- „Bewertungen europäischer Finanzwerte bleiben im Vergleich zu ihren US-Pendants attraktiv“
- „Die Kapitalqualität europäischer Institute ist solide“
- „Wichtig bleibt jedoch eine sorgfältige Titelauswahl“
Der globale Finanzsektor hat im vergangenen Jahr von höheren Zinsen, stabilem Wirtschaftswachstum und soliden Finanzmärkten profitiert.
Die Geschäftsmodelle funktionieren gut, die Kreditbücher sind von hoher Qualität und die Kreditnachfrage ist stark. Die Banken sind besser kapitalisiert, sie generieren Cash und geben diesen an Anleger weiter – was die Aktienkurse stützt.
Allerdings ist es wichtig, bei Finanzinvestments selektiv vorzugehen, wie die prominenten Zusammenbrüche von Credit Suisse und der Silicon Valley Bank im Jahr 2023 deutlich gemacht haben. Dennoch bin ich zuversichtlich, was den Ausblick für den Sektor betrifft. Bei Banken mit aktiven Handelsgeschäften hat die durch Präsident Trumps Wirtschafts- und Handelspolitik ausgelöste Volatilität zusätzliche Chancen eröffnet und die Ertragsströme im Kapitalmarktgeschäft verstärkt.
Der KBW Nasdaq Bank Index, der große US-Finanzinstitute abbildet, stieg bis Ende September dieses Jahres um 19,6%, verglichen mit einem Plus von 13,6% beim S&P 500. Kleinere Banken entwickelten sich hingegen schwächer: Der KBW Nasdaq Regional Banking Index legte im selben Zeitraum nur um 1,4% zu.¹
In Europa sind Bankaktien auf Niveaus gestiegen, die zuletzt vor der Finanzkrise 2008 erreicht wurden. Der Stoxx 600 Banking Index stieg bis Ende September um 46,5% – die beste Performance unter den 20 Sektoren des Index.²
Chancen in Europa
Die Bewertungen europäischer Finanzwerte bleiben im Vergleich zu ihren US-Pendants attraktiv. Höhere langfristige Zinsen haben das Zinsergebnis – ein zentraler Profitabilitätstreiber – gestärkt. Es beschreibt die Differenz zwischen den Einnahmen aus Krediten und den Ausgaben für Einlagenzinsen.
Wir sehen die überzeugendsten Chancen bei ausgewählten europäischen Banken, insbesondere in Ländern wie dem Vereinigten Königreich, der Schweiz, Italien und Spanien. Die Bewertungen sind weiterhin günstiger als in anderen Sektoren, und ich erwarte anhaltend hohe Kapitalrückflüsse über Dividenden und Aktienrückkäufe.
Die Kapitalqualität europäischer Institute ist solide: Die durchschnittlichen CET1-Quoten (Kernkapitalquote) liegen im mittleren zweistelligen Bereich, und in den nächsten zwei Jahren wird ein gesundes Wachstum beim operativen Ergebnis vor Risikovorsorge erwartet. Obwohl wir uns spät im Konjunkturzyklus befinden, zeigen die Managementteams Disziplin: Sie vermeiden übermäßige Verschuldung, setzen auf vernünftiges Kreditwachstum und optimieren den Kapitaleinsatz. Die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank – derzeit zwar pausiert – wurden gut gemanagt. Das Zinsergebnis dürfte im zweiten Halbjahr 2025 seinen Tiefpunkt erreichen.
Folgen der Zinssenkungen der Fed
In den USA hat die Federal Reserve (Fed) kürzlich den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4%–4,25% gesenkt und damit ein expansiveres Umfeld geschaffen. Zwei weitere Zinssenkungen werden noch vor Jahresende erwartet. Daraus ergeben sich positive Auswirkungen auf das Kreditwachstum, die Aktivitäten an den Kapitalmärkten und die Gebührenerträge, da niedrigere Finanzierungskosten in der Regel die Nachfrage im Konsumenten- und Unternehmenssegment ankurbeln. Banken mit einer starken Einlagenseite sind gut positioniert, um diesen Schwung zu nutzen.
Schulden- und Aktienemissionen, Refinanzierungen und Leveraged Buyouts könnten sich beschleunigen – zum Vorteil von Investmentbanken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und JPMorgan. Auch nach den Kursanstiegen werden viele US-Bankenaktien weiterhin unter ihren historischen Durchschnittswerten im Verhältnis Kurs-Gewinn und Kurs-Buchwert gehandelt.
Fintech-Gewinner
Einige japanische Banken treten derzeit mit neuem Ehrgeiz auf die internationale Bühne. Mizuho, die drittgrößte Bank Japans gemessen an den Vermögenswerten, sorgte mit der Übernahme von Greenhill, einer US-Boutique-Investmentbank, für Schlagzeilen. Diese Transaktion ist Teil einer umfassenderen Strategie, mit der sich Mizuho unter den weltweit zehn größten Investmentbanken etablieren möchte.
Über das klassische Bankgeschäft hinaus sehe ich Finanztechnologie-Unternehmen als mögliche Gewinner des expansiven Kurses der Fed. Zahlungsdienstleister, Konsumentenkreditgeber und Börsenbetreiber sind aus meiner Sicht gut positioniert. Im Versicherungssektor sehe ich hingegen derzeit weniger überzeugende Anlagechancen.
Fazit
Der Ausblick für den Finanzsektor ist eng mit der Stärke der Weltwirtschaft verbunden. Zu den potenziellen Risiken zählen Brüche im Zusammenhang mit dem Thema ‚künstliche Intelligenz‘, Kollateralschäden von Trumps Handelspolitik, Herausforderungen an den Anleihemärkten aufgrund der stark steigenden Staatsdefizite in den USA, eine schwächere Arbeitsmarktlage sowie geopolitische Spannungen.
Nichtsdestotrotz: Ausgehend vom heutigen Stand sehe ich das wirtschaftliche Umfeld als unterstützend für globale Finanzwerte – und als Quelle interessanter Chancen für Anleger in diesem Sektor. Wichtig bleibt jedoch eine sorgfältige Titelauswahl.
Von Guy de Blonay, Fondsmanager, Global Equities bei Jupiter Asset Management
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¹ Source for indices’ changes, Bloomberg, as at 1 October 2025
² Source: Bloomberg, as at 1 October 2025