Auch knapp einen Monat nach dem sogenannten "Liberation Day", dem Wendepunkt in den Handelsgesprächen zwischen den USA und China, zeigt sich der US-Dollar gegenüber vielen Währungen der Industrie- und Schwellenländer weiterhin weich. Marktbeobachter fragen sich zunehmend, ob es sich dabei um ein temporäres Phänomen handelt, oder ob eine Phase struktureller Schwäche bevorsteht. Laut Jens Søndergaard, Währungsanalyst bei Capital Group, stehen die Vorzeichen für eine nachhaltige Dollar-Schwäche allerdings noch nicht eindeutig auf Grün.
„Glaubwürdige Alternative fehlt“
Zwar würden verschiedene fundamentale Modelle eine Überbewertung des Greenbacks signalisieren, doch entscheidende Auslöser wie ein substanzieller Rückgang des US-Wachstums oder eine dynamische Erholung anderer Volkswirtschaften seien bisher ausgeblieben. „Solange es keine glaubwürdige Alternative gibt, wird der Dollar seine Rolle als Reserve- und Fluchtwährung behalten, auch wenn geopolitische Risiken und politische Unwägbarkeiten zunehmen”, erläutert Søndergaard.
Europa und China mit Aufholpotenzial – aber noch kein Gamechanger
Zwar gebe es leichte Annäherungen, insbesondere zwischen den USA und der Eurozone, doch ein globaler Wachstumsimpuls, der den Dollar nachhaltig unter Druck setzen könnte, sei bislang nicht zu erkennen. Stimulierungsmaßnahmen in Europa, etwa durch geplante Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur in Deutschland, sowie erste fiskalische Lockerungen in China, könnten mittelfristig das Gleichgewicht verschieben. „Wir beobachten hier interessante Dynamiken, die bei entsprechender Umsetzung durchaus das Potenzial hätten, den Dollar auf längere Sicht zu schwächen“, so Søndergaard weiter.
Kapitalströme als Frühindikator
Ein zusätzlicher Belastungsfaktor ergebe sich aus dem Risikoappetit globaler Investoren. Die Phase extrem starker Kapitalzuflüsse in US-Tech-Werte scheint vorerst beendet zu sein. Gleichzeitig zeige sich eine stärkere Diversifikation globaler Portfolios: ein Phänomen, das laut Søndergaard an eine Art „Carry-Trade-Entflechtung“ erinnert. Was jedoch den Status des US-Dollars als globale Leitwährung betrifft, gibt sich der Experte zurückhaltend: „Die Diskussion über ein Ende der Dollar-Hegemonie ist nicht neu. Aber weder der Euro noch der Renminbi bieten derzeit die nötige Markttiefe und Verlässlichkeit, um den Dollar ernsthaft zu ersetzen.“
Fazit: Dollar-Schwäche möglich – Systemwechsel unwahrscheinlich
Auch wenn sich die Dominanz des US-Dollars auf dem Prüfstand befinde, sei ein abrupter Machtwechsel an der Währungsspitze nicht zu erwarten. „Für Anlegerinnen und Anleger bleibt es entscheidend, makroökonomische Verschiebungen genau zu beobachten“, resümiert Søndergaard. „Nicht zuletzt, weil Währungsentwicklungen zunehmend auch die Allokation in globalen Multi-Asset-Portfolios beeinflussen dürften.
Weitere beliebte Meldungen: