Türkei: Anleger in Alarmbereitschaft

Noch vor wenigen Jahren galt die Türkei als Starperformer der Region, der internationalen Anlegern satte Gewinne sicherte und dank einer jungen, dynamischen und konsumfreudigen Bevölkerung als Hoffnungsträger für langen wirtschaftlichen Aufschwung betrachtet wurde. Der Schwäche (West-)Europas trotzte die Türkei mit guten Handelsbeziehungen zum Nahen Osten, und die hohe Liquidität an den Finanzmärkten ermöglichte es dem Staat, sein steigendes Leistungsbilanzdefizit mit (vorwiegend kurzfristigem) Geld zu finanzieren. Mit der türkischen Wirtschaft brummten auch die Kapitalmärkte und die Währungsinvestoren freuten sich, ob der guten Gelegenheiten. Doch nun – dreieinhalb Jahre später – zeigt die Türkei ein völlig anderes Bild. Raiffeisen Capital Management | 29.09.2016 11:35 Uhr
Ronald Schneider, Leiter Team Anleihen CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen Capital Management / ©  Raiffeisen Capital Management
Ronald Schneider, Leiter Team Anleihen CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen Capital Management / © Raiffeisen Capital Management
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

"Geschuldet ist diese Entwicklung zum einen den geopolitischen Krisen der Region (Krieg im Nachbarland  Syrien, Zerwürfnis mit Russland, Terroranschläge) zum anderen vor allem aber dem harten innenpolitischen Kurs von Recep Tayyip Erdogan, der sich in der Niederschlagung der Proteste im Istanbuler Gezi-Park 2013 erstmals der Weltöffentlichkeit offenbarte und seine bislang stärkste Ausprägung in den Massenverhaftungen nach dem Putschversuch im Juli 2016 fand: Insgesamt wurden zigtausende Politiker, Offiziere und Soldaten, aber auch Lehrer und Journalisten suspendiert, aus ihren Ämtern entfernt und teilweise verhaftet. Polizei- und Justizapparat sowie die Beamtenschaft wurden von vermeintlichen Staatssaboteuren „gesäubert“. Auch Erdogans bedingungslose Vorgehensweise gegen die PKK und ihre Unterstützer steht in der internationalen Kritik. Die einschüchternde Wirkung auf jene, die mehr Freiheit und Demokratie für das Land fordern, bleibt nicht aus. Fest steht, die Ausrichtung der Türkei hat sich deutlich verändert. Das hat auch Folgen für die Beziehungen zur Europäischen Union und den USA und natürlich auch Auswirkungen auf die Sichtweise der Anleger, die gestiegene Risiken für ihre Investitionen nicht mehr nur wegen der Terrorgefahr im Land, sondern eben auch angesichts der innenpolitischen Lage in der Türkei sehen.

Die Renditen für türkische Staatsanleihen werden inzwischen mit höheren Risikoaufschlägen gehandelt. Die Lira war in einer ersten Reaktion nach den Putschmeldungen im Juli deutlich zu US-Dollar und Euro gefallen. Mittlerweile hat sie allerdings einen Großteil ihrer Einbußen wieder aufgeholt. Dennoch bleibt die Volatilität der türkischen Währung ein Thema. Aufgrund der günstigen Inflationsentwicklung hatte die Notenbank zuletzt noch Spielraum, die Zinsen zu senken. Ob sie diesen – auch von Erdogan vehement geforderten – Kurs weiter fortsetzen kann, ist fraglich, denn die Lira ist sehr schwankungsgefährdet und das Risiko von abwertungsbedingten Inflationsschüben daher latent vorhanden.

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Die aktuelle Entwicklung der Türkei macht auch den Rating-Agenturen Sorge. Moody's hat vor kurzem die Kreditwürdigkeit der Türkei von „Investmentgrade“ auf „Spekulativ“ herabgestuft. Als Gründe werden mögliche negative Auswirkungen der (geo-)politischen Ereignisse auf die türkische Konjunktur angeführt, Schwächung der Institutionen und gestiegenes Risiko der hohen externen Finanzierung. Tatsächlich hat sich das türkische Wachstumstempo im zweiten Quartal mit 3,1 % gegenüber dem Vorquartal (4,8 %) deutlich eingebremst. Die Unsicherheit im Land wirkt negativ auf die Konsumfreude der Türken und das Geschäftsklima. Die Regierung versucht zwar mit verschiedenen Programmen die Wirtschaft zu stimulieren, doch greifen diese Maßnahmen noch nicht im gewünschten Umfang. Auch der Einbruch des Tourismus aufgrund der zeitweiligen Sanktionen Russlands (als Folge des Abschusses eines russischen Jagdbombers) hinterlässt Spuren in der konjunkturellen Entwicklung. Auch wenn sich die beiden Länder inzwischen wieder angenähert haben und die Sanktionen vorläufig vom Tisch sind, bleibt das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei belastet. Zu verschieden sind ihre Positionen hinsichtlich der politischen Zukunft des syrischen Präsidenten Assad.


Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Lage überdenken viele internationale Kapitalgeber und Investoren ihr Engagement in der Türkei und führen im Zweifelsfall Kapital ab. Im Falle einer Zinserhöhung in den USA sind darüber hinaus weitere Nettokapitalabflüsse zu erwarten. Eine nachhaltige Stabilisierung der Lira ist in diesem Szenario eher unwahrscheinlich. Angesichts ihres hohen Leistungsbilanzdefizites hat die Türkei zudem wenig Spielraum im Falle einer weiteren Destabilisierung des Marktes. – Daran ändern auch solide Budgetzahlen und eine vergleichsweise geringe öffentliche Verschuldung nichts.

Als hochverzinsliche Währung ist die Türkische Lira auch für Raiffeisen Capital Management von Interesse. Wir haben die Position zuletzt aufgestockt. Bei einer Verschlechterung des institutionellen Setups werden wir die Position wieder rasch zurückfahren."

Ronald Schneider, Leiter Team Anleihen CEE & Global Emerging Markets, Raiffeisen Capital Management

Hinweis: Dieser Kommentar ist in gleicher Form auch bereits als Gastkommentar in der "Börsen-Zeitung" erschienen.

Stand: September 2016

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