2024 war für die Kapitalmärkte in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: In den USA blicken wir auf eines der besten Aktienmarktjahre der Geschichte zurück – einmal mehr unterstützt von den „Magnificent 7“. Auch die Aktienmärkte in Europa sowie der globalen Schwellenländer haben sich deutlich positiv entwickelt, auch wenn diese Märkte zum Teil klar hinter den USA zurückgeblieben sind. Kapitalmarktrisiko einzugehen, zahlte sich auch bei den Anleihemärkten aus, wo weitere Rückgänge bei Zinsaufschlägen für Unternehmensanleihen und Emerging-Markets-Anleihen für lohnende Erträge sorgten. Dies alles unbeeindruckt von geopolitischen Krisen und politischen Umbrüchen, die zwar zwischenzeitlich für Volatilität sorgten, die positive Entwicklung aber nicht bremsen konnten. Der grundsätzlich rückläufige Inflationstrend ermöglichte den Notenbanken – in einem Umfeld moderaten globalen Wirtschaftswachstums – den erwarteten Zinssenkungszyklus einzuleiten.
Was ist für das Kapitalmarktjahr 2025 zu erwarten?
Globale Wirtschaftsentwicklung und Notenbankpolitik
Die Konsensschätzung für das globale Wirtschaftswachstum fällt mit einem Plus von mehr als drei Prozent zunächst unverändert (gut) aus. In den USA wird derzeit ein etwas geringerer Zuwachs als für 2024 erwartet, während das Wachstum in Europa gering bleiben, sich jedoch positiver als noch 2024 entwickeln wird. In den globalen Emerging Markets wird im Vergleich zu 2024 mit einem etwas höheren Wachstum gerechnet. China bleibt dort der bestimmende Faktor. Die Stimulus-Maßnahmen zweigen zwar Wirkung, es wird jedoch erwartet, dass das Wachstum Chinas ungeachtet dessen etwas geringer als im Jahr 2024 ausfallen wird. Globale Handelsbeschränkungen (Zusatzzölle) könnten belastend wirken. Unter der neuen US-Präsidentschaft ist eine ganze Bandbreite an Maßnahmen möglich, die von keinen Änderungen bis hin zu einem ruinösen Handelskrieg reicht.
Was die Inflation betrifft, wird in nahezu allen Weltregionen von einem weiteren Rückgang ausgegangen, ebenso wie von weiteren Zinssenkungen durch die Notenbanken. Aufgrund des Wahlausgangs in den USA und der angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen könnten sich aber inflationär wirkende Effekte einstellen, die sich insbesondere auf den Zinspfad der Fed im Jahresverlauf auswirken würden.
In der Eurozone erwarten wir aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich mehr Zinsschritte als in den USA.
Staatsanleihen: mehr Chancen als Risiken
Für den europäischen Anleihemarkt preisen die Marktteilnehmer:innen für die EZB-Zinssenkungen bis zur Jahresmitte auf ein neutrales Zinsniveau. Angesichts der weiteren Wachstumsverzögerungen in der Eurozone (insbesondere in Ländern wie Deutschland und Frankreich) bei gleichzeitig spürbar moderaterer Inflation, besteht die Möglichkeit, dass im Laufe des Jahres auch über die Notwendigkeit lockerer Geldpolitik gesprochen wird. Insofern sehen wir mehr Chancen als Risken für den Rentenmarkt der Eurozone und präferieren zu Jahresbeginn Anleihen mit längeren Laufzeiten.
In den Kursen von USD-Anleihen sind nur noch moderate Zinssenkungen eingepreist. Höhere Zölle erzeugen mehr Inflation, aber auch mehr Unsicherheit, was das Wachstum betrifft. In Summe sollte sich das für Treasuries (US-Staatsanleihen) übers Jahr gesehen die Waage halten. Zum Jahresende hin, sind aufgrund der schwächer erwarteten Konjunktur 2026 moderat niedrigere Renditen möglich.
Unternehmensanleihen: makroökonomische Lage unterstützt Attraktivität
Während Kreditrisikoprämien nur mehr wenig Einengungspotential aufweisen, unterstützen die erzielbaren Renditen weiterhin die Attraktivität von Unternehmensanleihen im Umfeld einer expansiveren Notenbankpolitik und eines soliden makroökonomischen Bildes. In diesem Umfeld erachten wir Kuponerträge als primäre Ertragsquelle und zusätzliche Kursgewinne durch Spread-Einengung als unwahrscheinlich. Für eine Outperformance von High-Yield-Anleihen wäre eine stabile Konjunkturentwicklung hilfreich.
Schwellenländer-Anleihen: Märkte mit teilweise gutem Wachstumspotenzial
Für die Emerging Markets erhöhen sich mit der ab Anfang 2025 ins Amt kommenden neuen US-Administration die Unsicherheiten in verschiedenen Bereichen, insbesondere in der Handelspolitik, was für einen weiteren Rückgang der Risikoprämien hinderlich sein dürfte. Dennoch erwarten wir aufgrund selektiv attraktiver Spreads und erwarteter (moderat) rückläufiger US-Renditen eine positive Wertentwicklung von Schwellenländer-Hartwährungsanleihen. Auf Lokalwährungsseite werden die steigenden globalen Unsicherheiten, die den Handlungsspielraum der Notenbanken der Emerging Markets begrenzen, teilweise reflektiert, aber wir erwarten in den nächsten Monaten noch bessere Einstiegsmöglichkeiten. Wir bevorzugen Länder mit gutem Wachstumspotential, wie Indien und Indonesien, sowie solche, die sich strukturell verbessern sollten, wie Südafrika und die Türkei. Auch Brasilien könnte Chancen bieten, sofern ein glaubwürdiger Fiskalplan präsentiert werden kann.
Entwickelte Aktienmärkte: Umfeld weiterhin positiv
Die Aktienmärkte stehen weiterhin vor einem generell positiven Umfeld: schwaches, aber positives Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation, fallende Leitzinsen. Eine wichtige Säule für einen positiven Ausblick auf den Aktienmarkt ist eine fortgesetzte Expansion der Unternehmensgewinne. Diese werden im Jahr 2025 voraussichtlich im hohen einstelligen Bereich liegen. Das gilt insbesondere für US-Aktien, wobei die sektorale Verteilung der Gewinnbeiträge deutlich ausgeglichener ausfallen sollte als dies in den letzten beiden Jahren, in denen eine sehr hohe Abhängigkeit von den größten US-Wachstumsunternehmen bestand, der Fall war.
Trends in Richtung künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung und Cloud-Migration setzen sich weiterhin fort und werden auch künftig für Wachstum bei den Unternehmen sorgen. Der breite Markt wird unserer Erwartung nach jedoch wieder an Bedeutung gewinnen, ebenso wie kleinere Unternehmen vom begonnenen Zinssenkungszyklus profitieren können.
Auch in Europa wird für 2025 wieder ein Steigen der Unternehmensgewinne erwartet. Die stärksten Zuwächse sollte es im Industrie-, Grundstoff- und Technologiebereich geben. Insgesamt wird hier mit einem Zuwachs der Gewinne im mittleren einstelligen Bereich gerechnet. Bewertungsseitig ist Europa sehr viel günstiger als die USA, was ein gewisses Aufholpotential schafft.
Schwellenländer-Aktienmärkte: widerstandsfähig gegenüber Handelskonflikt mit USA
2025 wird für die Emerging Markets ein weiteres spannendes Jahr. Im Fokus stehen dabei die vom künftigen US-Präsidenten Trump angekündigten höheren US-Zölle für Importe, insbesondere für chinesische Produkte, sowie die Frage, wie der US-Dollar auf diese Entwicklung reagieren wird. Tendenziell bildet ein starker US-Dollar Gegenwind für die Aktienmarktperformance in den Schwellenländern, während ein schwacher US-Dollar Rückenwind bedeutet. Generell sehen wir die Emerging Markets als sehr widerstandsfähig gegenüber einem verschärften Handelskonflikt mit den USA, da die Abwärtsrisiken bekannt sind und damit auch eingepreist sein sollten. Darüber hinaus gibt es Spielraum für gegensteuernde Maßnahmen, insbesondere auf der Fiskalseite, und die Wachstumsdynamik in den Schwellenländern sieht im Vergleich zu den entwickelten Märkten weiterhin vorteilhaft aus.
Evidente Risikofaktoren nicht aus den Augen verlieren
Insgesamt erwarten wir ein konstruktives Kapitalmarktjahr 2025, das sowohl im Anleihe- als auch Aktienbereich Chancen auf attraktive Erträge bietet. Dennoch sollten folgende evidente Risikofaktoren nicht aus den Augen verloren werden:
Die Fiskalpolitik von Donald Trump könnte zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft führen. Denn angekündigte Steuersenkungen und erhöhte Staatsausgaben kurbeln zwar das Wirtschaftswachstum an, bergen aber auch die Gefahr, dass diese Maßnahmen die ohnehin schon starke US-Wirtschaft überhitzen lassen. Die Folge wäre ein Anstieg der Inflation. Dies würde wiederum die US-Notenbank dazu zwingen, ihre Geldpolitik zu straffen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Für die Kapitalmärkte wäre eine solche Entwicklung problematisch. Aktienmärkte reagieren oft negativ auf steigende Zinssätze, da höhere Finanzierungskosten die Gewinne der Unternehmen belasten und die Attraktivität von Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen verringern. Auch Anleihemärkte könnten unter Druck geraten, da steigende Zinssätze zu fallenden Anleihekursen führen.
Ein weiterer Risikofaktor für die Kapitalmärkte im Jahr 2025 könnte ein globaler Handelskrieg sein, der durch die Politik von Donald Trump ausgelöst wird. Trumps protektionistische Maßnahmen, wie die Einführung hoher Zölle und Handelsbarrieren, könnten zu Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder führen und somit den internationalen Handel erheblich beeinträchtigen. Ein eskalierender Handelskrieg würde das globale Wirtschaftswachstum deutlich schwächen. Handelskonflikte führen in der Regel zu höheren Kosten für Importe und Exporte, was die Preise für Verbraucher:innen und Unternehmen erhöht. Dies kann die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen verringern. Ein schwächeres globales Wachstum könnte negative Auswirkungen auf die Aktienmärkte haben, während Staatsanleihen tendenziell profitieren sollten.
Die Geldpolitik ist in den USA weiterhin im restriktiven Bereich. Damit kann als weiterer Risikofaktor eine Rezession in den USA nicht ausgeschlossen werden. Eine Rezession in den USA hätte weitreichende negative Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Diese reagieren auf darauf oft mit einem Bärenmarkt. Auch die Risikoaufschläge in Spread-Assetklassen reagieren in einer Rezession in der Regel stark negativ. Staatsanleiherenditen würden hingegen stark fallen, was zu einer positiven Wertentwicklung von Staatsanleihen führen würde.
Abschließend ist auch noch das Risiko einer weiteren geopolitischen Eskalation zu nennen. Die Entwicklungen in der Ukraine sind schwer abschätzbar und ein möglicher Angriff von China auf Taiwan wird seit Längerem diskutiert. Vor allem im Nahen Osten bestehen Konflikte, die globale Auswirkungen haben könnten, wie beispielsweise der Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Eine Eskalation hätte erhebliche Implikationen auf die globalen Energiemärkte und würde zu einem stark steigenden Ölpreis führen. Neben einer allgemeinen Welle der Risikoaversion könnte ein Spike im Ölpreis negative Rückkoppelungen auf globale Risikoassets haben.
Auch wenn keiner dieser Risikofaktoren eintreffen muss, gilt es dennoch, wachsam zu sein und je nach Situation, die Kapitalmarkteinschätzung und Positionierung entsprechend anzupassen.
Von Karin Kunrath, Chief Investment Officer der Raiffeisen KAG