanzpolitik und struktureller Realität
In einer aktuellen Einschätzung analysieren Dr. Florian Späte und Martin Wolburg, Senior Economists bei Generali Investments, die anhaltenden Hürden für eine breitere institutionelle Akzeptanz von EU-Anleihen. Trotz wachsender Emissionstätigkeit und wachsender Marktpräsenz bleibt die EU im Kapitalmarkt weiterhin in einer Grauzone zwischen nationalen Staatsanleihen und supranationalen Emittenten. Der zentrale Grund: "Die begrenzten Eigenmittel der EU – rund 1 % des BIP – verhindern bislang eine Einordnung auf Augenhöhe mit staatlichen Emittenten", so Späte.
Im ersten Halbjahr 2025 hat die EU laut Finanzierungsplan bereits Bruttoemissionen von rund 90 Milliarden Euro vorgenommen, im zweiten Halbjahr sollen weitere 70 Milliarden folgen. Dennoch bleibt ein entscheidender Unterschied zu klassischen Staatsanleihen bestehen: Der überwiegende Teil der EU-Anleihen ist zweckgebunden, etwa im Rahmen von Programmen wie NextGenerationEU oder RePowerEU, und damit weniger flexibel einsetzbar.
Indexanbieter bleiben vorerst skeptisch
Ein weiterer Hemmschuh: die fehlende Aufnahme in führende Staatsanleihenindizes. 2024 lehnten große Anbieter wie MSCI, Bloomberg und ICE die Klassifizierung von EU-Bonds als Staatsanleihen ab – nicht zuletzt, weil es unter Investoren bislang keine einheitliche Sichtweise gibt. Zwar plant MSCI, seine Kriterien in den kommenden Jahren zu überprüfen, doch die strukturellen Voraussetzungen bleiben aus Sicht der Generali-Ökonomen unzureichend.
„Die Einführung eines EU-Anleihefutures im September sowie steigende Handelsvolumina sprechen zwar für eine zunehmende Marktrelevanz, aber die fiskalischen Grundlagen müssen ebenfalls stimmen“, betont Wolburg. Solange die EU weder über eine umfassende Fiskalhoheit noch über die politische Einigung zu dauerhaften gemeinschaftlichen Schuldtiteln verfüge, sei mit einer Aufnahme in relevante Indizes nicht zu rechnen.
Politische Integration als Voraussetzung für Aufstieg
Die Experten von Generali Investments kommen daher zu dem Schluss: EU-Anleihen sind aktuell ein Sonderfall – weder eindeutig staatlich noch supranational. Erst wenn eine tiefgreifendere fiskalpolitische Integration erreicht werde, könnte sich dies ändern. „Eine politische Einigung über die dauerhafte Emission vergemeinschafteter Schuldtitel wäre ein Wendepunkt“, so Späte. Dann könnte die EU tatsächlich als souveräne Einheit im Anleihemarkt wahrgenommen werden – mit entsprechenden Konsequenzen für Investoren, Ratings und Indexzugehörigkeit.
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