Ein alter Songtitel beschreibt sehr gut die Bedeutung der lange erwarteten und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch eintretenden ersten Leitzinssenkung der amerikanischen Notenbank Fed im September - nachdem diese im August im Rahmen der Jackson Hole-Konferenz de facto angekündigt wurde. Zum einen wird damit der von den Marktteilnehmern herbeigesehnte Richtungswechsel im Zinspfad offiziell eingeläutet und zum anderen die bereits eingepreiste Trendwende am Rentenmarkt bestätigt. Bis dato war die unveränderte US-Zinspolitik entsprechend restriktiv, denn die Inflationsrate tendiert bereits seit geraumer Zeit in Richtung der angepeilten Zielgröße von zwei Prozent und die Wirtschaftsdaten inklusive der Spätindikatoren vom Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Monaten schon merklich abgeschwächt. Noch offen und wohl von den Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten abhängig ist das Ausmaß des ersten Zinssenkungsschritts, wobei nun von einer Fokussierung der Fed auf die Zielsetzung der Beschäftigung auszugehen ist, nachdem bislang die Inflation im Vordergrund stand. Bei aller „Euphorie“ über die erste Zinssenkung der Fed muss man aber auch Vorsicht walten lassen. Grundsätzlich ist es zwar positiv zu sehen, wenn die Zinsen sinken, jedoch nur dann, wenn dieser Schritt nicht zwingend notwendig ist. Denn dann könnte die Zinswende für „risky assets“ durchaus schon als Bestätigung dafür interpretiert werden, dass sich die US-Konjunktur deutlich abschwächen und damit verbunden auch das Gewinnwachstum bei den Unternehmen leiden wird. Rezessionen haben häufig erst nach einem ersten Senkungsschritt begonnen und nur selten konnte eine Rezession mithilfe von Zinssenkungen abgewendet sowie das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden. Sollte es in den USA jedoch zu keiner Rezession kommen, und das von der Mehrheit der Investoren derzeit erwartete „soft landing“ tatsächlich gelingen, so könnte man – zumindest kurzfristig – die Renditetiefs bei den zehnjährigen US-Staatsanleihen infolge des schon vorweggenommenen Einpreisens von Zinssenkungen schon gesehen haben. Aus unserer Sicht gibt es aktuell noch keine klare Evidenz - weder für das Rezessions- noch für das „soft landing“-Szenario. Entsprechend sind wir bei Aktien aktuell neutral positioniert.
Staatsanleihen: sinkende Renditen bei europäischen Staatsanleihen wahrscheinlich
Wir erwarten weiterhin sinkende europäische Staatsanleiherenditen, gehen jedoch davon aus, dass risikoreichere Staatsanleihen (Frankreich, Italien) noch besser performen werden. Daher geben wir diesen gegenüber deutschen Staatsanleihen den Vorzug. US-Staatsanleihen sehen wir im Vergleich zu Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen etwas weniger begünstigt und haben uns auch hier entsprechend positioniert.
Unternehmensanleihen: zunehmende Nervosität macht sich breit
Am Markt für Hochrisikoanleihen (High-Yield-Anleihen) haben wir zuletzt zunehmende Volatilität hinsichtlich der Entwicklung der Risikoprämien gesehen. Eine zunehmende Nervosität ist hier schwer zu leugnen. Allerdings: Saisonal bedingt war die Primärmarktaktivität an den Credit-Märkten in den Sommermonaten relativ schwach, weshalb ein liquiderer September eher Aufschluss über die Verfassung des Marktes für Unternehmensanleihen geben wird. Wir bleiben vorerst bei Investmentgrade-Unternehmensanleihen (Spreadrisiko) engagiert, sind aber weiterhin vorsichtig in Bezug auf High-Yield-Spreadrisiken.
Emerging Markets-Anleihen: Zinssenkungsschritt von großer Bedeutung
Wir betrachten Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen derzeit positiv, zumal wir hier relativ zu anderen Spread-Assets nach wie vor ein gutes Risiko-/Ertragsprofil sehen. Der per 18. September 2024 erwartete erste Zinssenkungsschritt der US-Notenbank und der von ihr gegebene Ausblick dürfte für diese – wie auch für alle anderen – Anleiheklassen besonders wichtig werden. Die Angst des Marktes vor einem "policy error" der US-Fed war zuletzt relativ hoch. Die Aufgabe der Notenbank besteht nun darin, diese Ängste zu zerstreuen.
Entwickelte Aktienmärkte: rasche Erholung von den Verlusten im August
Die internationalen Aktienmärkte konnten sich von den Kursverlusten Anfang August wieder schnell erholen. Im Bereich der Konjunkturdaten gab es in den letzten Wochen mehrheitlich schwächere Daten, die Berichtssaison zum zweiten Quartal brachte aber erneut mehrheitlich positive Überraschungen. Trotz der Rücksetzer im August zeichnen sowohl die Stimmungsindikatoren als auch die Positionierungen eine sehr positive Marktstimmung. Wir bleiben nach der Rücknahme unserer Aktienübergewichtung Anfang Juli bei unserer neutralen Positionierung.
Schwellenländer-Aktienmärkte: Technologiesektoren leiden weiterhin an Korrektur
Global gesehen konnte die Korrektur recht schnell wieder wettgemacht werden. Deutlich verhaltener war dies allerdings bei Emerging-Markets-Aktien der Fall. Insbesondere die Technologiesektoren leiden hier weiter, sind aber seit Jahresanfang noch deutlich im Plus. Die Bewertungen sind regional sehr unterschiedlich – auch der Sektorstruktur der unterschiedlichen Märkte geschuldet. Für Kursanstiege sind verbesserte Gewinne notwendig, von denen findet sich bisher jedoch keine Spur.
Rohstoffmärkte: Edelmetallbereich profitiert von Erwartung auf fallende Leitzinsen
Die internationalen Rohstoffmärkte präsentierten sich in den letzten Wochen etwas schwächer. Vor allem die zyklischen Industriemetalle sowie der Energiesektor verzeichneten Preisrückgänge. Schwächere Konjunkturdaten deuten auf ein verhaltenes Nachfragebild hin. Der Edelmetallbereich konnte hingegen von der Erwartung auf weiter fallende Leitzinsen und einem Rückgang der Renditen profitieren. Wir halten im Rahmen der Taktischen Asset Allocation aktuell keine Position in der Anlageklasse Rohstoffe.
Von Karin Kunrath, Chief Investment Officer der Raiffeisen KAG