Das britische BIP schrumpfte im vierten Quartal um 0,3% und damit zum zweiten Mal in Folge. Damit befindet sich Großbritannien in einer technischen Rezession. Die Produktionsschwäche ist auf eine Reihe spezifischer Gründe zurückzuführen. Das schlechte Wetter im Dezember führte zu einem stärkeren Rückgang im Baugewerbe als üblich. Die Exporte schrumpften deutlich schneller als die Importe. Die generelle Beeinträchtigung des Handels durch die Angriffe im Roten Meer dürfte hier eine Rolle gespielt haben. Besorgniserregend ist der Rückgang des privaten Konsums um 0,1%. Allerdings musste der Rückgang des privaten Konsums im dritten Quartal auf -0,9% korrigiert werden, was bedeutet, dass der private Konsum im vierten Quartal zwar immer noch rückläufig war, sich aber im Vergleich zum vorherigen Quartal verbesserte. Die Staatsausgaben sanken um 0,3%, nachdem sie im dritten Quartal noch um 0,8% gestiegen waren. Die einzig positive Entwicklung verzeichneten die Unternehmensinvestitionen, die um 1,5% stiegen, nachdem sie im dritten Quartal noch um 3,2% gesunken waren.
Die Daten machen deutlich, dass Großbritannien in eine technische Rezession eingetreten ist. Nach meiner Einschätzung wird die Rezession technischer Natur bleiben, d.h. sie dürfte nicht auf den Arbeitsmarkt übergreifen. Eine weiter gefasste Definition von Rezession würde auch eine deutliche Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt voraussetzen. Tatsächlich ist die Arbeitslosenquote in diesen beiden Quartalen sogar gesunken. Obwohl es derzeit Probleme bei der Erfassung der Arbeitslosenquote gibt, dürfte die Unsicherheit über die Höhe der Arbeitslosenquote größer sein als über die Tendenz. Hinzu kommt, dass sich die Umfragedaten im Dezember durchweg rasch verbesserten und im Januar ihre starke Entwicklung fortsetzten. Dies spiegelt möglicherweise die Erwartung niedrigerer Zinssätze und eines Anstiegs der verfügbaren Einkommen infolge der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im Januar wider. Da Umfragen ein starker Indikator für die Wirtschaftsleistung sind, deutet dies darauf hin, dass die Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2024 wieder wachsen könnte, ohne dass dies jedoch zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führen würde.
Die Bank of England geht in ihren Prognosen von einer Rezessionswahrscheinlichkeit von 50% aus, aber das Ausmaß des Produktionsrückgangs von heute Morgen wird die geldpolitische Debatte beeinflussen. Wir halten die zweite Jahreshälfte 2024 für den wahrscheinlichsten Zeitpunkt für eine Zinssenkung, da die Bank of England den Arbeitsmarkt weiterhin sehr genau beobachten wird. Der Rückgang heute Morgen erhöht jedoch das Risiko einer früheren Zinssenkung. Dennoch gehen wir davon aus, dass der Arbeitsmarkt angesichts der schwachen Produktion wie in anderen europäischen Ländern widerstandsfähig und angespannt bleiben wird. Dies bedeutet, dass der geldpolitische Ausschuss den heutigen Rückgang zwar berücksichtigen wird, aber solange der Arbeitsmarkt widerstandsfähig bleibt, wird die Debatte darüber, ob und wann die Zinsen gesenkt werden sollen, weitergehen und der Zeitpunkt der ersten Zinssenkung höchst ungewiss bleiben.
Vor diesem Hintergrund werden sich die Finanzmärkte wahrscheinlich weiterhin in zwei Richtungen bewegen: Einerseits werden schwache kurzfristige CPI-Daten und schwache Produktionsdaten dazu führen, dass die Märkte weitere Zinssenkungen einpreisen und Gilts im Einklang mit einem eher traditionellen geldpolitischen Zyklus steigen. Andererseits dürften ein robuster Arbeitsmarkt und starre Löhne dazu führen, dass weniger Zinssenkungen eingepreist werden und Gilts verkauft werden. Die Giltmärkte dürften daher in Zukunft sehr volatil sein.
Von Tomasz Wieladek, Chef-Volkswirt für Europa bei T. Rowe Price