Die Studie zeigt, dass die aktuellen Krisen, allen voran der Krieg in Europa und die Teuerungswelle, frauenpolitische Inhalte zunehmend von der medialen Bildfläche verdrängen. Es bleiben wenige Themen im medialen Licht der Öffentlichkeit: Gewalt gegen Frauen, Hass im Netz und die polarisierende Abtreibungsdebatte. Bei vielen anderen frauenrelevanten Themen wird ein starker Rückgang oder ihr Verschwinden aus dem öffentlichen Diskurs festgestellt. Klare Verliererthemen sind besonders jene Themen, die auf die finanzielle Absicherung und Besserstellung von Frauen abzielen, etwa Lohngerechtigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit oder die Bekämpfung von Altersarmut.
„Solange Frauen nicht über gleich viel Geld verfügen, sie keinen annähernd gleich großen Anteil am Vermögen besitzen und ihre Arbeit nicht gleich entlohnt wird, bleibt die Realisierung der Gleichberechtigung der Geschlechter utopisch“, so Maria Pernegger, Studienautorin und Geschäftsführerin von MediaAffairs. Die Studie zeigt: Obwohl die Faktenlage eindeutig ist, wird dem Thema der finanziellen Absicherung im politischen und medialen Diskurs traditionell sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Medien spielen dabei eine wichtige Rolle in der Bewusstseinsbildung und Aufklärung.
Die Arbeiterkammer ist langjährige Partnerin der „Frauen-Politik-Medien“-Studie. Sie sieht diese Entwicklung kritisch. „Frauen-Anliegen müssen wieder in den Fokus rücken“, fordert Ines Stilling, Bereichsleiterin Soziales der Arbeiterkammer Wien. „Es reicht nicht, wenn einmal im Jahr, nämlich am Equal Pay Day, darauf hingewiesen wird, wie hoch noch immer der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern ist.“ Sie sieht in der finanziellen Unterversorgung und Abhängigkeit der Frauen den Anfang vieler Probleme – insbesondere von Gewalt gegen Frauen. „Es braucht eine echte Gleichstellungspolitik, es braucht Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, volle Lohntransparenz, einen Ausbau der Kinderbetreuung und Halbe-Halbe sowohl bei der unbezahlten Arbeit als auch in Entscheidungspositionen. Und es braucht die Medien, die über all diese Herausforderungen berichten und sie sichtbar machen.“
Auf der einen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen, die für einen Gap bei Einkommen und finanzieller Absicherung sorgen. Auf der anderen Seite gibt es auf individueller Seite immer noch viel Unwissenheit und Vorurteile bei Frauen, die letztlich bei Vorsorge, Geldanlage oder Vermögensaufbau einen Nachteil bescheren.
„Wer nur wenig Geld zur Verfügung hat, hat auch wenig Möglichkeiten, finanziell vorzusorgen“, sagt Sabine Macha, stellvertretende Bereichsleiterin Corporate Sustainability bei Raiffeisen Capital Management. Auch wählen Frauen sicherere Anlageformen und vermeiden die Risiken höherer Ertragsmöglichkeiten an den Kapitalmärkten, so die Finanzexpertin. „Männer hingegen, die aufgrund des größeren finanziellen Spielraums etwaige Verluste besser wegstecken können, nehmen diese Risiken mehrheitlich in Kauf und lukrieren dadurch oft auch höhere Erträge. So wird das Gap zwischen den Vermögen von Frauen und Männern immer größer anstatt kleiner.“ Macha appelliert an Frauen, „mutiger beim Anlegen zu sein und Chancen auf höhere Erträge wahrzunehmen. Wir möchten Frauen bewusst darin unterstützen, ihren Vermögensaufbau aktiv zu steuern und finanziell sprichwörtlich in die Gänge zu kommen und nicht auf ‚besseren Zeiten‘ zu warten. Richtig ist, dass Kapitalmarktveranlagungen mit gewissen Risiken verbunden sind, aber wer die Möglichkeit hat, länger in einem Investment zu bleiben, kann am Kapitalmarkt attraktivere Erträge erzielen, als dies mit klassischen Sparformen möglich ist.“
Aus der Studie geht hervor, dass medial immer noch ein sehr tradiertes Bild gezeichnet wird: Die Finanz- und Anlagethemen werden aktuell zu über 80 Prozent von Männern kommuniziert. Frauen als Finanzexpertinnen kommen selten vor und wenn, dann meist nur rund um den Equal Pay Day, wo dann auch Frauen explizit angesprochen werden und eine stärkere Sensibilisierung rund um den Einkommens- und Veranlagungsgap stattfinden.
Die finanzielle Ungleichheit begleitet Frauen ein Leben lang – vom „Pocket-Money-Gap“ bis zum „Retirement-Gap“. Gudrun Meierschitz, Vorständin der größten heimischen Kreditversicherung ACREDIA, ortet auch einen „Investment-Gap“: "Weibliche Startups erhalten deutlich geringere Investitionssummen als männliche Teams. So gingen 2022 in Österreich 9 von 10 Euro im Venture-Capital Bereich an rein männliche Gründerteams1“, so Meierschitz. „Die Wirtschaft verzichtet damit auf ein riesiges Potential.“ Wie Studien zeigen, erzielen Startups unter weiblicher Führung einen höheren Return-on-Investment 2.
„Frauen befinden sich ihr Leben lang in irgendeinem Gap. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob fehlende Lohngerechtigkeit, fehlende Investitionen für Gründerinnen, fehlendes Bewusstsein für Frauenarmut nicht auch eine Form von Gewalt an Frauen ist.“ folgert Meierschitz und appelliert an die österreichischen Journalistinnen und Journalisten: „Holen Sie Frauen als Unternehmerinnen, Gründerinnen und Führungskräfte vor den Vorhang!“
1 https://a.storyblok.com/f/107885/x/d1f13750a1/frauenstudie-2022.pdf
2 Boston Consulting Group (2018) https://www.bcg.com/publications/2018/why-women-owned-startups-are-better-bet