Halbjahresausblick: Kapitalflüsse in Bewegung – Europa und Asien gewinnen an Bedeutung

Der „Liberation Day“ hat die globale Investmentlandschaft verändert. Kapital fließt aus den USA ab, Europa und Asien rücken in den Fokus. Was das für Anleger bedeutet und was im zweiten Halbjahr wichtig werden könnte, erklären die Experten von Eyb & Wallwitz. Eyb & Wallwitz | 11.07.2025 11:36 Uhr
Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt und Andreas Fitzner, Portfoliomanager, Eyb & Wallwitz / © Eyb & Wallwitz
Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt und Andreas Fitzner, Portfoliomanager, Eyb & Wallwitz / © Eyb & Wallwitz

Der sogenannte „Liberation Day“ im April – ein politisches Schlüsselereignis in den USA – entpuppte sich als Katalysator für eine tiefgreifende Neuausrichtung der globalen Kapitalströme. Was zunächst wie ein innenpolitisches Drama erschien, hat sich als geopolitischer Wendepunkt mit weitreichenden Implikationen für Investoren weltweit erwiesen.

Makroökonomische Stabilität oder trügerische Ruhe

Die makroökonomischen Daten zeichnen auf den ersten Blick ein ruhiges Bild: In den USA wird das reale Wachstum für 2025 um etwa 0,5 Prozentpunkte niedriger eingeschätzt, während die Inflation leicht anzieht – ebenfalls um rund 0,5 Prozentpunkte. Von Rezessionsängsten fehlt jede Spur. Auch in Europa bleiben die Prognosen weitgehend stabil. Die Leitzinsen sollen zum Jahresende bei 3,75% in den USA und 1,75% im Euroraum liegen – keine Überraschungen, keine Schocks.

“Die aktuelle Stabilität im Markt ist oberflächlich. Sie verdeckt die tektonischen Verschiebungen, die sich unterhalb der makroökonomischen Kennzahlen vollziehen – insbesondere in den Kapitalflüssen und der Währungsentwicklung.“, so Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz.

Kapitalmärkte trotzen der Unsicherheit – aber nicht für alle

Trotz der politischen Turbulenzen konnten globale Aktien- und Anleihemärkte im ersten Halbjahr 2025 rund 5% zulegen. Der Kursrückgang im April wurde bis zur Jahresmitte vollständig kompensiert. Zwei Narrative dominieren derzeit die Marktpsychologie:

„TACO“ – Trump Always Chickens Out – die Annahme, dass der US-Präsident bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen letztlich zurückrudert, wenn es ernst wird, und „Nothing Ever Happens“ – die Überzeugung, dass politische Entwicklungen langfristig keine Rolle für die Kapitalmärkte spielen.

Diese Narrative mögen kurzfristig beruhigend wirken, doch sie greifen zu kurz. Denn sie spiegeln vor allem die Perspektive US-amerikanischer Anleger wider. Für europäische Investoren stellt sich die Lage anders dar: Die Abwertung des US-Dollars hat zu realen Verlusten geführt – ein Effekt, der in den aggregierten Indexentwicklungen nicht sichtbar wird, aber in den Portfolios spürbar ist.

Kapitalflüsse in Bewegung – Europa und Asien gewinnen an Bedeutung

Ein zentrales Phänomen der letzten Monate ist die schleichende, aber konsequente Verlagerung internationaler Kapitalflüsse. Institutionelle Investoren – insbesondere aus Asien – ziehen Kapital aus den USA ab und investieren verstärkt in Europa und in den eigenen Heimatmärkten. Der nominal effektive Wechselkurs des US-Dollars hat gegenüber einer ganzen Bandbreite an Währungen deutlich nachgegeben – ein klares Signal für die sinkende Attraktivität der USA als Anlageziel.

“Der Euro, der Schweizer Franken, der japanische Yen und kleinere asiatische Währungen konnten gegenüber dem US-Dollar aufwerten. Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer strategischen Neuausrichtung: Angesichts wachsender politischer Risiken und fiskalischer Unsicherheiten in den USA suchen Investoren nach Stabilität und Diversifikation.“, kommentiert Andreas Fitzner, Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz.

Eine Ausnahme bildet der chinesische Renminbi. Trotz globaler Trends hat er gegenüber dem US-Dollar kaum aufgewertet – im Gegenteil: handelsgewichtet hat er sogar an Wert verloren. Die chinesische Regierung verfolgt weiterhin eine Politik der Währungsabwertung, um die Exportwirtschaft zu stützen. Doch mittelfristig dürfte sich auch hier ein Kurswechsel abzeichnen – hin zu einer stärkeren Binnenorientierung und einer Aufwertung des Renminbi, sobald der Fokus stärker auf Konsum und Kaufkraft gelegt wird.

US-Dollar (noch) nicht entthront

Trotz aller Gegenargumente bleibt der US-Dollar vorerst die dominierende Weltreservewährung. Die Fed genießt weiterhin Vertrauen, auch wenn die Diskussion um die Nachfolge von Jerome Powell und mögliche politische Einflussnahmen für Unsicherheit sorgen. Die strukturelle Stärke der US-Wirtschaft, die Glaubwürdigkeit der Notenbank und die Rolle des US-Dollars im Welthandel stützen seine Position – vorerst.

“Erstmals seit Jahren mehren sich die kritischen Stimmen: Das hohe Leistungsbilanzdefizit, fiskalische Risiken, politische Eingriffe in die Notenbankautonomie und die sogenannte „Mar-a-Lago-Agenda“, die ausländische Investoren mit zusätzlichen Risiken und Kosten konfrontiert, sorgen zunehmend für Zweifel an der Stabilität des USD. Die Diversifikation der Kapitalflüsse dürfte sich daher fortsetzen.“, so Mayr.

Implikationen für Anleger – Diversifikation als strategische Notwendigkeit

Die geopolitischen und währungspolitischen Verschiebungen der vergangenen Monate haben die Diskussion um globale Diversifikation neu entfacht. Was lange als strategische Option galt, wird zunehmend als notwendige Reaktion auf ein sich wandelndes Marktumfeld verstanden. Dabei zeigt sich, dass viele Marktteilnehmer ihre Allokationen überdenken und verstärkt auf eine breitere Streuung über Regionen und Währungsräume setzen.

Im Zuge solcher Überlegungen rücken alternative Währungsräume verstärkt in den Fokus – etwa der japanische Yen, der Schweizer Franken oder der Australische Dollar. Diese Währungen gelten in bestimmten Marktphasen als stabilisierend und können zur Risikodiversifikation beitragen. Parallel dazu richtet sich der Blick vermehrt auf asiatische Märkte, die nicht nur von Kapitalrückflüssen profitieren, sondern auch durch strukturelles Wachstum und zunehmende Innovationskraft auf sich aufmerksam machen.

„Japan ist ein zunehmend attraktiver Markt für Anleger – nicht zuletzt aufgrund geldpolitischer Kurswechsel und langfristiger Aufwertungspotenziale des Yen. Auch Australien wird in diesem Zusammenhang interessant, insbesondere wegen seiner engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Asien und vergleichsweise attraktiven Realrenditen. “, erklärt Fitzner.

Auch auf der Aktienseite zeigt sich ein differenzierteres Bild. Während die USA weiterhin eine zentrale Rolle spielen – insbesondere im Bereich technologischer Megatrends – entstehen auch außerhalb Nordamerikas neue Innovationszentren.

„Die Zahl der Patentanmeldungen in Asien übersteigt mittlerweile jene in Europa und Nordamerika deutlich. Unternehmen aus China, Europa und anderen Regionen gewinnen zunehmend an Bedeutung, insbesondere wenn sie über skalierbare Geschäftsmodelle, technologische Tiefe oder disruptives Potenzial verfügen.“, ergänzt Mayr.

Fazit: Märkte zwischen Dollar-Schwäche und Allzeithochs

Der „Liberation Day“ war kein isoliertes politisches Ereignis, sondern ein Wendepunkt für die globale Investorenlandschaft. Die Dominanz des US-Dollars wird relativiert, neue Märkte gewinnen an Bedeutung, und Kapitalflüsse folgen neuen Pfaden. Wer heute erfolgreich investieren will, muss geopolitische Risiken ernst nehmen, strukturelle Chancen erkennen und flexibel agieren. Globale Diversifikation ist dabei nicht nur ein Gebot der Stunde – sie ist der Schlüssel zu nachhaltigem Anlageerfolg.

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