Die laufende Berichtssaison erfüllt erneut die hohen Erwartungen. Für die Experten der unabhängigen Münchner Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz ist noch kein Abgesang in Sicht, auch wenn die Gewinne zum Teil unter den teilweise zu enthusiastischen Erwartungen vom Jahresbeginn geblieben sind und viele Unternehmen im Vorfeld der Zahlenveröffentlichung bereits ihre Guidance zurückgenommen hatten.
Asymmetrische Kursreaktionen
Die Kurse von Unternehmen, die mit positiven Quartalszahlen überrascht oder die Erwartungen erfüllt haben, reagierten nicht so stark, wie die jener Unternehmen mit schwächeren Zahlen. „Die Kurse sind vorher sehr stark gestiegen und wenn ein Unternehmen positiv überrascht hat, ist es zwar noch angesprungen, aber häufig sind die Kurse in den nächsten Tagen auch wieder heruntergekommen. Und die Kurse der Unternehmen, die eher schwache Zahlen veröffentlichten, haben eben deutlich reagiert und sind in den Keller gefallen. Je höher die Bewertungen sind, desto prominenter wird das Bewertungsthema. Das hat diese Berichtssaison gezeigt“, sagt Dr. Georg von Wallwitz, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter von Eyb & Wallwitz.
Big Tech überrascht wieder positiv
Das Gewinnwachstum der Aktien im S&P 500, die bislang berichtet haben, liegt zum dritten Mal in Folge im zweistelligen Bereich. Informationstechnologie hat die Gewinne um über 20% gesteigert. Und auf der anderen Seite haben Sektoren wie Energie, Rohstoffe und Konsumwerte ein negatives Gewinnwachstum im Vergleich zum letzten Jahr. „Die großen Technologiewerte haben gute Zahlen, um nicht zu sagen sehr gute Zahlen, abgeliefert“, fasst Georg von Wallwitz zusammen. Meta hat positiv mit sehr guten Zahlen überrascht, und der Kurs hat entsprechend noch einmal zugelegt. Auf der anderen Seite fiel der Kurs von Amazon nach Bekanntgabe ihrer Quartalsgewinne um 8%, weil das Cloud-Geschäft mit 20% unter den Erwartungen gewachsen ist. „Als Marktführer ist eine Verlangsamung der Geschäfte auch ganz natürlich, aber der Markt hat es schlecht aufgenommen, weil die Aktie eben vorher sehr stark gelaufen ist“, so von Wallwitz. „Übers Jahr gesehen wiesen die Magnificent Seven ein Gewinnwachstum von etwa 25% auf, während der Rest des Marktes, also die anderen 493 Unternehmen, die im S&P 500 enthalten sind, ihre Gewinne nur um 6% steigern konnten.“ Das erkläre auch, warum das Bild in Europa mit den Gewinnen so anders ist. In Europa sind die Indizes sehr viel stärker fokussiert auf Old Economy-Werte wie Automobil- und Konsumwerte. Dort blieben die Gewinnzuwächse auch überschaubar.
Europa: Kursentwicklung dynamischer als Gewinnentwicklung
Die Wertentwicklung in Europa – der DAX mit einem Plus von 20% und der Eurostoxx mit einem Plus von 15% – läuft seit Jahresbeginn der Gewinnentwicklung davon. „Die harten Fakten sagen etwas anderes als das, was wir an Jahresperformance sehen. Die Erklärung findet sich nicht unbedingt in den Gewinnentwicklungen der europäischen Unternehmen, insofern rechnen wir eher mit negativen Gewinnrevisionen für das nächste Quartal“, kommentiert Ingo Koczwara, der den Phaidros Funds Schumpeter Aktien managt. Der Zollstreit und die allgemeine Unsicherheit hängen als Damokles-Schwert über den Märkten. „Aber während in Europa und Deutschland eine große Vorsicht zu spüren ist, legt man in den USA anscheinend eher noch eine Schippe drauf,“ so Koczwara.
Investitionsboom bei Big Tech
Beachtenswert sind den Experten von Eyb & Wallwitz zufolge die Milliardensummen, die Big Tech gerade in Datencenter, KI und in den „War for Talent“ investiert. „Da werden Topmanager für dreistellige Millionensummen abgeworben. Die Frage, ob das dem Aktionär wirklich zugutekommt, muss an dieser Stelle erlaubt sein“, sagt Portfoliomanagerin Dr. Kristina Bambach. Die Magnificent Seven insgesamt werden in diesem Jahr etwa 230 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investieren. Das sind fast 40 Prozent der gesamten Forschungsausgaben der USA. Alphabet allein hat in den letzten fünf Jahren 150 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung ausgegeben und hat die Investitionsplanung für dieses Jahr auf 85 Milliarden erhöht. 90 Prozent aller Suchanfragen im Internet weltweit laufen über Google. „Um diese Marktstellung zu verteidigen, müssen Datencenter über die nächsten Jahre auf den neuesten Stand gebracht, mit neuer Software und neuer Hardware ausgestattet werden“, so Bambach. Es gehe inzwischen um Investitionen in Real Assets, also in Standorte und Immobilien, was früher bei Technologiewerten unüblich war. Bambach vergleicht den Investitionsboom mit dem Siegeszug der Eisenbahn und den Investitionen in das Schienennetz vor 150 Jahren. „Die Gretchenfrage ist, ob sich diese Investitionen über die nächsten 10 bis 20 Jahre rentieren, oder ob das Schienennetz bildlich gesprochen in zehn Jahren bereits überwuchert und zugewachsen ist.“
Tech in China wächst anders
Im Gegensatz dazu nehme die chinesische Tencent, die auch ein großes Cloud-Business hat, deutlich weniger Geld für ihre großen Datenfarmen in die Hand und setze auch bei den KI- Modellen nicht auf teure, selbstentwickelte Modelle wie die Wettbewerber in den USA, sondern sei eine Kooperation mit DeepSeek eingegangen. Es bleibt abzuwarten, welche Strategie von Erfolg gekrönt wird. Die US-Unternehmen können sich diese Investitionen leisten: Während in der Vergangenheit solche Super-Boom-Phasen üblicherweise durch Schulden finanziert waren, erfolgen die Investitionen jetzt aus dem operativen Cashflow.
Healthcare zwischen Wettbewerbs- und Innovationsdruck
Der ganze Healthcare-Sektor ist überlagert von den Zollandrohungen der Regierung Trump und von den Bemühungen der US-Administration, die Gesundheitskosten in den USA einzuhegen. Novo Nordisk war trotz vorheriger Kurskorrektur eine Negativüberraschung, das Unternehmen hat seine Gewinnprognose fürs laufende Jahr erheblich reduzieren müssen. Ein Grund dafür ist, dass man die Konkurrenz für ihre Abnehmspritzen durch halblegal hergestellte sogenannte Compounder nicht einhegen konnte. Darüber hinaus hatte Eli Lilly die Nase bei der Direktvermarktung vorn. Positiv hat hingegen eine Aktie überrascht, die Gegensatz zu Novo Nordisk ihren Boden gefunden hatte: Die Aktie der ICON PLC, die klinische Versuche für die Pharmaindustrie machen, hat erheblich reagiert und ist in einer Woche um 40 Prozent gestiegen.
Europa und seine Absteiger
Nestlé, LVMH und jetzt Novo Nordisk – das waren einmal die Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung in Europa. Die Kurse der europäischen Schwergewichte sind seit ihren Höchstständen zum Teil stark eingebrochen. Ihr „Durchwursteln“ erinnert Ingo Koczwara zufolge fatal an die europäische Politik. „LVMH beispielsweise hat sich darauf verlassen, dass der chinesische Markt schon wieder anspringen und das Wachstum treiben wird, ohne die Hausaufgaben vor der Haustür wie die Bereinigung der Kostenstruktur oder das Management der Lieferketten konsequent anzugehen. Man kann sich nicht auf äußere Faktoren verlassen, erst recht nicht, wenn es wie mit der Abwertung des US-Dollars weitere Belastungsfaktoren für die europäische Exportindustrie gibt.“
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