Markus Wedel und ich, Niklas Bentlage, waren in den vergangenen Wochen wieder unterwegs und haben zahlreiche Unternehmensvorstände persönlich getroffen. Dabei entstand der Eindruck, dass die anfängliche Euphorie, die nach der Verkündung des großen Infrastrukturprogramms zu spüren war, inzwischen etwas abgeklungen ist. Viele Vorstände hatten sich einen schnelleren und spürbareren Effekt auf ihre Geschäfte erhofft. Zwar hat sich die Lage bei den meisten Unternehmen stabilisiert, doch der ganz große Aufschwung lässt weiterhin auf sich warten. So berichtete beispielsweise ein CFO, dass viele Kunden aus der Baubranche mit einem anziehenden Geschäftsvolumen im dritten Quartal gerechnet haben, bisher blieb dieses jedoch aus.
Dennoch gibt es einige Unternehmen, die die vergangenen Monate dazu genutzt haben, sich gezielt auf die nächste Wachstumsphase, für die es bereits erste Anzeichen gibt, vorzubereiten. Sie haben die Zeit der Nachfrageschwäche als Chance begriffen, ihre Strukturen zu optimieren und gehen heute deutlich gesünder und widerstandsfähiger aus dieser Phase hervor.
Krise als Katalysator: Unternehmen rüsten sich für den Aufschwung
Wir wollen einen gezielten Blick auf die aktuelle Lage in der Gabelstapler- und Intralogistikindustrie werfen, um die darin liegenden Chancen aufzuzeigen, denn diese gelten ebenso für viele Unternehmen aus dem Nebenwertebereich. Wir sind in diesem Segment mit zwei Investments vertreten, wobei eines zu den Top-Ten-Positionen unseres Fonds gehört und daher besonders im Fokus unserer Analyse steht. Die Aktie des Unternehmens hat seit Jahresbeginn bereits eine beeindruckende Kursentwicklung von rund 90 Prozent verzeichnet und bleibt auch für die kommenden Quartale weiterhin ein Beispiel für das Potenzial vieler Nebenwerte.
Gabelstapler & Intralogistik: Motoren des Mittelstands
Um die Entwicklungen besser einordnen zu können, lohnt sich zunächst ein kurzer Blick auf das Top-Ten-Unternehmen selbst. Dieses ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Das ist zum einen der Bereich der Warenhausautomatisierung (als SCS-Segment betitelt), in dem das Unternehmen als Systemintegrator automatisierte Lagerlösungen plant und realisiert, sowohl mit eigenen als auch mit externen Lösungen. Und zum anderen betreibt es das klassische Gabelstaplergeschäft, in dem es nach Toyota Industries weltweit die Nummer zwei ist. Hier reicht das Angebot von einfachen Hubwagen, den sogenannten „Ameisen“, die bereits ab etwa 2.000 bis 6.000 Euro erhältlich sind, bis hin zu komplexen Gegengewichtsstaplern, deren Preise um die 100.000 Euro liegen. In diesem Segment werden jedoch nicht nur Gabelstapler verkauft: Ein erheblicher Teil der Erlöse (etwa die Hälfte) kommt aus der Vermietung und dem Leasing von Flurförderzeugen sowie aus umfangreichen Serviceleistungen (ca. 25 Prozent des Segmentumsatzes), die das Angebot abrunden und für stabile, wiederkehrende Einnahmen sorgen.
Boom, Bust, Balance: Die Achterbahnfahrt der letzten Jahre
Ein Blick in die jüngere Vergangenheit hilft, die Ausgangslage für den weiteren Geschäftsverlauf des Unternehmens besser einordnen zu können. Die Jahre 2020 bis 2022 waren für die Gabelstapler- und Warehouse-Automation-Industrie, wie bei so vielen anderen Industrien auch, von einer außergewöhnlichen Sonderkonjunktur geprägt. Nach dem anfänglichen Schock der Pandemie setzte ein massiver Boom im E-Commerce ein, der weltweit zu einem beschleunigten Ausbau von Lagerkapazitäten und Automatisierungslösungen führte. Unternehmen wie unser Portfoliotitel profitierten in dieser Phase von Rekordaufträgen, insbesondere im Bereich Supply Chain Solutions. Die Auftragseingänge im Segment SCS stiegen von 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 4,3 Milliarden Euro im Jahr 2021 (siehe Grafik 1). Die EBIT-Marge im SCS-Segment erreichte 2021 mit 10,8 Prozent einen historischen Höchststand. Parallel dazu wurden auch im klassischen Gabelstaplergeschäft Rekordvolumina erzielt. Im Jahr 2021 lag das globale Marktvolumen für Gabelstapler bei 2,34 Millionen Einheiten, was einem Anstieg von 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach.
Grafik 1: Entwicklung Auftragseingang und Umsatz - SCS-Segment
Quelle: Unternehmen; eigene Darstellung
Doch diese Sonderkonjunktur erwies sich als nicht nachhaltig. Mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Unsicherheit kühlte die Nachfrage spürbar ab. Viele E-Commerce-Kunden, allen voran Amazon als einer der wichtigsten Kunden des Unternehmens, reduzierten nach dem Pandemie-Boom ihre Investitionen deutlich. Amazon beispielsweise kürzte sein Investitionsbudget im Jahr 2023 um 20 Prozent, was die gesamte Branche spürbar traf. Die neu errichteten Lager deckten den kurzfristigen Bedarf, sodass neue Großaufträge ausblieben. Hinzu kam, dass viele Großprojekte zu Festpreisen und ohne Preisgleitklauseln abgeschlossen wurden. Die explodierenden Materialpreise im Jahr 2022 führten zu erheblichen Margenverlusten. Die EBIT-Marge unseres Fokus-Unternehmens im Segment SCS stürzte von 10,8 Prozent im Jahr 2021 auf minus 1,2 Prozent im Jahr 2022 ab. Die Kostenstruktur war auf ein Umsatzniveau von vier Milliarden Euro im SCS-Segment ausgelegt, tatsächlich lag der Umsatz 2023 aber nur bei drei Milliarden Euro. Die Fixkosten konnten kurzfristig nicht im gleichen Maße reduziert werden.
Pandemie, Krieg, Preisschock: Herausforderungen im Rückspiegel
Auch das globale Marktvolumen für den anderen Bereich, die Gabelstapler, ging 2023 deutlich zurück und fiel auf 2,08 Millionen Einheiten, was einem Rückgang von elf Prozent gegenüber 2021 entspricht (siehe Grafik 2). Besonders stark war der Rückgang in Europa mit minus 16 Prozent und in Amerika mit minus 21 Prozent, während sich der asiatische Markt, insbesondere China, schneller erholte. Die rasant steigenden Stahlpreise infolge des Ukraine-Krieges stellten vor allem bei den Gegengewichtsstaplern ein gravierendes Problem für die Profitabilität dar. Zusätzlich erschwerten die angespannten Lieferketten die Lage. Kleinere Elektronikteile waren nur schwer zu beschaffen und das Unternehmen musste eine Vielzahl an halbfertigen Gabelstaplern neben den Produktionshallen parken. Die Kombination aus rückläufigen Gewinnen, hohen Investitionen und dem Aufbau von Working Capital führte zu einem deutlichen Anstieg der Nettofinanzverschuldung.
Grafik 2: Entwicklung des globalen Gabelstaplermarkts
Quelle: Unternehmen; eigene Darstellung
Stahlpreise, Lieferketten, Margendruck: Die Stolpersteine
Diese Entwicklung war keineswegs auf die Gabelstaplerindustrie beschränkt. In zahlreichen Industriezweigen investierten Unternehmen nach der Pandemie in Erwartung anhaltenden Wachstums, mussten dann aber über Jahre hinweg mit dem Abbau von Lagerbeständen, einer schwachen Profitabilität und erhöhten Belastungen aus dem Finanzergebnis aufgrund gestiegener Verschuldung kämpfen. Erschwerend hinzu kamen die gestiegenen Zinsen und die Inflation, die sowohl bei Material als auch Personalkosten zu einem erheblichen Anstieg führten. Gerade kleinere Unternehmen hatten mit den ansteigenden Zinsen nochmals deutlich stärker zu kämpfen, da sie häufig zu einem höheren Anteil mit variabel verzinstem Fremdkapital finanziert sind (siehe Grafik 3).
Grafik 3: Anteil des Fremdkapitals mit variabler Verzinsung für Unternehmen aus verschiedenen Sektoren sowie Marktkapitalisierungen
Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research
Genau hier liegt jedoch auch der Grund für den heutigen Optimismus: Viele Unternehmen haben die vergangenen Jahre genutzt, um ihre Strukturen zu verschlanken und sich effizienter aufzustellen. Auch unsere beiden Gabelstaplerunternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht und in diesem Jahr umfassende Kostensenkungsprogramme aufgelegt, Belegschaften reduziert oder Produktionsstandorte verlagert. So hat unser Top-Ten-Titel bereits zu Jahresbeginn ein Effizienzprogramm zur Erhaltung der Wettbewerbs- und Investitionsfähigkeit beschlossen. Ziel dieses Programmes sind nachhaltige Kosteneinsparungen in Höhe von jährlich etwa 140 bis 160 Millionen Euro, vollumfänglich wirksam im Geschäftsjahr 2026. Und auch das andere Unternehmen hat zur Jahresmitte mit einem Transformationsprogramm mit personal- und standortbezogenen Maßnahmen zur Sicherstellung der globalen Wettbewerbsfähigkeit nachgezogen. Schwerpunkte des Programmes, das mittelfristig Einsparungen von 100 Millionen Euro liefern soll, sind Optimierungen in Produktion, Management und Verwaltung. Und damit stehen sie nicht allein da: Mehr als die Hälfte der Unternehmen, mit denen wir in den letzten Wochen gesprochen haben, verfolgen ähnliche Strategien.
Effizienz statt Stillstand: Wie Unternehmen jetzt umdenken
Zusätzlich sind die Lagerbestände langsam aufgebraucht und die während der Pandemie errichteten Überkapazitäten werden sukzessive gefüllt. Die Lieferzeiten sind wieder deutlich kürzer und die rückläufige Inflation kann von den Unternehmen nach und nach durch kleinere Preiserhöhungen ausgeglichen werden. Darüber hinaus haben viele Unternehmen angesichts des ausbleibenden Wachstums und der gestiegenen Zinsen gezielt daran gearbeitet, ihre Verschuldung zu reduzieren. Unser Top-Ten-Unternehmen beispielsweise hat den Verschuldungsgrad seit 2022 halbiert. Dies sollte sich in den kommenden Quartalen positiv im Finanzergebnis niederschlagen. Kommt dann noch Umsatzwachstum hinzu, dürfte die Auslastung der Kapazitäten steigen und die Profitabilität überproportional zulegen, was sich wiederum deutlich im Unternehmensgewinn widerspiegeln sollte.
Die Anzeichen für eine Rückkehr des Wachstums in der Intralogistik stehen gut. Weltweit sind bislang erst zehn bis zwanzig Prozent aller Lager automatisiert, das strukturelle Wachstumspotenzial bleibt also enorm. Die Verlagerung von Lieferketten zurück nach Europa und Nordamerika, getrieben durch den Handelskonflikt, erhöht den Bedarf an modernen, automatisierten Logistikzentren zusätzlich. Auch bei Amazon scheinen die Kapazitäten in den Warenhäusern knapper zu werden, denn der Branchenprimus bestellt wieder. Unser favorisiertes Unternehmen konnte zuletzt im zweiten Quartal 2025 einen neuen Rekordauftragseingang von 1,6 Milliarden Euro im SCS-Segment vermelden, der die Umsätze des Unternehmens im nächsten Jahr deutlich stützen sollte und eine bessere Auslastung nach sich zieht. Eine Entwicklung, die nicht nur für das Unternehmen gilt, denn auch die Wettbewerber in diesem Bereich sehen wieder ansteigende Volumina in den Auftragsbüchern und es deutet sich an, dass die Branche vor einem neuen Wachstumszyklus steht.
Wachstumssignale: Ist die Talsohle durchschritten?
Das Marktvolumen für den zweiten Bereich, die Gabelstapler, dürfte in EMEA (Europe, Middel East, Africa) und APAC (Asien-Pacific) im Jahr 2025 ebenfalls wieder wachsen, zumindest sieht es nach neun Monaten danach aus. Die strukturellen Wachstumstreiber bleiben attraktiv, insbesondere, wenn die globale Industrieproduktion wieder anzieht. Die nächste Wachstumsphase im Markt für Gabelstapler und Lagerautomatisierung wird maßgeblich durch Investitionen im E-Commerce und die fortschreitende Automatisierung getrieben. Unternehmen - wie die von uns fokussierten - stehen dabei imZentrum der Entwicklung und sind gerade in Europa hervorragend positioniert, um von diesen strukturellen Trends zu profitieren, die ab 2026 zu einem deutlichen Anstieg von Umsatz und Margen führen könnten. Dem gegenüber stehen trotz der Kursperformance in diesem Jahr nach wie vor moderate Bewertungen.
Fazit: Bereit für den nächsten Sprung
Die Gabelstapler- und Intralogistikbranche hat nach einer pandemiebedingten Sonderkonjunktur eine Phase der Korrektur durchlaufen. Unternehmen mussten sich neu aufstellen, um auf sinkende Nachfrage, steigende Kosten und höhere Verschuldung zu reagieren. Heute zeigt sich, dass diese Anpassungen Früchte tragen: Die Kostenbasis wurde gesenkt, die Bilanz gestärkt und die strategische Ausrichtung geschärft. Mit Blick auf die strukturellen Wachstumstreiber wie Automatisierung, E-Commerce und Arbeitskräftemangel stehen die Zeichen wieder auf Expansion. Unser Fokus-Titel ist dabei nur ein Beispiel für einen gelungenen Turnaround und ein Indikator für die Chancen, die im Nebenwertebereich schlummern. Unternehmen, die „ihre Hausaufgaben gemacht haben“, sind nun bereit, überproportional von der nächsten Wachstumsphase profitieren zu können.
Von Niklas Bentlage, Fund Manager im Managementteam des LF – WHC Global Discovery der LAIQON Gruppe
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