Vier Szenarien für unsichere Märkte

Capital Group | 14.05.2025 10:37 Uhr
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Niemand kennt die Zukunft – das steht fest.

Aber extreme politische Unsicherheiten können die Märkte ins Wanken bringen und das Vertrauen belasten – das der Unternehmen, der Verbraucher und der Anleger.

Seit die Trump-Administration am 2. April eine Flut von Zöllen angekündigt hat, waren die Märkte extrem volatil. Zu beobachten war alles von starken Einbrüchen bis hin zu stabilen Aufschwüngen, häufig in direkter Reaktion auf neue Schlagzeilen.

Die Zölle sind das bislang letzte Kapitel einer fundamentalen Verschiebung weg von der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrschenden regelbasierten Weltwirtschaftsordnung. „Der Zerfall der alten weltpolitischen Ordnung hat schon vor der aktuellen US-Administration angefangen – spätestens mit der internationalen Finanzkrise von 2007 bis 2009“, sagt International Policy Advisor Tom Cooney.

Neu ist, dass die USA, der größte Verfechter des freien Welthandels, jetzt diesen Zerfall antreibt.

Kurzfristig könnten Versuche einer Umstrukturierung des Welthandels, ja selbst schon eine längere Phase der Unsicherheit, das Wachstum bremsen, die Inflation anfachen und das Rezessionsrisiko erhöhen. Langfristig könnte eine anhaltend unsichere Lage die Reputation der USA als verlässlicher Handels- und Sicherheitspartner beschädigen. Andererseits könnten die Märkte aber auch positiv reagieren, wenn schnell erfolgreiche Verhandlungsergebnisse erzielt werden, sodass rasch eine neue Normalität einkehrt.

Die Breite möglicher politischer Entwicklungen stellt Investoren vor nie dagewesene Herausforderungen.

Night Watch bringt Licht ins Dunkel

Was steht der Weltwirtschaft und den Märkten also als nächstes bevor? „Bei extremer Unsicherheit sind Punktprognosen vermutlich nicht hilfreich für Portfolioentscheidungen“, sagt Investment Director Jayme Colosimo.

Hier kommt Night Watch ins Spiel, ein Team aus Volkswirten, Politikanalysten und Portfoliomanagern von Capital Group, das Marktverzerrungen untersucht, um bessere Anlageentscheidungen zu ermöglichen.

Benannt ist das Team nach dem Meisterwerk „De Nachtwacht“ (engl. The Night Watch) von Rembrandt. Es nutzt Szenarioanalysen, um mehrere mögliche Entwicklungen zu prognostizieren, statt sich auf ein bestimmtes Ergebnis festzulegen. „Ziel ist, Experten von Capital Group mit unterschiedlichen Sichtweisen zusammenzubringen – zu einem Team, das zukunftsorientierte Szenarien aufstellt und aus ihnen Schlüsse auf die Auswirkungen für Investoren zieht“, fügt Colosimo hinzu.

„Wir stellen keine Prognosen im engeren Sinne auf“, sagt US-Volkswirt Jared Franz, Vorsitzender von Night Watch. „Wir versuchen, mehrere plausible Narrative der künftigen Entwicklung aufzustellen. Dann betrachten wir für jedes dieser Narrative die Auswirkungen für Investoren, damit Portfoliomanager vorausschauende Entscheidungen treffen können.“

Night Watch hat bereits mehrere Krisen auf diese Weise analysiert, darunter die COVID-19-Pandemie, internationale militärische Konflikte und Schuldenkrisen. „Das Team will Probleme erkennen, bevor sie auftreten oder eskalieren und schon im Vorfeld Extremrisiken berücksichtigen“, sagt Colosimo.

Orientierung in einer unsicheren Zukunft

Dieses Jahr befasst sich Night Watch mit Trumps Einführung bislang einmaliger Zölle und der Neuordnung traditioneller Sicherheitsallianzen. Die Vorarbeiten für diese Analyse wurden kurz nach der Wahl von Trump zum Präsidenten im November 2024 begonnen.

Weltpolitische Neuordnung: Mögliche Ergebnisse und Auswirkungen für Investoren

Das Team hat vier mögliche Endzustände identifiziert: Handelskrieg, Freihandelsabkommen, Rückkehr der Großmachtstruktur und konsequenter Nationalismus.

Im Szenario Abkommen finden die traditionellen Allianzen wieder zusammen, möglicherweise mit einigen kleineren Veränderungen. Weltpolitische Konflikt werden beigelegt, und die politischen Entscheider treffen umfassende Handelsvereinbarungen. „Dies wäre das günstigste Szenario, von dem die Aktienmärkte und die Wirtschaft profitierten“, sagt Franz.

Das Gegenteil davon, die Isolation, also ein konsequenter Nationalismus, wäre von einem weltweiten Handelskrieg gekennzeichnet, und davon, dass Sicherheitsfragen mit Gewalt geklärt würden – mit militärischen Konflikten zwischen den Großmächten als Extremrisiko. „Das wäre das schlechteste denkbare Szenario, eine Kombination aus Handelskrieg und möglicher Waffengewalt“, erklärt Franz.

Die Rückkehr der Großmächte wäre eine Mischung aus Nichtangriffspakten zwischen großen Weltmächten, die jeweils eine Region kontrollierten. „Dies wäre vergleichbar mit der Zeit, als die USA, China und Russland jeweils in ihrem Einflussbereich das Sagen hatten“, fügt Franz hinzu.

Wo stehen wir jetzt und wie geht es weiter? 

Nach Ansicht des Teams von Night Watch haben wir die alte Weltordnung hinter uns gelassen, und wir stehen am Anfang eines Handelskriegs, gekennzeichnet von hohen Zöllen, Exportverboten für Technologie und anderen protektionistischen Maßnahmen, die eine wirtschaftliche Entkopplung und Umstrukturierungen der Lieferketten beschleunigen würden. „Das ist das Szenario mit harten Handelskriegen, aber ohne Waffengewalt“, erläutert Cooney. „Großmächte wie die USA und China streiten sich über Technologie und Handel, wollen aber keinen militärischen Konflikt.“

Wenn sich die Handelsstreitigkeiten fortsetzen, könnte das Wirtschaftswachstum schwächer ausfallen, und die Inflation könnte steigen“, wirft Franz ein. „Wenn die aktuellen Zölle lange bestehen bleiben, dürfte die Konjunktur auch nach 2025 nachlassen. Wenn man jedoch schnell Lösungen findet, wird das Szenario „Abkommen“ wahrscheinlicher.“

Wann ist mit Klarheit über die neue Weltordnung zu rechnen? Weil die Verhandlungen komplex sind und es viele Handelspartner gibt, sollten Investoren nicht mit einer schnellen Lösung rechnen, so Cooney. „Die Welt ist im Wandel. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es Jahre gedauert, bis sich eine neue stabile Weltordnung gebildet hat. So könnte es heute wieder sein.“

„Das Office of the US Trade Representative (USTR) kann nicht innerhalb der 90 Tage, in der die Zölle ausgesetzt sind, also bis Ende Juni, Vereinbarungen mit etwa 90 Ländern schließen. Dazu hat es gar nicht die Kapazitäten“, sagt Cooney, und fügt hinzu, dass das USTR zu wenige Mitarbeiter hat und ihm die Breite fehlt, um schnell viele komplexe Verträge zu schließen. „Es kann also Jahr dauern, vor allem bei besonders vielschichtigen und umfassenden Handelsabkommen wie mit China und Europa.“

Um die Märkte zu beruhigen, wird die Trump-Regierung vielleicht so schnell wie mögliche einige Vereinbarungen treffen und bekanntgeben wollen. Das könnten auch Mini-Deals sein, die nichts mit einem echten Handelsabkommen zu tun haben. Während der ersten Amtszeit Trumps hat die US-Regierung kleinere Vereinbarungen mit Japan, China und Brasilien geschlossen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Verlängerung der 90-Tage-Frist, aber dann bliebe die Unsicherheit vorerst hoch, und wenn jede Verlängerung mit politischer Kraftmeierei einherginge, hielte auch die Marktvolatilität an.

„Ich gehe davon aus, dass die Regierung einige schnelle Vereinbarungen mit Japan und Korea anstrebt, die einfacher zu erreichen sind“, sagt Cooney. „Aber eine Neuverhandlung des US-Mexiko-Kanada-Abkommens ist kompliziert, und die offiziellen Gespräche haben noch nicht einmal begonnen. Das wird also noch dauern. Auch ein Abkommen mit der EU dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Und bis zu einem auch nur teilweisen „Waffenstillstand“ im US-China-Konflikt, dem Kern des Handelskriegs, können noch Jahre ins Land gehen. Zurzeit gibt es keine echten Gespräche auf Regierungsebene zwischen den USA und China.“

Längere Verhandlungen könnten die Märkte und die Wirtschaft belasten. „Hier ist die fehlende Klarheit das größte Problem“, erklärt Cooney. „Unternehmen zögern, hohe Investitionen zu tätigen, solange sie nicht genauer wissen, welche Regeln in Zukunft gelten.“ Die Unternehmensinvestitionen könnten längere Zeit niedriger sein.

Und selbst nach dem Abschluss von Verhandlungen besteht ein gewisses Risiko, dass die Glaubwürdigkeit der USA als verlässlicher Partner und Dreh- und Angelpunkt des Welthandels längerfristig beschädigt ist – ebenso wie der Status des US-Dollar als Reservewährung und die Wahrnehmung, dass US-Staatsanleihen sichere Anlagen sind, so Cooney.

Konsequenzen für Anleger

Für Investoren kommt es in dieser Phase der Unsicherheit vor allem darauf an, sich vor Augen zu führen, was man tatsächlich weiß, anstatt sich irgendeine Meinung zu eigen zu machen und auf unerwartete Entwicklungen vorbereitet zu sein. Davon ist Jody Jonsson überzeugt, Vice Chair von Capital Group und Aktienportfoliomanagerin.

In ihrem Portfolio setzt Jonsson auf ein ausgewogenes Verhältnis von defensiven und dynamischen Positionen. „Bei einer günstigen Wende könnten die Märkten enorm steigen, so wie nach der Ankündigung der Aussetzung der Zölle für 90 Tage am 9. April, die eine Rallye auslöste“, sagt sie. „Zurzeit ist es wichtig, auf Bewertungen und Dividenden zu achten. Wir leben in einer Zeit in der „langweilig“ anlegen, die beste Wahl ist.“ 

Ein Beispiel sind Versicherungen wie Chubb, die nichts exportieren oder importieren, sodass ihr Geschäft nicht besonders anfällig für Zölle ist. Oder die CME Group, die Derivatebörsen betreibt, deren Handelsvolumina bei volatilen Märkten steigen.

„Außerdem glaube ich, dass all dies in hohem Maße für weltweit diversifizierte Portfolios spricht. Es ist schwer zu sagen, wann oder wo Handelsabkommen geschlossen werden“, erklärt Jonsson.

Und wenn am Ende die Handelsgespräche allmählich in Vereinbarungen münden, werden Investoren und Unternehmen klarer sehen, und das Investmentumfeld wird sich verbessern. „Ich denke, dass wir den Höhepunkt der Unsicherheit jetzt erreicht haben“, fügt Jonsson hinzu, „und am Ende wird alles wieder besser aussehen.“

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