Bondinvestoren haben erneut Grund zur Freude. Nach der Rückkehr und dem Ausbau der positiven Renditen im Laufe des Jahres 2022 bieten die derzeitigen Zinsstrukturkurven zusätzliche Renditechancen. Die aktuelle Kurvensteilheit (also der Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zinssätzen) offeriert Kapitalanlegern strategische Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Laufzeitenmanagement, Renditeoptimierung und Risikodiversifikation. Anleger können von einem aktiven Management, der richtigen Auswahl des Marktsegments sowie einer gezielten Allokation entlang der Zinskurve profitieren.
Die Veränderung der Renditestrukturkurven
Über einen längeren Zeitraum, speziell in 2023 und im ersten Halbjahr 2024, waren die Renditestrukturkurven von einer Inversion gekennzeichnet. Dies betraf vor allem Staatsanleihen aus der Kernzone, während Unternehmensanleihen weniger invertierten. Diese für Investoren ungünstige Konstellation war bedingt durch den Kampf der Notenbanken gegen die Inflation (hohe Zinsen am kurzen Ende), gepaart mit schwachen Wirtschaftsaussichten (niedrige Zinsen am langen Ende). Abbildung eins verdeutlicht exemplarisch die Entwicklung des Renditeabstands zwischen 10- und 2‑jährigen Bundesanleihen. Von 11/2022 bis 09/2024 verlief die Bundkurve in diesem Laufzeitsegment nicht nur flach, sondern sogar invertiert.
Die unvorteilhafte Phase flacher oder gar invertierter Kurven wurde in den letzten Monaten abgelöst von einer zunehmenden Versteilerung. Diese Normalisierung der Kurve bedeutet, dass das (risikoreichere) Eingehen längerer Investitionen nun wieder adäquat mit einer Mehrrendite gegenüber kürzeren Laufzeiten entlohnt wird. Die Gründe für diese relativen Verschiebungen liegen, für das kurze Ende der Zinskurve vor allem im Vorgehen der Zentralbanken begründet: Die EZB konnte nach relativ erfolgreicher Bekämpfung der Inflation den Einlagesatz inzwischen zum achten Male senken. Für das lange Ende der Kurve relevant sind generell der Inflationsausblick, das Wirtschaftswachstum und einmalige Faktoren (wie das deutsche Infrastrukturpaket oder die US-Zollankündigungen). Erste wirtschaftliche Erholungstendenzen gepaart mit der Aussicht weiter steigender Staatsschulden führten zuletzt zu einem Zinsanstieg bei längeren Laufzeiten.
Überprüfung der aktuellen Renditestrukturkurve im historischen Kontext
Ist der Verlauf der aktuellen Zinskurven im Vergleich zur Historie nun „passend“ und „fair“? Um dies zu überprüfen, haben wir die durchschnittlichen Steigungen zwischen den einzelnen Laufzeitpunkten über die letzten 20 Jahre berechnet. Wir konstruieren nun drei Vergleichskurven, basierend auf diesen historischen Laufzeitspreads. Als Ausgangspunkte fungieren der aktuelle Leitzins (grau) und die niedrigsten Leitzinserwartungen (hellblau). Auf diese werden nun die durchschnittlichen Steigungen addiert. Als dritten Ausgangspunkt nehmen wir die aktuelle 30-jährige Rendite (grün) und ziehen die durchschnittlichen Steigungen ab. Im Ergebnis befindet sich die aktuelle Bundkurve weitestgehend auf Linie, der so berechneten drei Referenzkurven (Abb. zwei). Die analoge Überprüfung der Kurve für Investmentgrade-Unternehmensanleihen (Abb. drei) führt zur gleichen Aussage: Im Vergleich zur Historie „passen“ die Kurvenformen nun, mit größeren relativen Segmentverschiebungen ist unter diesem Aspekt nicht zu rechnen.
Renditechancen durch den Carry & Roll-Effekt
Der Carry beschreibt den Ertrag, den ein Investor erhält, wenn er eine Anleihe hält - ohne dass sich die Zinskurve verändert. Er besteht primär aus den Kuponzahlungen. Der Roll-Down-Effekt tritt auf, wenn eine Anleihe mit einer längeren Laufzeit im Zeitverlauf eine kürzere Restlaufzeit bekommt und dabei auf der Zinskurve „nach unten rollt“. Bei den aktuell steilen Zinskurven sinkt die Rendite der Anleihe also mit der Zeit und der Kurs der Anleihe steigt entsprechend. Ein angenehmer Effekt für Investoren ganz ohne Zutun.
Investoren sollten sich auf der Zinskurve im Laufzeitensegment mit der größten Kurvensteilheit positionieren, um maximal vom Roll-Down zu profitieren. Um diesen Effekt genauer zu untersuchen, haben wir den möglichen Gesamtertrag einer Anleihe (bei Halten über ein Jahr) zerlegt in die laufende Rendite (Carry, direkt abzulesen an der Zinsstrukturkurve) und den zusätzlichen Rollertrag (bei unveränderter Zinssituation).
Investmentchancen am aktuellen Rand
Abbildung vier zeigt den Gesamtertrag (bestehend aus Carry & Roll) bei wichtigen Staatsanleihen. Dieser wird neben dem relativ hohen absoluten Zinsniveau aktuell zusätzlich erhöht durch die Potenziale der steilen Zinskurven. Die Abbildung fünf verdeutlicht den reinen Rollertrag. Dieser ist aufgrund der momentanen Kurvensteilheit sehr attraktiv und erreicht exemplarisch bei 7- und 10-jährigen italienischen Staatsanleihen Werte über 1,5%. Aber auch die Bundkurve nähert sich bei länger laufenden Anleihen einem Zusatzertrag von knapp 1%.
Generell macht der aktuelle Rollertrag bei Bundesanleihen rund 20%-24% des Gesamtertrags aus (7- bis 15-jährige Anleihen). Bei italienischen Anleihen erreicht dieser Anteil sogar Werte über 30% (7- und 10-jährige Anleihen). Hochattraktiv, wenn man im richtigen Markt- und Laufzeitsegment positioniert ist! Unternehmensanleihen aus dem Investmentgrade-Bereich sind mit einem möglichen Gesamtertrag von bis zu 5% bei länger laufenden Laufzeiten sehr attraktiv (Abb. sechs). Zusätzliche Roll-Down-Renditen von bis zu einem Prozent sprechen ebenso für diese Anlageklasse (Abb. sieben). IG-Unternehmensanleihen mit 5-7-jährigen Laufzeiten stellen neben längeren italienischen und französischen Staatsanleihen deshalb unseren aktuellen Anlageschwerpunkt dar.
Weitere Auswirkungen der aktuellen Renditestrukturkurven
Die Carry & Roll Analysen unterstellen eine unveränderte Zinssituation. Was aber geschieht bei einem Zinsanstieg? Hier stellen die im hohen positiven Bereich liegenden sowie steil verlaufenden Zinskurven momentan einen attraktiven Puffer gegen Verluste dar. In unserer Szenarioanalyse eines Zinsanstiegs von 0,5% würden Bundesanleihen bis zu Laufzeiten von rund neun Jahren weiter in der Gewinnzone bleiben. Bei IG-Unternehmensanleihen ist dieser Puffer noch größer, Laufzeiten von bis zu rund 12 Jahren wären hier gegen Verluste geschützt.
Ein weiterer Aspekt der steilen Zinskurven ist die Tatsache, dass immer mehr Investoren in höhere Laufzeitensegmente „gedrückt“ werden. Gerade bei Duration-Untergewichtungen gegen Benchmarks ist das Risiko einer Unterperformance momentan hoch. Dies ist einerseits darin begründet, dass die absoluten Gesamtrenditen und Rollrenditen recht hoch sind, andererseits die Unterschiede von Laufzeitjahr zu Laufzeitjahr ebenfalls relativ beträchtlich ausfallen. Im Rahmen eines aktiven Managements ist die fortlaufende Überprüfung und Anpassung gerade der Laufzeitenpositionierung deshalb von äußerster Relevanz. Ein zusätzlicher positiver Folgeeffekt: Der graduelle Shift in längere Laufzeiten führt mittelfristig wieder zur Verflachung der Zinskurven und somit zu zusätzlichen Kursgewinnen am langen Ende. Bis dahin gilt es, die Chancen der aktuellen Steilheit durch Positionierung im attraktivsten Markt- und Laufzeitensegment zu nutzen.
Fazit: Laufzeitmanagement, Renditeoptimierung und Risikodiversifikation
Die jüngste Versteilerung der Zinsstrukturkurve eröffnet Anlegern neue Chancen zur Renditeoptimierung – insbesondere durch gezielte Positionierung entlang der Kurve und Nutzung von Carry- und Roll-Down-Effekten. Ein aktives Laufzeitenmanagement wird damit zum zentralen Hebel, um sowohl Ertragschancen zu maximieren als auch Risiken effektiv zu diversifizieren. Die aktuelle Kurvenstruktur zeigt sich im historischen Vergleich als fair bewertet – ein idealer Zeitpunkt für strategische Allokationen.
von Jürgen Seitz, Senior Fund Manager und Director der LAIQON-Tochter MFI Asset Management GmbH
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